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Klartext von Soufian

Klartext von Soufian
(Alain Rischard/editpress)

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Der erste Untertitel-Entwurf war: "Am Ursprung der Ungerechtigkeit steht die Politik".

Wir entschieden uns für den stärkeren Ausdruck. Im zu besprechenden, exemplarischen Fall verantwortet die Politik nicht nur Ungerechtigkeit, sondern Unrecht. Wie immer öfter in dieser Zeit des neoliberalen Triumphzugs.

Logo" class="infobox_img" />Alvin Sold asold@tageblatt.lu

Soufian Afkir ist 19. Er verdient sich sein Studiengeld, gerade 5,96 Euro die Stunde, beim holländischen Einzelhandelskonzern Ahold. Das ist mehr als der Mindestlohn für seine Altersklasse (4,79 Euro), aber lächerlich wenig, gemessen am Gehalt des obersten Chefs, der sich 2013 rund 3,7 Millionen ausbezahlen ließ.

«Um Ihr Gehalt zu bekommen, müsste ich 299 Jahre Vollzeit arbeiten», erklärte Soufian in der Hauptversammlung. Er durfte reden, weil er eine Aktie erworben hatte …

Sein die Geschäfte störender Auftritt lancierte in den Niederlanden eine Debatte, die generell überfällig ist. Wieso darf die Einkommensschere so weit auseinanderklaffen? Für welche Leistung werden die Spitzenmanager so unangemessen fürstlich belohnt?

Für die Kunst, die Arbeitskosten möglichst niedrig zu halten, damit die Profite möglichst hoch steigen? – Natürlich!

Die Arbeitskosten sind in der Tat ein entscheidender Faktor auf den deregulierten Märkten EU-Europas. Die Banane – oder war es die Gurke? – wurde genormt, das Arbeits- und Sozialrecht aber nicht. Europa lässt Skandalöses, Unmoralisches, Unethisches geschehen, aber in völlig legalem Rahmen, immer konform, nach dem Motto: Tut uns leid, wir können für nichts, die Gesetze machen nicht wir, sondern die Politik.

Doch warum lässt die Politik das Skandalöse, das Unmoralische, das Unethische geschehen? Eine Kernfrage, die gar nicht oft genug gestellt werden kann. Die Standardantwort der Regierungen summiert sich in einem Satz: Da kann man nichts tun, das ist halt so, gegen die Kräfte des Marktes kann keiner sich stemmen. Spanien, Portugal und Irland mussten klein beigeben, jetzt sind die Griechen dran, und morgen die Belgier, wenn die vor den Gewerkschaften kapitulieren, und übermorgen die Italiener und die Franzosen und überhaupt alle; bleiben wir doch schön brav und geduldig, der Tag wird kommen, an dem Soufian nur noch 298 Jahre zu schuften braucht, bis er das Jahresgehalt von Dick Boer bekommt.

Der Leser dieser Zeilen weiß, worauf wir hinaus wollen: Möglich wurde der schleichende soziale Abbau durch die schleichende Entpolitisierung. Wer interessiert sich denn heute noch für die engmaschigen Zusammenhänge zwischen den unbefriedigenden Zuständen und der weitgehend von der Wirtschaft entmachteten Politik?

Die Oberhoheit ist dem Wähler entglitten; er kann sie nur zurückerobern, wenn er sich politisch engagiert. Nicht unbedingt als Karteimitglied in einer Partei, sondern, das wäre der erste Schritt, als Citoyen, als interessierter, teilnehmender, zum Teilen bereiter Bürger.

Hat er dafür die Zeit, bei all dem, was ihm zum Zeitvertreib angeboten wird, von denen, die ihm das Leben versüßen möchten, mit allgegenwärtigem Entertainment rund um die Uhr?

Es wird der Soufians immer mehr geben, und irgendwann übernehmen sie die Gestaltung der heruntergewirtschafteten Politik. Ja!