Tageblatt: Man kennt Sie als abergläubischen Fußballfanatiker. Wie emotional war dieser Derbysieg im Viertelfinale des Pokals?
Fabrizio Bei: Zugegeben, die Anspannung war diesmal schon speziell, denn bei diesem Derby stand besonders viel auf dem Spiel. In den letzten Wochen gab es bei unseren Begegnungen immer wieder gemischte Gefühle. Deshalb war meine Gefühlslage auch dementsprechend. Ich war mir bewusst, dass etwas drin wäre. Genauso hätten wir aber auch enttäuschen können. Es ist eigentlich das Spiegelbild unserer Saison. Ich habe aber gespürt, dass die Mannschaft sich wieder gefunden hat. Taktisch und physisch haben wir gezeigt, dass wir ein Team sind. Das sind die Voraussetzungen, um ein positives Ergebnis zu erzielen. Gestern (am Mittwoch) waren wir engagiert. Es war ein „match d’hommes“. Das soll nicht negativ klingen. Wir haben starke Niederkorner in den ersten 20 Minuten förmlich schachmatt gesetzt. Wir haben uns verbessert. Vor wenigen Wochen war das Ende des Tunnels nicht zu sehen, jetzt haben wir bewiesen, dass, egal wie es ausgeht, Differdingen noch nicht tot ist.
Was haben Sie den Spielern nach dem Schlusspfiff mit auf den Weg gegeben?
Ich bin jedes Mal der Erste, der sich auf den Weg in die Kabinen macht – auch wenn wir verlieren. Ich habe diesmal aber nicht viel geredet. Das hatte seinen Grund. Ich war ausgelaugt, denn die Partie ging an die Substanz. Wir haben trotzdem ein wenig in der Kabine gefeiert, denn es gab ja auch allen Grund dazu. Es war ein Derby, wir stehen unter den letzten vier des Pokals. Aber, und das wissen die Spieler auch: Wir haben damit noch gar nichts erreicht.
Ab welchem Zeitpunkt wussten Sie, dass es für einen Pokal-Heimsieg und das damit verbundene Ticket für das Halbfinale reichen würde?
Manchmal sage ich mir: Jetzt ist es geschafft – und dann tritt das genaue Gegenteil ein. Es war ein 50:50-Spiel. Nach dem 2:3 konnte man sich fragen, in welche Richtung das kippen würde, wenn der Ausgleich gefallen wäre. Hätten wir es in der Verlängerung moralisch geschafft? Ich habe gezittert bis zum Schlusspfiff. Ich zittere sogar bei einem 5:0. Das liegt wohl in meiner Natur.
Wie überzeugend war der Auftritt der Differdinger Mannschaft am Mittwochabend?
Wir haben die Duelle angenommen und viele Zweikämpfe für uns entschieden. Wir standen kompakt. Defensiv haben wir wenig zugelassen und konnten durch die schnellen Angriffe von João Simões und Amine Naïfi, die beide technisch den Unterschied machen können, für Gefahr sorgen. Wir standen taktisch gut. Ich will nicht behaupten, dass wir mehr Willen an den Tag gelegt haben, aber die Mannschaft war bereit, den Kampf anzunehmen. Es ist kein Geheimnis: Der Pokal ist unser letzter Joker, während Niederkorn eben noch an zwei Fronten vertreten war. Vielleicht war das der Grund, weshalb wir mental besser vorbereitet waren. Ich weiß es nicht … Aus meiner Sicht haben wir ein perfektes Spiel abgeliefert – und das war maßgebend.
Umso mehr dürfte man bei D03 also dem enttäuschenden Verlauf der Meisterschaft nachtrauern?
Definitiv. Dieses Viertelfinale erinnerte mich an unser Conference-League-Duell gegen die Slowenen (Olimpija Ljubljana im vergangenen Sommer). Wir hatten diesmal vielleicht etwas mehr Glück. Vor ein paar Wochen standen wir fast schon am Abgrund. Es wurde über uns geschrieben. Wir hätten vom Titel geredet und wären nun 20 Punkte davon entfernt. Ich weiß, was die Gruppe wert ist und wie viel Qualität drinsteckt. Ich weiß, dass wir Spieler in den Reihen haben, die in den Top drei mithalten können. Es hat aber nicht geklappt und wir müssen jetzt analysieren, warum das so ist. Wir haben uns von sehr weit zurückgekämpft. Nach der Niederlage gegen die Fola im Februar waren wir nur drei Punkte von einem Relegationsplatz entfernt. Ich habe wirklich gedacht, dass wir gegen den Abstieg spielen würden, wenn nicht reagiert werden würde. Da haben wir die Kurve bekommen.
Es war mit zwei Trainerwechseln eine ungewohnt unruhige Saison für Ihren Verein. Wurde bei den Entlassungen zu voreilig gehandelt?
Nein. Im Nachhinein sieht man das möglicherweise anders. Aber niemand steht morgens auf und entschließt sich spontan, seinen Trainer zu feuern. Das ist ein Prozess. Es ist das Ergebnis der Eindrücke mehrerer Wochen, des Gefühls nach den Trainingseinheiten und der Reaktion der Spieler. Vielleicht war es bei Pedro Resende ein Fehler, der sich allerdings auch von beiden Seiten so ergeben hat. Er ist als Mensch etwas stur. Wir hatten das Gefühl, es würde keinen anderen Ausweg geben. Das bereue ich – im Nachhinein. Wir kennen seine Qualitäten, es ist uns bewusst, was wir mit seinem Abgang verloren haben. Ich freue mich auch darauf, ihn am Sonntag wiederzusehen.
Was hat sich unter Trainer Helder Dias verändert?
Der neue Trainerstab hat uns die Lust und die Freude am Fußball zurückgebracht. Helder und sein Team haben das ganze Umfeld, von der Jugend bis zur ersten Mannschaft, wieder zusammengebracht. Seine Qualitäten als Trainer darf man nicht vergessen. Aber das Wichtigste war, wieder eine Einheit zu formen. Das haben wir gebraucht und es erklärt auch, warum wir jetzt im Halbfinale stehen.
Es bleiben vier Meisterschaftsspiele mit u.a. dem Derby in Niederkorn und zwei Pokaltermine. Welche Bedeutung hat die Schlussphase der BGL Ligue jetzt noch?
Erst einmal müssen wir mit beiden Füßen auf dem Boden bleiben. Jetzt wird wieder von uns gesprochen. Aber wir haben noch gar nichts erreicht. Wir müssen uns schon wieder auf unser nächstes Duell konzentrieren, am Sonntag wartet die Jeunesse in der Meisterschaft. Für beide Mannschaften steht theoretisch nichts mehr auf dem Spiel, aber wir sind alle siegeshungrig. Niemand geht mit der Einstellung in ein Spiel, dass es sich um ein lockeres Trainingsduell handelt. Wir werden auch nicht mit den Junioren antreten. So etwas gibt es bei uns nicht. Wir müssen die Konzentration hochhalten. Das haben wir uns ja selbst bewiesen, als wir nach dem 8:0 gegen Käerjeng auch Hesperingen besiegt haben.
Was wünschen Sie sich für das Halbfinale?
Ein Heimspiel. Alles andere ist egal. Ich habe mich bereits bei der FLF erkundigt: Sollte uns Mersch zugelost werden, findet das Spiel auswärts statt. Aber es ist völlig egal, ob der Gegner nun Mondorf, Rosport oder Mersch heißt, es wird schwer werden. Unter Druck setzen lassen dürfen wir uns davon aber nicht. Ich hoffe einfach, dass wir zu Hause spielen können. Das heißt nicht, dass wir dadurch automatisch schon im Finale stehen, aber es ist ein Vorteil.
Hat Sie der Ausgang der anderen drei Begegnungen am Mittwoch überrascht?
Ja, schon. Rosport hat sich in Düdelingen durchgesetzt, das ist eine tolle Leistung. Mondorf ist zu Hause immer gefährlich. Mersch, ein Verein, der wohl nächstes Jahr mit uns in der BGL Ligue spielen wird, muss man beglückwünschen. Ihr Traum geht weiter, unserer auch. Wer weiß, vielleicht begegnen wir ihnen dann ein erstes Mal im Pokalfinale.
Was würde ein „europäischer Sommer“ für die Saisonplanung 2023/24 aus Ihrer Sicht bedeuten?
Ehrlich gesagt rechnen wir für unser Budget nicht mit dem Europapokal. Natürlich ist eine Qualifikation eine beachtliche Finanzspritze – und wäre in den aktuellen Krisenzeiten enorm wichtig für uns. Sponsoren fallen weg, haben eigene Existenzsorgen und können nicht zahlen. Es ist nicht einfach. Trotzdem: Unser Budget wird ohne die Einnahmen der „Coupe d’Europe“ berechnet. Wenn wir uns qualifizieren sollten, wäre es ein Plus. Heißt also nicht, dass wir dann zehn neue Spieler verpflichten würden. Wir bleiben den Planungen treu, unabhängig eines möglichen Pokalfinals.
Wie fortgeschritten sind denn die Kaderplanungen?
Es gibt ein paar Spieler, deren Verträge auslaufen. Aber es steht noch zu viel auf dem Spiel, um jetzt schon darüber zu sprechen. Aus Respekt vor dem Trainer und der Mannschaft genießen wir jetzt erst einmal den Moment.
Neues Duo für die Jeunesse
Die Escher Jeunesse präsentierte am Donnerstag ein neues Doppel, das sich in Zukunft mit den Aufgaben der Sportdirektion beschäftigen wird: Nach seinem Abstecher nach Strassen kehrt Petz Biergen zu den Schwarz-Weißen zurück. Gleiches gilt für Alessandro Fiorani. Der Fußballer wird seine eigene Karriere im Sommer beenden (in Mamer) und demnach in eine neue Rolle beim Ex-Klub schlüpfen.
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