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Allzu-Menschliches

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Montagmorgen, Streit im Büro: Er hat etwas verbockt, sie muss ihn zur Rede stellen. Er schiebt die Schuld weiter und die Verantwortung gleich mit.

Sie wird wütend, redet sich in Rage. Er versteht nicht, warum sie sich so aufregt. Und überhaupt, sie solle sich nicht so aufspielen, als Chefin. Sie wird noch wütender, wollte eigentlich inhaltlich diskutieren, wirft ihm nun seine «Scheiß-egal-Haltung» vor, Tränen steigen ihr in die Augen. Er setzt seine Kopfhörer auf, starrt auf den Bildschirm. Sie verlässt tobend das Büro, geht Kaffee trinken, mit einer Freundin.

Janina Strötgen jstroetgen@tageblatt.lu

Ein ganz normaler Tag, Alltag, überall auf der Welt. Männer und Frauen sind nicht gleich, arbeiten nicht gleich, denken nicht gleich und vor allem kommunizieren nicht gleich. Um dies zu belegen, gibt es jede Menge Studien.

Freud lassen wir lieber weg. Jungs haben einen Penis und Mädchen nicht. Okay. Da hat er noch recht. Aber die Überzeugung, dass Mädchen sich deshalb als verstümmelt und minderwertig empfinden und das andere Geschlecht beneiden, halten wir definitiv für überholt.

Doch natürlich gibt es biologische Unterschiede, die bei der Suche nach Erklärungsmustern durchaus ihr Wörtchen mitzureden haben. Die andersartige Beschaffenheit der männlichen und weiblichen Gehirne zum Beispiel, oder die ungleiche Verteilung der Hormone Östrogen und Androgen, verantwortlich für typisch weibliches «expressives Verhalten» und typisch männliches «instrumentelles Verhalten».

Soziologische und psychologische Ansätze verweisen oft auf jahrtausendealte Tradition und Erziehung, die Auswirkungen bis in unsere Zeit hätten. Ein Beispiel: Ein Junge, der weint, wird anders behandelt als ein Mädchen, das weint. Auch heute noch ständig zu beobachten. Hinzu kommen all die parapsychologischen Ansätze von den Marsbewohnern einerseits und den Venusbewohnerinnen andererseits, deren wissenschaftliche Standfestigkeit zwar sehr wankt, die jedoch zeigen, wie populär das Thema der Ungleichheit zwischen den Geschlechtern doch ist. Ebenso wie all die voll geschriebenen Seiten im länderübergreifenden Feuilleton, die langwierigen Diskussionen um Vor- und Nachteile der Quote, die immer wieder neu entbrannten Feminismusdebatten …

Aller Studien samt einleuchtender Erklärungen zum Trotz, die Konsequenzen, die diese geschlechterspezifische Ungleichheit mit sich bringt, verblüffen und erstaunen immer wieder. Sie frustrieren, machen mürbe. Im Privaten ebenso wie im Beruflichen.

Was tun? Weiterdiskutieren, ja. Und sich für weitsichtige politische Entscheidungen einsetzen. Politische Entscheidungen, die Strukturen von Kitas ebenso betreffen wie Managergehälter, die nicht in erster Linie den Nutzen für den Markt im Blick haben, sondern die Gesundheit der Gesellschaft. Und sonst? Zuhören. Denn es gibt sie, diese kulturellen Veranstaltungen, die man mit einem «Aha-Erlebnis» verlässt, die einem zwar keine allgemeingültigen Antworten servieren, dafür aber etwas in uns bewegen. Ja, ich bin eine Frau, ja, ich gehe den Weg über die Gefühle, ja, ich empfehle jedem, zum Beispiel ins Théâtre du Centaure zu gehen und sich «Baise m’encor, rebaise-moi et baise» anzusehen.