Nun sind wir alle sehr stolz auf unser Gesundheitssystem. Wir hören immer wieder, welches Glück wir doch haben, in einem Land zu leben, in dem wir nur wenige Kilometer bis zum nächsten Krankenhaus fahren müssen, in dem wir ein gut funktionierendes Notarzt-System und gut ausgebildete Rettungskräfte haben, in dem wir auf einen Rettungshubschrauber zurückgreifen können und in dem alles getan wird, damit der Allgemeinmediziner, der «Überlandarzt», der „Hausdokter“ wieder den Stellenwert in dem ganzen Gefüge bekommt, den er irgendwann mal hatte.
" class="infobox_img" />Roger Infalt rinfalt@tageblatt.lu
Anhand der «Convention portant organisation du service de remplacement de nuit, des fins de semaine et des jours fériés des médecins-généralistes» vom 12. November 2008 wird zudem der Dienst des Allgemeinmediziners geregelt, den er bis zum Alter von 55 Jahren außerhalb der Öffnungszeiten der normalen Arztpraxen im Rahmen der «Maisons médicales» (Esch, Luxemburg, Ettelbrück) zwischen 20 Uhr abends und 7 Uhr morgens zu leisten hat. Durchforstet man diese Konvention, dann ist man beim ersten Anblick geneigt zu sagen, dass an alles gedacht wurde, sogar an ein dem Arzt zur Verfügung gestelltes Fahrzeug mit Fahrer. Welches Glück wir doch haben, in einem solchen Land zu leben.
Doch spielen wir einen nicht seltenen Fall aus dem Alltag durch, dann merken wir schnell, dass der Teufel im Detail steckt. Außerhalb der Öffnungszeiten der Hausarztpraxen ist man angehalten, beim Verlangen nach medizinischer Hilfe die Leitzentrale des Rettungsdienstes 112 anzurufen. Dort fragt ein Beamter nach dem Namen des Anrufers, der Adresse, der Telefonnummer, dem Alter des Patienten und nach dem Grund, der zum Anruf geführt hat.
Der 112-Beamte muss zudem Fragen stellen, anhand derer er ausschließen kann, dass es sich um eine «urgence vitale», um ein «problème de traumatologie» oder um ein «incident sur la voie publique» handelt. Erst dann schickt er den diensthabenden Allgemeinarzt los.
Nehmen wir mal an, der Arzt wird so nach Mitternacht zu einem Kranken nach Ulflingen bestellt. «Mäi Mann huet Féiwer an him ass et schwindeleg.» Genaueres konnte die Ehefrau am Telefon nicht sagen. Der «Generalist» fährt nach Ulflingen und stellt während seiner Untersuchung u.a. Herzflimmern fest und … jetzt kommt’s … muss der Familie des Erkrankten dann erklären, warum er, der Arzt, keinen Defibrillator im Einsatzwagen hat (Kostenpunkt: zwischen 1.000 und 2.000 Euro). Er habe zwar alles Mögliche zum Intubieren im Wagen, obwohl schätzungsweise nur etwa 3% aller «Generalisten» einen solchen Eingriff überhaupt beherrschen, aber einen Defibrillator (solche Geräte hängen inzwischen in vielen Kultur-, Schul- und Sportzentren herum) habe er eben nicht im Einsatzwagen. Dem Allgemeinarzt bleibt nichts anderes übrig, als den Notarzt zu alarmieren, der dann vom Stützpunkt Ettelbrück aus nach Ulflingen fährt. Dauer der Fahrt: circa 30 bis 40 Minuten! Er kann natürlich auch ein näher stationiertes Ambulanzteam zu Hilfe rufen. Hier fahren zwar keine Ärzte mit, doch in diesen Wagen gibt es wenigstens Defibrillatoren, die dank ausgeklügelter Technik heute jeder Laie ohne Problem betätigen kann. Egal wie, in der Zwischenzeit ist wertvolle Zeit verstrichen.
In einem Fall, wo jede Sekunde zählt!
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