Tageblatt: Alex Kirsch, auf der letzten Etappe sind Sie in Rom auf Platz zwei gesprintet. Hat Sie das Ergebnis selbst überrascht?
Alex Kirsch: Ja, in dem Moment schon. Als ich über den Zielstrich fuhr, dachte ich: „Okay, krass, ich bin Zweiter.“ Ich habe noch das Bild vor mir, wie nur Mark Cavendish vor mir über die Linie fährt. In dem Moment war ich selbst überrascht. Aber ich weiß, dass ich schnell bin. Vor allem am letzten Tag haben vielen Sprintern die Körner gefehlt. Das Ziel mit dem Kopfsteinpflaster kam mir sehr entgegen. Es war etwas für kräftigere Sprinter.
Nach dem krankheitsbedingten Aus von Mads Pedersen durften Sie auf den beiden Sprinteretappen auf ein Ergebnis fahren. Wie schwierig ist die Umstellung von Anfahrer auf Sprinter?
Als Anfahrer muss man sich lange zurückhalten und dann länger vorne fahren. Ein richtiger Sprint ist was ganz anderes. Der „Switch“ ist nicht einfach. Bei meinem ersten Sprint wurde ich Achter. Ich war zufrieden mit dem Sprint, aber nicht mit der Platzierung, weil ich schneller als andere war. Deswegen hatte ich mir schon vor Rom vorgenommen, näher ans Podest ranzufahren. Mit Platz zwei war ich sehr zufrieden und sehr glücklich.
Nach drei harten Wochen hatten Sie am Ende also noch vergleichsweise frische Beine. Hat Sie das verwundert?
Ich wusste, dass es gegen Ende besser gehen würde. Das hat mich nicht überrascht, es war mein Plan. Mittlerweile hilft auch die Erfahrung. Am Anfang muss man ein paar Etappen lockerer angehen und schon an die letzten denken. Ich weiß, dass ich einen guten Motor habe. Ich muss nicht in Topform an den Start gehen, um zu überleben.
Das heißt, eine weitere Woche wäre Ihnen entgegenkommen …
Nein, das sicher nicht (lacht). Ich glaube, jeder ist froh, dass die Rundfahrt vorbei ist. Von außen war das Rennen vielleicht weniger spannend. Das lag daran, dass die Rennen sehr auszehrend waren, mit langen Bergetappen und viel Regen. Am Ende hat es bei vielen einfach an Kraft gefehlt. Drei Wochen reichen mir aber definitiv aus.
Ich habe noch das Bild vor mir, wie nur Mark Cavendish vor mir über die Linie fährt. In dem Moment war ich selbst überrascht.
Wie haben sich die drei Wochen in Italien angefühlt?
Wir haben zwischendurch alle doch sehr gelitten mit dem Wetter. Es war krass, das muss man doch schon sagen. Ich hätte mir nicht vorstellen können, die Regenjacke täglich so oft zu wechseln. Wir waren alle immer sehr angespannt. Es gab keine Etappe, die physisch oder mental leicht war. Es ist einerseits körperlich anstrengend, so oft die Jacke zu wechseln, andererseits ist im Kopf auch alles schwieriger. Es herrscht immer Sturzgefahr, man fährt stundenlang im Regen, das ist schon sehr kräftezehrend.
In Rom haben Sie gezeigt, dass Sie in der Lage sind, ein Ergebnis auf höchstem Niveau einzufahren. Ist das etwas, das Sie in Zukunft mehr machen möchten?
Das wurde ich nun schon oft gefragt. Ich bin sehr froh, Zweiter geworden zu sein. Das lässt sich in einer Karriere sehen. Ich bin froh, diese Chance bekommen und genutzt zu haben. Ich bin jedoch einer der besten Anfahrer auf der Welt. Im Sprint bin ich einfach nicht so explosiv wie andere. Meiner Meinung nach ergibt es keinen Sinn, wenn du in einer Domäne einer der Besten der Welt bist, dann deine Einstellung zu ändern. Es ergibt keinen Sinn, dann vielleicht zwischen Platz drei und sechs rumzufahren. Ich möchte nicht, dass jemand das falsch versteht: Ich bin sehr froh über die beiden Sprints. Man hat aber auch gesehen, dass es eher Lead-out-Sprints als klassische Sprints von mir waren.
Den Etappensieg hat das Team, das anvisierte Sprintertrikot wurde verpasst. Wie zufrieden ist man im Team mit dem Giro?
Überraschenderweise bin ich sehr zufrieden mit der Mannschaft – auch wenn nicht alle Ziele erreicht wurden. Vor Mads’ Ausscheiden haben wir eine Etappe gewonnen. Nach seinem Sturz auf der zweiten Etappe haben wir keine Punkte dort mitnehmen können. Wir haben von da an eine Aufholjagd auf das Sprintertrikot angesetzt. Wir waren bis zu seinem Aus gut im Spiel, hinten raus hätte es spannend werden können. Wir haben dann leider unseren Leader verloren. Ein Team könnte deswegen auch seine Richtung verlieren oder gar zusammenbrechen. Das war bei uns aber das Gegenteil. Wir sind noch auf das Podest gefahren, waren in Spitzengruppen aktiv und am letzten Tag hat Toms Skujiņš sogar den Zwischensprint gewonnen. Wir hatten jeden Tag gute Aktionen. Und das nicht mit Superstars. Das war auch eine schöne Erfahrung.
Wie geht es nun für Sie weiter?
Es ist wichtig, sich nun erst mal zu erholen. Mental wie auch Physisch. Ich bin für den Rest der Saison sehr zuversichtlich, da ich den Giro mit guter Form und guter Moral verlassen habe. Bald werde ich dann mit der Vorbereitung auf die Tour de France beginnen.
Ihr Vertrag endet nach dieser Saison bei Trek-Segafredo. Wie fortgeschritten sind die Vertragsverhandlungen?
Es gab Gespräche mit Trek und anderen Teams. Aber ich denke, dass Trek großes Interesse an mir hat und ich bin auch sehr zufrieden. Das ist der aktuelle Stand.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können