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Angst vor dem Risiko

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Die Konvention und die Trennung von Staat und Kirche.

Taufe, Religionsunterricht, erste Kommunion, Firmung, Hochzeit vor dem Altar und schließlich Begräbnis mit Pfarrer und Messdienern: Noch vor ein, zwei Generationen prägte die katholische Kirche mit ihren Riten und Ritualen nicht nur das gesellschaftliche, sondern auch das private Leben der Luxemburger.

Nur langsam setzte sich die Aufklärung in Sachen Religion und Religiosität im Großherzogtum, gerne auch als Marienland (von den einen voller Spott, von anderen mit bigotter Begeisterung) bezeichnet, durch.

So langsam, dass es bis ins beginnende dritte Jahrtausend dauerte, bis eine – so bald wohl nicht mehr zurückkehrende – politische Ausnahmesituation die parlamentarischen Mehrheitsverhältnisse in einer Weise änderte, die nun zu einer Trennung von Kirche und Staat führte. In dem Sinne müssten die Bürger des Landes, jedenfalls der aufgeklärte Teil, es dem aktuellen Kommissionspräsidenten danken.

Historische Momente

Dass die Trennung nun sanft und kompromissvoll über die Bühne geht, dass die Privatsache Glaube an ein überirdisches Wesen den Staat auch weiterhin Millionen Euro kostet (was die Trennung unkomplett lässt), dass die wenig wissenschaftliche Arbeit im Seminar mit sechsstelligen Geldbeträgen unterstützt wird, dass der Staat das Gehalt der Pfarrer noch weitere zwei Jahrzehnte zahlen muss (wenn auch degressiv), mag engagierte Antiklerikale aufregen: Unter dem Strich bleibt, dass dieser definitive Einstieg in den Ausstieg aus einer klerikalen Gesellschaft – der auch in der Verfassung festgehalten werden wird – ein tatsächlich historischer Moment in der Geschichte des Landes ist. Dass die Scheidung dermaßen langsam über die Bühne geht, liegt auch an fehlendem Mut, und zwar von beiden Seiten.

Die Regierung hatte zwar den festen Willen zur Trennung, wollte sicherlich die miefigen Überbleibsel einer katholisch geprägten Gesellschaft schneller in der Mottenkiste der Geschichte entsorgen, war sich offensichtlich aber nicht ganz sicher, wie das Volk auf die geplante Referendumsfrage nach der Bezahlung der „Ministres des Cultes“ antworten würde. Hätte eine Mehrheit sich für die weitere Bezahlung ausgesprochen, so die Befürchtung, wäre Luxemburg in den nächsten Jahrzehnten in dieser Frage blockiert gewesen. So verhandelte Blau-Rot-Grün im Geheimen mit den Kirchen, die ihrerseits kompromissbereit waren, weil auch sie dem Ausgang der Volksbefragung mit nur mäßigem Gott- bzw. Menschenvertrauen entgegenzitterten. Spätestens nach der Meinungsumfrage von Ende 2014, bei der sich 61 Prozent der Wähler dafür ausgesprochen hatten, die Kirche solle ihr Personal selbst finanzieren, stieg die Kompromissbereitschaft des Bistums an.

Weder Regierung noch Bistum würden demnach gute Poker-Spieler abgeben, ihre Risikobereitschaft ist zu gering.

Dass das Referendum nun aber ohne die vierte, spannende Frage daherkommt, bleibt schade: Ein klares Ergebnis hätte manches vereinfacht und beschleunigt.