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Die Spirale des Hasses

Die Spirale des Hasses

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Die Beziehungen zwischen Israelis und Palästinensern sind offensichtlich auf dem Weg der totalen Vergiftung. Die Ermordung von vier Juden in einer Jerusalemer Synagoge stellt einen neuen Tiefpunkt dar.

Es war die erste Terrorattacke auf ein jüdisches Gebetshaus, aber es wurde in dem Sinne durch diese Tat kein Tabu gebrochen, da radikale Siedler im Westjordanland bereits wiederholt Moscheen angegriffen und zum Teil niedergebrannt haben.

Logo" class="infobox_img" />Francis Wagner fwagner@tageblatt.lu

Es steht zu befürchten, dass Israel wie gehabt reagieren wird, nämlich mit einer Brutalität, welche die Spirale der Gewalt nur noch beschleunigen und vor allem eine zunehmende Anzahl von Palästinensern radikalisieren wird.

Für die Attacke am Dienstag gibt es keine Entschuldigung: Wer Menschen ermordet, allein weil sie Juden sind, stellt sich auf dieselbe Stufe wie die Nazis, die wohl schlimmsten Verbrecher der Menschheitsgeschichte.

Doch Israel ist dabei, sich in eine Sackgasse zu verrennen, aus der es dereinst kein Entrinnen geben wird. Natürlich kommt es in der nahöstlichen Macho-Kultur gut rüber, wenn Netanjahu den Palästinensern kollektiv schwere und schwerste Strafen in Aussicht stellt. Doch was kann er auf lange Sicht damit erreichen?

Keine Nation kann in der Tat glücklich leben, wenn sie es mit Erfolg darauf anlegt, von all ihren Nachbarn abgrundtief gehasst zu werden. Und die israelische Politik bringt es mit schlafwandlerischer Sicherheit fertig, mit systematischen Menschenrechtsverletzungen selbst die friedfertigsten unter den Arabern gegen sich aufzubringen.

Natürlich braucht es für diese Spirale des Hasses zwei Lager, und eine ganze Reihe von Arabern unternehmen alles, um den Hass der Israelis auf ihre eigenen Landsleute zu schüren. Auf beiden Seiten gibt es einflussreiche Elemente, die die Lösung dieses Konflikts im großen Showdown suchen, weil sie der Überzeugung sind, dass auf lange Sicht für zwei Völker in diesem einen Land kein Platz ist.

Doch die kompromisslose Politik Netanjahus beruht auf der schlichten Prämisse, dass man dem Araber nur fest genug in die Fresse zu hauen braucht, damit er irgendwann Ruhe gibt. Und wenn der Araber darauf mit noch mehr Unruhe reagiert, nun, dann haut man ihn halt noch fester in die Gosch’n. Und wenn der Araber darauf … usw., usf.

Tja, so einfach kann Politik sein. Und so deprimierend.

Doch nicht nur mit den Palästinensern ist die Regierung Netanjahu heillos zerstritten, auch mit Washington sind die Beziehungen längst nicht mehr so auf eitel Sonnenschein festgezurrt, wie das jahrzehntelang selbstverständlich war. Letztendlich versteht zumindest der aufgeklärte Teil der amerikanischen Bevölkerung, dass nichts der Radikalisierung junger Moslems so förderlich ist wie das anhaltende Kujonieren der Palästinenser durch die Besatzungsmacht. Jetzt geht es darum, zu verhindern, dass die wahnsinnigen Brandstifter beider Lager den gesamten Nahen Osten in Flammen aufgehen lassen.

Bislang ist es nicht so weit gekommen, doch eines Tages werden wohl die todverfeindeten Hasskrämer dieses Ziel in trauter Eintracht erreichen.