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LuxLeaks als Chance

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Der neue EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker legt einen fulminanten Start hin: nicht einmal einen Monat im Amt und schon den ersten Misstrauensantrag überstanden.

Wochen vor dem eigentlichen Termin stellt er mit einem Investitionsplan das erste große Projekt seines Mandates vor; trotz eindeutiger Regelverletzungen wird säumigen Euro-Staaten wie Frankreich, Italien und Belgien ein Aufschub gewährt und somit kein Verfahren wegen einer Verletzung der Vorschriften des Stabilitätspaktes eingeleitet. Und das alles in einer Woche. Damit haben Jean-Claude Juncker und seine Kommission deutlich gemacht, dass sie sich von ihren Vorgängern unterscheiden. Es wird Politik betrieben.

Guy Kemp gkemp@tageblatt.lu

Glaubwürdigkeit wahren

Die Affäre um die Steuer-Rulings wird den Kommissionspräsidenten jedoch noch lange begleiten. Sie könnte vermutlich dann wieder zu einer Belastung werden, wenn sich bei den Untersuchungen der EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager herausstellen sollte, dass die mit Amazon und Fiat Finance and Trade in Luxemburg vereinbarten Steuer-Rulings als unberechtigte Staatsbeihilfen gewertet werden. Der Vorsitzende der Liberalen im Europäischen Parlament, Guy Verhofstadt, hatte Jean-Claude Juncker gewarnt, dass dieser in diesem Fall „ein Problem“ habe. Was aber soll dann geschehen? Es ist nicht bekannt, dass bei der Feststellung unerlaubter Staatsbeihilfen durch die Kommission – und solche gab es bereits in der Vergangenheit – je ein Premier- oder Finanzminister seinen Hut hat nehmen müssen. Solche unerlaubten Beihilfen müssen wieder in Ordnung gebracht werden, was im Falle Luxemburgs dem Staat wohl zusätzliche Einnahmen bescheren könnte, und damit hat sich die Sache.

Wenn auch bislang LuxLeaks eher gegen den neuen Kommissionspräsidenten gespielt hat, so wird er die Enthüllungen durchaus auch zu einer Chance umwandeln können. Spätestens seit der sogenannten Schuldenkrise ist der Kampf gegen Steuervermeidung und Steuerflucht ein Thema in der Union. Doch war es bisher schwierig, diesen gegen den zu erwartenden Widerstand der Mitgliedstaaten anzugehen. Kein Staat will sich in seine Steuerpolitik hineinreden lassen. Jean-Claude Juncker hat die Gelegenheit, die nun entstandene Dynamik zu nutzen und den medialen Druck, der auf ihm lastet, auf die EU-Staaten weiterzuleiten, indem er Fortschritte etwa bei den Verhandlungen über die Richtlinie einer gemeinsamen Bemessungsgrundlage in Sachen Körperschaftssteuer fordert. Ihm bleibt ohnehin nicht viel anderes übrig, als die Steuerfrage in der EU offensiv anzugehen, wenn er nach all seinen Ankündigungen und Verteidigungsreden seine Glaubwürdigkeit wahren will. Dabei wird sich zeigen, dass so manchen EU-Mitgliedstaaten das Thema der Steuergerechtigkeit wohl doch nicht so wichtig ist, wie sie es öffentlich gerne darstellen.

Nebenbei können die Nationalisten und Souveränisten auf dem eigenen Feld geschlagen werden, und es kann deutlich gemacht werden, dass Politiker wie Nigel Farage und Marine Le Pen eigentlich gegen die Interessen ihrer eigenen Völker arbeiten. Gerade der nationale Rückzug führt dazu, dass ein Staat den anderen austricksen kann, wenn keine gemeinsamen Regeln aufgestellt werden und in Europa zusammengearbeitet wird.