Headlines

Formel krank

Formel krank
(Tageblatt)

Jetzt weiterlesen! !

Für 0.99 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Heute auf den Tag genau vor 15 Jahren versetzte ein trockener Deutscher die heißblütigen Tifosi in Extase, indem er eine 21-jährige Durststrecke beendete, die doch arg am Selbstverständnis der italienischen Motorsportfans gerüttelt hatte.

Nach Jahrzehnten des Chaos war durch die Verpflichtung von Michael Schumacher 1996 eine neue Ordnung und Zielstrebigkeit in die Scuderia eingekehrt, mit dem Gewinn des Formel-1-Fahrertitels lebte der Mythos der prestigeträchtigsten Autosport-Marke weltweit wieder auf.

Philip Michel pmichel@tageblatt.lu

Nun schickt sich wieder ein Deutscher an, die Scuderia zurück in die Erfolgsspur zu bringen. Doch die Zeiten haben sich geändert. Während die Königsklasse des Rennsports um die Jahrtausendwende boomte wie nie zuvor, befindet sie sich heutzutage in einer schweren Krise. Das Geld fehlt den Rennställen an allen Ecken und Enden, den enorm kostenintensiven technischen Aufwand können viele Teams, darunter auch Lotus um Gerard Lopez und Eric Lux, nicht mehr stemmen. Das, weil für die Sponsoren das Produkt Formel 1 stark an Attraktivität eingebüßt hat.

Finanz- und Wirtschaftskrise hin oder her, zum großen Teil ist die Krise der Formel 1 hausgemacht. F1-Boss Bernie Ecclestone machte einst aus der dahinsiechenden Rennserie eine wirtschaftlich extrem erfolgreiche Königsklasse des Motorsports. In den letzten Jahrzehnten tat Ecclestone fast alles, um die Geldquellen nicht versiegen zu lassen.
Allerdings weniger zum Wohle der Rennserie, sondern vielmehr zum Wohle seines Bankkontos. Dank der Formel 1 häufte der mittlerweile 84-jährige Brite ein Privatvermögen von geschätzten vier Milliarden Euro an. So konnte er sich 2014 auch für 74 Millionen vor dem Münchner Landgericht vom Vorwurf der Bestechung und Anstiftung zur Untreue freikaufen. Ein Urteil, das hohe Wellen schlug, weil Wahrheit und Gerechtigkeit zum Handelsobjekt wurden, wie die Süddeutsche Zeitung damals bemerkte.

Noch in diesem Jahr wolle er die Formel 1 verkaufen, sagte Ecclestone nun am Rande des Grand Prix von Russland. Eines jener Rennen aus der Retorte, die den eingefleischten Motorsport-Fans ein Dorn im Auge sind. Denn in Russland, China, Malaysia, Abu Dhabi, Bahrain und Co. wird auf Kursen gefahren, deren Tribünen zwar spärlich besetzt sind, die dafür aber prima TV-Bilder liefern. Und die die traditionsreichen Strecken wie den Nürburgring aus dem Rennkalender verdrängt haben.

Wahnwitzige sieben Milliarden Euro als Gesamtsumme stehen zur Diskussion. Die neuen Eigner könnten aus den USA und Katar kommen. So dass davon auszugehen ist, dass die Formel 1 noch mehr auf Geldmaschinerie getrimmt wird und sie sich demnach noch weiter von ihren (europäischen) Wurzeln entfernen wird.

Das ist schade, denn die Freudenszenen aus Italien nach der Rückkehr auf den Formel-1-Thron dokumentieren, wie riesig die Begeisterung für den Formel-1-Rennsport sein kann. Als Mischung aus Tempo, Risiko, Technik und Sex-Appeal hat die Königsklasse jahrzehntelang fasziniert. Ecclestone hat daraus ein Big Business gemacht, dessen Geschäftsmodell so nicht mehr funktioniert.