Außer der Verdreifachung der Mittel für die
Überwachungsmissionen von Frontex im Mittelmeer haben sich die 28 bei ihrem Krisengipfel im April vor allem auf den Kampf gegen die Schleuser verständigt. Es kommt einem jedoch so vor, als sollte hier mit Kanonen auf Spatzen geschossen werden. Modernstes militärisches Material, Satellitenbilder, Radartechnik, Aufklärungsflugzeuge und Spezialkräfte wollen die Europäer aufbieten, um Schlauchboote ausfindig zu machen und zu durchlöchern.
" class="infobox_img" />Guy Kemp gkemp@tageblatt.lu
Ob sich skrupellose Menschenhändler, denen das Leben der Flüchtlinge egal ist, davon werden beeindrucken lassen, ist zu bezweifeln. Möglicherweise können die Europäer bei ihren Operationen auch so manchen Handlanger der Schlepper auf die eine oder andere Weise aus dem Verkehr ziehen. Doch wird es wohl nicht darauf ankommen. Denn jene, die die Flüchtlinge an der nordafrikanischen Küste zusammentreiben, um sie im Schutze der Dunkelheit aufs Meer zu geleiten, wo diese dann ihrem Schicksal überlassen werden, stehen vermutlich auch nur auf der untersten Sprosse einer Leiter, an deren Ende so leicht niemand herankommt. Und die Helfer sind vermutlich ebenso austauschbar wie in deren Augen jene Menschen, die aus purer Verzweiflung lieber die gefährliche Reise antreten als dorthin zurückzukehren, wo sie herkommen.
Es stellt sich daher die Frage, ob sich der Aufwand, den die Europäer nun betreiben wollen, um einige Boote zu zerstören, wirklich lohnt. Treiben sie damit nicht den Preis, den die in Libyen gestrandeten Menschen zahlen müssen, in die Höhe – jenen, der für den Platz im Boot zu zahlen ist, und jenen, der wegen der zunehmenden Unwägbarkeiten möglicherweise auf dem offenen Meer mit dem Leben gezahlt wird? Es ist verständlich, dass sich Europas Politiker durch das Treiben der kriminell agierenden Schlepper herausgefordert fühlen und diese bekämpfen wollen. Doch ist es mit größter Wahrscheinlichkeit ein aussichtsloser Kampf, der nicht annähernd zu gewinnen ist. Es werden immer wieder prallvoll besetzte Boote von der Küste Libyens in Richtung Europa ablegen.
Und die Europäer werden nicht anders können, als diese Menschen dann aus dem Meer zu fischen und aufzunehmen. Eigentlich wäre es sinnvoller, die Flüchtlinge gleich in Libyen abzuholen, bevor sie Unsummen an Schleuser zahlen und ihr Leben auf deren Seelenverkäufern riskieren. Zumindest könnte ihnen gleich vor Ort klar gemacht werden, dass sie, falls kein Asylgrund vorliegt, zwar viel Geld für die Reise nach Europa zahlen, sie höchstwahrscheinlich jedoch damit rechnen müssen, von dort wieder zurück in die Heimat geschickt zu werden. Immerhin gibt es noch eine Regierung in Libyen, mit der die Europäer zusammenarbeiten könnten, auch wenn diese nicht das ganze Land kontrolliert. Allerdings müssten die EU-Europäer dann auch bereit sein, wenigstens die Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien aufzunehmen, denen sicherlich kein Asyl verwehrt werden kann. Welches Land wie viele aufnehmen würde, darüber ist jetzt ein Streit in der EU entbrannt, der zeigt, dass sich so manche EU-Staaten schwer damit tun, ihrem Anspruch, humanitär und moralisch zu handeln, nachzukommen.
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