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Das InterviewPaul Philipp: „Es ist eine Antwort, aber keine Revanche“

Das Interview / Paul Philipp: „Es ist eine Antwort, aber keine Revanche“
Die „Roten Löwen“ feierten nach Spielende vor den rund 20 angereisten Luxemburger Fans. Doch auch die einheimischen Zuschauer zeigten viel Anerkennung für die kämpferische Luxemburger Leistung. Foto:sportspress.lu/Mélanie Maps

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Es war eine unruhige Nacht, die hinter FLF-Präsident Paul Philipp lag. An Schlaf war nach dem aufreibenden Abend in Zenica nicht zu denken. Wie der Verbandschef die Partie erlebte, was er zu Gerson Rodrigues und Vincent Thill zu sagen hatte und warum er daran glaubt, dass der Punkterekord wackelt, erzählte er am Flughafen in Sarajevo.

Tageblatt: Vor fünf Jahren wurde Ihnen in Toulouse die gleiche Eisbrecherfrage gestellt: Wie haben Sie nach diesem emotionalen Spiel geschlafen?

Paul Philipp (FLF-Präsident): Ich wollte früh ins Bett, aber ich habe nicht gut geschlafen. Ich habe mir noch die Bilder im TV angesehen. Der Film lief noch einmal ganz ab, wie man so sagt. Es hat eine Zeit gedauert, da wir alle positiv aufgewühlt waren. Eigentlich wäre es besser gewesen, in der Lobby zu bleiben und mit den Spielern zu feiern.

Die Spieler haben Sie bei der Party im Hotel um die doppelte Prämie gebeten. Kann man das nach so einer Leistung als Präsident überhaupt ausschlagen?

Das machen sie immer, das ist nichts Neues (lacht). Es ist ganz schwer, Nein zu sagen. Gestern (in der Nacht zum Mittwoch) habe ich versucht, irgendwie aus der Nummer rauszukommen. Es ist, mir glaube ich, nicht wirklich gelungen. Zumindest habe ich es fertiggebracht, nichts zu versprechen. Ich werde mich jetzt noch einmal in Ruhe mit Kapitän Laurent Jans unterhalten. 

Wie sollte man diesen Auswärtssieg in Bosnien einstufen?

Hoch, vor allem wegen der Leistung, die wir gezeigt haben. Wir waren ebenbürtig. Wenn man noch einmal den Vergleich mit Toulouse ziehen will, war es etwas ganz anderes: Dort war etwas Glück dabei und der Bus stand tief. Hier haben wir mitgespielt und das Mittelfeld nicht nur gewonnen, sondern teilweise dominiert. Dieser Sieg ist nicht unverdient. Von daher würde ich behaupten, es wären zwei grundverschiedene Spiele gewesen. Ich bleibe dabei: Diesen Erfolg sollte man sehr hoch einstufen. Portugal ist in der Gruppe außer Reichweite, aber danach haben wir wirklich mit Bosnien auf Platz zwei gerechnet. 

Welches Element hat Sie bei der Luxemburger Leistung am meisten beeindruckt?

Ganz klar das Kollektiv. Unser Mittelfeld war vorbildlich mit Leandro Barreiro, Christopher Martins oder auch einem Mathias Olesen, der sich exzellent präsentiert hat. Ich will niemanden hervorheben, aber ich denke, dass es eben genau im Mittelfeld war, wo wir Meister auf dem Platz waren. Das hat das gesamte Spiel getragen. Man darf nicht vergessen, dass Maxime Chanot und Enes Mahmutovic gegen einen Edin Dzeko angetreten sind, der vor zehn Tagen noch im Champions-League-Finale stand. Von daher war es vom Kollektiv her eine außergewöhnliche Leistung.

Sie haben das Kollektiv angesprochen. War es in gewisser Art und Weise eine Antwort auf die Unruhe, die es zwei Tage vorher gegeben hat?

Es ist eine Antwort, aber keine Revanche. Es waren zwei grundverschiedene Angelegenheiten, wie es der Trainer auch schon erklärt hat. Der eine wurde gesperrt, weil er morgens nicht im Training erschienen ist, der andere ist weggefahren. Die Mannschaft hat ihre Antwort gegeben, aber nicht unbedingt gegen andere Spieler. Es gibt Strukturen und Regeln, die jeder zu befolgen hat. Ich denke auch, dass es – gegenüber denjenigen, die da sind – an der Zeit war, zu zeigen, dass eben nicht alles erlaubt ist. 

Nationaltrainer Luc Holtz sagte in der Pressekonferenz, dass man gesehen habe, dass die Mannschaft nicht gegen ihn gespielt habe. Wie bewerten Sie das?

Den Eindruck, dass gegen den Trainer gespielt wurde, hatte ich nie. Es ist ja auch nicht so, dass es ein Komplott gegeben hätte. Der eine war nicht da, der andere ist möglicherweise enttäuscht gewesen. Es kam mir wirklich nie so vor, als hätte das Team nicht gut zusammen „gelebt“. 

Bislang gab es noch keine Aussagen bezüglich der möglichen Konsequenzen. Was können Sie jetzt dazu sagen?

Der Trainer hat Gerson Rodrigues für diese Partie suspendiert. Ich denke, dass die Tür offen steht, wenn er sich an die Regeln hält. Es ist die Aufgabe des Trainers, zu definieren, wie flexibel das Ganze ist. Vielleicht war der Rahmen manchmal zu flexibel … Was Vincent Thill anbelangt, hoffe ich, dass es sich um eine Kurzschlussreaktion gehandelt hat. Der Ball liegt bei ihm, um das Gespräch mit dem Coach zu suchen. 

Das heißt also, dass der Trainer entscheidet, wie es weitergeht?

Was Gerson Rodrigues betrifft, definitiv ja. Wenn der Trainer einen neuen Rahmen festlegt und sich der Spieler daran hält, gibt es von unserer Seite kein Problem. Bei Vincent warten wir dagegen auf Erklärungen. Was war los? War er enttäuscht? Es wäre verständlich – aber kein Grund, nach Hause zu fahren.

Kommen wir zum sportlichen Blick in die Zukunft. Ab wann darf man träumen?

Träumen darf man, aber nicht mehr. Man sieht, dass wir einen breiten Kader haben, der qualitativ sehr eng beieinander liegt. Zudem fehlte Mica Pinto. Wir wussten, dass es eng werden könnte, was Platz zwei der Gruppe J angeht. Die Slowaken haben allerdings schon ein kleines Loch gemacht. Wir liegen nah beieinander, aber es gibt keine einfachen Spiele. Vielleicht kann eine Mannschaft wie Liechtenstein das Rennen um Platz zwei mitentscheiden. 

Es gibt noch die Play-off-Tür …

Wir drücken der Türkei die Daumen. Es wäre schon genial, überhaupt an diesen Play-offs im März teilnehmen zu können.

Hätten Sie mit sieben Punkten aus vier Spielen gerechnet?

Nein. Mit Sicherheit nicht. Der Kalender sah nämlich mit den Auswärtsspielen in der Slowakei und Bosnien nicht danach aus. Dort muss man nicht punkten. Die drei Zähler gegen Liechtenstein waren allerdings fest eingeplant. Ganz ehrlich: Vier oder fünf Punkte wären kein Drama gewesen. 

Wackelt der Rekord?

Ich hoffe (lacht). Ohne etwas zu unterschätzen: Wir fahren noch nach Liechtenstein und empfangen die Slowakei und Bosnien zu Hause. Das kann in jede Richtung gehen.

Anderes Thema: In den sozialen Medien wurde zuletzt die Dauerkarten-Verkaufspolitik der FLF kritisiert. Wie stehen Sie dazu?

Man darf nicht vergessen, dass wir gegen Liechtenstein fast 1.700 Einzeltickets im Familienblock (dem eigentlichen Auswärtsblock) verkauft haben. Es gab bis einen Tag vor dem Spiel die Möglichkeit, eine Eintrittskarte zu kaufen. Wer unbedingt dabei sein wollte, konnte das tun. 

Gegen Bosnien wird das aber nicht der Fall sein?

Möglicherweise auch nicht gegen Island. Das hängt von der Begeisterung und der Anfrage der Gäste ab. Andererseits darf man nicht vergessen, dass unsere Ergebnisse uns wieder interessant gemacht haben. Da kommen vielleicht wieder einige zurück, die gegen Liechtenstein nicht dabei waren.

Paul Philipp
Paul Philipp Foto: sportspress.lu/Mélanie Maps

„Holtzi, Holtzi, Holtzi“

„Ich und mein Holz“, schallte es in den (ganz) frühen Morgenstunden durch die Eingangshalle des „Hotel Zenica“ – nicht einmal einen Kilometer entfernt vom Bilino-Polje-Stadion, in dem am Ende schon über 12.000 Zuschauer Beifall für die grandiose Leistung der „Roten Löwen“ geklatscht hatten. Und diese spezielle Hommage hatte einen ganz besonderen Geschmack: Einerseits, weil man den deutschen Partysong damals schon in Toulouse (beim 0:0 gegen Frankreich) durch die Lautsprecher in der Hotellobby gehört hatte. Andererseits war er aber auch eine Art Bestätigung und Rückendeckung für den Nationaltrainer. „Holtzi, Holtzi, Holtzi“ skandierte die Delegation wohl nicht ohne Hintergedanken.
Denn der Coach war noch Stunden zuvor in den sozialen Medien (wieder einmal) heftig kritisiert worden. Der freiwillige und wortlose Rückzug von Vincent Thill sowie die Suspendierung von Gerson Rodrigues bestimmten den Diskurs vor der EM-Qualifikationspartie – und hätten, im Fall eines anderen Ergebnisses, wohl ganz andere Reaktionen in der Öffentlichkeit ausgelöst. So aber haben die 22 mitgereisten FLF-Spieler bewiesen, „dass sie nicht gegen Trainer spielen“, wie Luc Holtz auch direkt im Anschluss an die Partie bei der Pressekonferenz sagte. Schon am Tag zuvor hatte Keeper Anthony Moris mit seiner klaren Stellungnahme angedeutet, dass der Kader gewillt sei, ein kollektiv geeintes Gesicht zu zeigen. Und den Beweis lieferte das Team auf dem Platz.

Leandro Barreiro hatte das 2:0 auf dem Fuß – am Ende lieferte er dann die Vorlage für Danel Sinani
Leandro Barreiro hatte das 2:0 auf dem Fuß – am Ende lieferte er dann die Vorlage für Danel Sinani Foto: sportspress.lu/Mélanie Maps