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Mit härteren Bandagen

Mit härteren Bandagen
(Alain Rischard/editpress)

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Egal, wie man es dreht und kehrt: Luxemburg gehört zu den wirtschaftlich erfolgreichsten Staaten dieser Erde. In allen Studien, Ratings und Statistiken mischen „wir“, wo es um Geld geht, ganz vorne mit, was „uns“ ja nicht nur Freunde beschert.
Eine wichtige Kernzahl ist das BIP-Wachstum, welches 2014 mit 5,6 Punkten so hoch war wie in den besten Jahren vor der Krise. Die Prognosen für die kommenden Jahre liegen über der 3-Prozent-Marke, einem Wert, von dem man in Deutschland, Frankreich und Belgien nicht einmal zu träumen wagt.

Alvin Sold asold@tageblatt.lu

Mit dem anhaltenden Boom – denn volkswirtschaftlich gesehen ist es einer – ist die Voraussetzung für politische Maßnahmen geschaffen, auf die schon lange gewartet wird.

Die mittleren wie die unteren Einkommensschichten leiden seit 2009 unter einem schleichenden Kaufkraftverlust, der sich aus der Teuerung, der Nichtanpassung der Steuertabellen an den Index und rasch steigenden Taxen ergibt. Während der Krise verzichteten die Gewerkschaften weitgehend auf Lohnforderungen, um den Unternehmen das Rückgrat zu stärken: Ein typisch Lëtzebuerger Verhalten, das irgendwann von der Politik und vom Patronat honoriert gehört!

„Irgendwann“ ist jetzt, sagt der OGB-L im Auftrag seiner zigtausend Mitglieder und der noch zahlreicheren Sympathisanten. Zeitgleich tritt der Patronatsverband UEL auf die Bühne mit Anliegen, die den Arbeitstag vieler Berufsgruppen verschlechtern, den Öffentlichen Dienst in die Defensive treiben und die Staatskasse schwer belasten.

Anscheinend verlangt eine erhebliche Minderheit (um die 40%) der UEL-Mitglieder eine härtere Gangart ihrer Vertreter der Regierung und den Gewerkschaften gegenüber. Es entzieht sich unserer Kenntnis, ob die streitbaren Chefs eher Zugezogene sind, welche die Luxemburger Gepflogenheit nicht schätzen, oder/und kämpferische Luxemburger, die meinen, man sollte die Gunst der Stunde nutzen.

In der Tat bleibt die ganze EU-Politik noch wirtschaftsliberal statt sozial ausgerichtet. Die allgemeine Unzufriedenheit hat wohl linken Strömungen Auftrieb gegeben, aber die konnten kanalisiert werden, wie am griechischen Beispiel ersichtlich. Doch ist ein politischer Machtwechsel nicht auszuschließen, in Spanien und Großbritannien vielleicht schon schneller, als den Herren des Geldes lieb ist.

So kommt die Luxemburger Dreiparteienregierung demnächst in eine sehr unangenehme Lage. Sie könnte, sollte und müsste Freunde sowohl in Gewerkschafts- wie in Patronatskreisen haben, aber deren Prioritätenliste ist genau gegensätzlich!
Steuerliche Entlastung für die Unternehmen oder für das Salariat, flexiblere Arbeitszeiten zugunsten der Unternehmen oder strengere Regeln und eine sechste Urlaubswoche, Abbau von Sozialleistungen, u.a. bei der Pflegeversicherung, oder Anpassung der Beiträge an die Kosten, Aufweichung des Beamtenstatuts oder Festigung, Anpassung des Schulwesens an die Bedürfnisse der Wirtschaft oder tief und breit angelegte Allgemeinbildung für das Leben …

Die Gewerkschaft hat ihre Basis noch nicht befragt, ob eine härtere Gangart der Regierung und dem Patronat gegenüber erwünscht ist. Aber sie beginnt im Oktober mit einer Mobilisierung, die ernst zu nehmen ist.

Zu allererst von der Koalition.