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Europa für die Bürger

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Die weltweit wachsende Ungleichheit zwischen einer immer reicher werdenden Minderheit und den Durchschnittsbürgern, die um den Erhalt ihres Lebensstandards kämpfen müssen, ist schlecht fürs Geschäft.

Die große Masse der Menschen muss sich mit einer sinkenden Kaufkraft auseinandersetzen, was ihren Konsum und damit die Wirtschaftsleistung einschränken wird.

Christian Muller cmuller@tageblatt.lu

Einen europäischen Plan, um gegen die steigenden Ungleichheiten vorzugehen, gibt es nicht. Im Gegenteil. Die rezent von der Europäischen Zentralbank angekündigte Politik (Anleihenkäufe von 60 Milliarden Euro im Monat) wird zu einer weiter steigenden Ungleichheit beitragen. So bezeugen auch mehrere Studien, dass eine extrem lockere Geldpolitik die Einkommens- und Vermögensungleichheit vergrößert.

Der Hintergrund: Der Großteil der Einkommen von einfachen Haushalten besteht aus dem Gehalt, während das Einkommen von wohlhabenderen Menschen zum größeren Teil aus Kapitaleinkünften besteht.

Nun führt die Politik der EZB jedoch dazu, dass die Kaufkraft von Gehältern in Euro schrumpft, während an den Börsen die Kurse steigen. Und es war ein wahres Kursfeuerwerk, das Mario Draghi mit seiner Ankündigung ausgelöst hatte. Gleiches gilt für Immobilien: Der Wert der Gebäude in Euro wird zulegen – die Mieter werden also teurer bezahlen müssen.

Interessant sind in diesem Zusammenhang einige der weniger beachteten Forderungen, die der neue griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras noch am Abend seiner Wahl vorgestellt hatte. Im Gegensatz zu den USA, meinte der Grieche, sei Europa im Sozialen einfach zu schwach aufgestellt: Gibt es in einem europäischen Land eine heftige Krise, dann gibt es kein Europa, wenn es um die Linderung der sozialen Konsequenzen geht. Das betroffene Land – in diesem Fall Griechenland – muss sparen und hat somit weniger Geld für Arbeitslose, Armuts- oder Hungerbekämpfung und ähnliche Hilfen übrig. Daher plädiert Tsipras für den Aufbau solcher sozialen Strukturen in Europa. In diesem Fall wäre für die Ärmsten gesorgt – selbst wenn eine Landesregierung komplett versagen würde.

Soziale Strukturen in Europa

Solche Forderungen nach einem sozialen Europa sind nicht neu. Da wir heute in einem gemeinsamen Währungsraum leben, wäre der Aufbau von gemeinsamen sozialen Strukturen notwendig. Die jeweiligen Hilfeleistungen müssten aber an das betreffende Lebensniveau der Region angepasst sein.

Möglicherweise könnte der Aufbau von sozialen Strukturen sogar das Vertrauen in das großartige Projekt, das die Europäische Union ist, wieder fördern. Dann wäre Europa nicht mehr nur ein Binnenmarkt für Konzerne.

Aber nicht nur Europa ist gefordert. Auch Luxemburg muss aufpassen. Künftig wird es hierzulande möglich sein, mit nur einem Euro Kapital ein eigenes Unternehmen aufzubauen. Dies ist sicherlich eine gute Sache zum Fördern des Unternehmertums. Es gilt aber, darauf aufzupassen, dass mit solchen Strukturen nicht „selbstständige Unternehmer“ gefördert werden, die im Endeffekt weniger als den Mindestlohn für Angestellte verdienen werden.