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Multikulti-Kommerz

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Luxexpo: Ein Mann schiebt sich gerade eine pakistanische Samosa in den Mund, um sie dann mit montenegrinischem Schnaps hinunterzuspülen.

Seine Frau zeigt ihm die soeben erworbene Kette mit Steinen aus Burkina Faso. Bisschen teuer war sie, aber ist ja für einen guten Zweck.

Logo" class="infobox_img" />Janina Strötgen jstroetgen@tageblatt.lu

Zur selben Zeit piepen die Handys, Tweets und Push-up-Nachrichten kommen herein: Schießerei in Dänemark. Ein Mensch stirbt, drei werden verletzt. Bei einer Veranstaltung über Kunst, Gotteslästerung und Meinungsfreiheit in einem Kulturzentrum in Kopenhagen.

Auf den ersten Blick haben diese beiden Ereignisse nichts miteinander zu tun. Ein Multikultifest in Luxemburg, das sich Völkerverständigung auf die Fahne schreibt und dafür vornehmlich auf Essen und Kommerz setzt – schließlich lässt es sich mit gestilltem Kaufrausch und wohligem Völlegefühl gut plaudern. Und eine engagierte Debatte zu einem politisch brisanten Thema in Kopenhagen, die von zwei Radikalen gestört und blutig beendet wird.

Die beiden Ereignisse hängen dann eng miteinander zusammen, wenn man sie als Spiegel unserer Gesellschaft betrachtet.

Die Veranstaltung in Kopenhagen ist eine Randveranstaltung, organisiert von ein paar engagierten Menschen, ein paar wenigen Intellektuellen, die sich nicht satt und zufrieden essen können, da die Herausforderungen der Zukunft sie umtreiben, da sie angesichts des zunehmenden, meist religiös motivierten Terrorismus eine neue Debatte um Wertvorstellungen fordern. Von ihnen gibt es nicht besonders viele im europäischen Diskurs.

Gestört werden sie von Terroristen. Von Radikalen, die nur ihre meist indoktrinierte Sicht auf die Welt zulassen, im Namen eines Gottes oder einer Ideologie töten, Angst schüren und fundamentale Werte wie Meinungs- und Kunstfreiheit ins Wanken bringen. Sie sind zwar laut, brutal und auffällig, aber auch von ihnen gibt es nicht viele.

Der Großteil unserer Gesellschaft ist weder radikal noch engagiert, sondern angepasst und unauffällig. Und das «Festival des migrations, des cultures et de la citoyenneté» repräsentiert diesen Großteil. Eine friedliche, bunte Masse, recht genügsam und selbstzufrieden, die – zumindest an diesem Wochenende – richtig stolz ist auf ihre Vielfältigkeit. Auch unser Parlamentspräsident, der erste Bürger des Staates, freut sich auf Facebook über die tolle Stimmung und die noch tolleren Pasteis de nata, die er mit dem großherzoglichen Paar verspeisen darf. Die vielen Flyer und vereinzelten Rundtischgespräche wirken da schon wie ein verzweifelter Versuch, etwas politisches Flair zwischen das Bratenfett zu hauchen. Schließlich geht es doch um Migration!

Während man diese in Luxemburg ausgelassen feiert und – wenn überhaupt – über das Ausländerwahlrecht diskutiert, haben andere Migranten, in Lampedusa oder Calais etwa, ganz andere Probleme. Aber die wahren Herausforderungen der europäischen Einwanderungspolitik scheinen auf dem Festival keinen Platz zu haben.