Kommentar zu einem Beitrag aus dem Luxemburger Wort vom 28. Juni 2023:
Ministerinnen und Minister müssen sich auch benehmen. Wer hätte das gedacht? Zum Glück werden diese elementaren Regeln, die im banalen Volke Norm sind, um ein problemloses Zusammenleben zu ermöglichen, jetzt auch den teilweise hoch qualifizierten Volksvertretern, die oft einer gehobenen Gesellschaftsschicht entstammen, zugänglich sein. Deftige oder anrüchige Luxemburger Redensarten wie „Topert“ oder das umgangssprachlich eingebürgerte kleine Wörtchen „nondikass“ sind dem Herrn Oberschiedsrichter der Abgeordnetenkammer suspekt und werden durch eine Geschäftsordnungskommission zu einem offiziellen Dokument zusammengefasst, wo Jänni a Männi zu jeder Zeit auf das schlechte Verhalten hingewiesen werden kann. Ob das Nasenbohren beim Vortrag am Rednerpult ebenfalls geahndet wird, ist dem Text nicht zu entnehmen.
Dass zu dem Beitrag das Foto eines einzigen Ministers abgebildet ist, der kürzlich wegen angeblichen Missbrauchs seines Amtes unangenehm im Mittelpunkt stand, finde ich nicht korrekt. Hier müsste ein Gruppenbild aller Volksvertreter ganzseitig abgebildet werden.
Eigentlich schade, dass der Verhaltensspielraum jetzt so eingeengt wird, dass fast kein Platz mehr bleibt für spontane kabarettistische Einlagen, die im Kammerbericht stets ihren Niederschlag unter dem Begriff „Hilarité“ gefunden haben. Durch diese übertriebene Strenge wird weniger sprachgewandten Volksvertretern die einzige Möglichkeit genommen, ihren Namen später im Bericht zu verewigen, um den Beweis zu erbringen, dass sie auch mal dabei waren. Verbale Provokationen scheinen auch in Zukunft noch zum täglichen Geschäft zu gehören, nur die Reaktion darauf ist in einem „Benimm Dich-Katalog“ nachzuschlagen.
Unsere als Luxemburger angeborene Zurückhaltung oder fehlendes Temperament verhindern leider, dass die erhitzten Gemüter sich zu Keilereien hinreißen lassen, wie das manchmal in anderen Ländern der Fall ist. Hier würde vor unseren Augen die Spreu vom Weizen getrennt und uns vorgeführt, wer genügend Mumm vorweisen kann, die Interessen der Wähler zu vertreten, selbst unter Gefahr für die eigene Gesundheit.
Abgeordnete dürfen Geschenke mit einem Wert von 150 Euro maximal annehmen. Der Verhaltenskodex für Abgeordnete soll Interessenkonflikte, Bestechung und Korruption im Amt verhindern sowie die Ausübung des Mandats in Freiheit garantieren. Ein einzigartiger, wahrhaft weltweit umwälzender Einfall eines bescheidenen Volkes. Wären früher die Amerikaner von solchen intellektuellen Geistesblitzen getroffen worden, statt sich für ovalgetretene Fußbälle zu begeistern, die organisierte Kriminalität wie Cosa Nostra oder die Mafia hätte niemals Fuß fassen können. Mir wäre in der Wahlkabine niemals in den Sinn gekommen, zu den einzelnen Kandidaten Überlegungen anzustellen zu ihrer Empfänglichkeit für Bestechung.
Abgeordnete sind Menschen, die sich seit ihrer Jugend deutlich durch besondere soziale Fähigkeiten und den unermüdlichen Einsatz für ihre Mitmenschen vom banalen Volke unterscheiden. Es muss sich doch sicher als eine schmerzhafte Beleidigung für sie anfühlen, dass der Wert der Geschenke, die dankbare Bürger ihnen zukommen lassen, auf einen Höchstbetrag von lächerlichen 150 Euro festgesetzt wird. Mit solch billigem Ramsch darf ich meiner Frau nicht nachträglich kommen, sollte ich rein zufällig den Hochzeitstag verpasst haben. Genauso unwohl werden sich demnächst diejenigen fühlen, denen eine einzige hingekritzelte Unterschrift unter einer Ausschreibung reicht, um sich endlich den Ankerplatz für ihre Yacht im Hafen von Monte-Carlo leisten zu können und denen die Möglichkeit genommen wird, sich gebührend zu bedanken.
"Abgeordnete dürfen Geschenke mit einem Wert von 150 Euro maximal annehmen."
Pro Tag und pro Schenker, versteht sich.