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Abseits jeglicher Realität

Abseits jeglicher Realität
(Reuters/Murad Sezer)

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Türkische Politiker auf Abwegen

Die Populisten unter den Politikern tendieren dazu, früher oder später jedes Maß zu verlieren. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan ist so ein Populist. Mit dem, was er am Wochenende zu den Auftrittsverboten für türkische Politiker vor allem in Deutschland sowie den inhaftierten deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel von sich gegeben hat, kann er durchaus mit dem zuweilen irrwitzigen neuen Hausherrn im Weißen Haus in Washington mithalten.

Guy Kemp gkemp@tageblatt.lu

Mit der Realität haben die Äußerungen des türkischen Staatschefs – Nazi-Vergleich und Terrorismus-Vorwurf – nichts gemein. Was ebenfalls auf den Vorwurf zutrifft, mit der Weigerung, türkischen Regierungsmitgliedern Wahlkampfauftritte zu gestatten, verstoße Deutschland gegen die Meinungsfreiheit. Was obendrein ein Witz sondergleichen ist, schauen doch dieselben Minister ihrem Präsidenten dabei zu, wie dieser die Presse- und Meinungsfreiheit, neben der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit, in der Türkei abschafft.

Diese Verkehrung der Tatsachen macht es ungemein schwierig, ein Auskommen mit Erdogan zu finden und ihm klarzumachen, dass es nicht angeht, innenpolitische Auseinandersetzungen in andere Länder zu tragen. Auch die türkische Regierung sollte sich darauf beschränken, ihre inneren Angelegenheiten zu Hause auszutragen. Zumindest das sollten die türkischen Politiker beherzigen. Sich mit ihnen auf eine Diskussion darüber einzulassen, dass das Land geradewegs auf eine Autokratie zusteuert und sich somit von vielem abwendet, was einen demokratisch, nach rechtsstaatlichen Prinzipien verfassten Staat ausmacht, ist gegenwärtig nicht möglich.