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ForumTechnologische Lieferketten statt Moralpredigten

Forum / Technologische Lieferketten statt Moralpredigten
 Foto: XinHua/dpa

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Im besten Teil der Welt, der Europäischen Union, gibt es unzählige Lobbyisten, die den internationalen Handel unterbinden wollen. Sie geben vor, im Namen von Menschenrechten, Umweltschutz, Schutz von Minderheiten und anderen hehren Zielen mehr zu agieren.

Meistens in NGOs (von Regierungen unabhängigen Organisationen) oder Stiftungen organisiert, beanspruchen sie, das moralische Gewissen der Welt sein. Was viele nicht daran hindert, öffentliche Gelder zu nehmen. Und mit kapitalistischen Sponsoren zusammenzuarbeiten.

Unter diesen Organisationen gibt es regelrechte Multinationale. Etwa der World Wildlife Fund, Oxfam, Friends of the Earth oder Greenpeace. Mit manchmal Hunderten, bei WWF oder Oxfam gar Tausenden fest angestellten Aktivisten. Viele haben ihren Hauptsitz in den Niederlanden, weil die Steuergesetzgebung die „Stichtingen“ finanziell begünstigt. Was aber beispielsweise Greenpeace, obwohl selbst auf „Steueroptimierung“ erpicht, nicht davon abhält, Luxemburg wegen einer angeblich zu Kapitalisten-freundlichen Steuerpolitik zu kritisieren.

Manche NGOs leisten eine nützliche Arbeit. Doch gibt es offensichtlich zu viele selbsternannte Retter der Welt, die ihren NGO-Status zur Finanzierung des eigenen Lebensstandards nutzen. Etwa die Initiatoren jener NGO, die nunmehr im Zentrum des Skandals um die Geldzuwendungen an einzelne EP-Parlamentarier steht. Der Sprecher von Transparency International prangerte in höchsten Tönen diese Machenschaften an. Selbst ein ehemaliger EU-Abgeordneter, der sich nach seinem Ausscheiden aus der Politik in der nebulösen „Zivilgesellschaft“ verdingt.

Gegen den internationalen Handel

Zu den Zielen der vielen Hundert in Brüssel vertretenen Lobbyisten, sowie ihrer Relais in den EU-Staaten, gehört das Verhindern von internationalen Handelsabkommen. Es gelang einer Koalition aus NGOs, Gewerkschaftlern und linken Parteien schon mehrfach, solche Abkommen abzuschießen. Etwa das MAI-Abkommen der OECD, das zum Ziel hatte, multilaterale Regeln für den Schutz von Auslandsinvestitionen zu schaffen.

Nachdem der Versuch gescheitert war, internationale Regeln für die Lösung von wirtschaftlichen Konflikten zu finden, kam es zu einer Explosion von bilateralen Schutzabkommen. Mehrere Hundert an der Zahl. Vor kurzem billigte die Chamber noch ein solches Abkommen zwischen Vietnam und Luxemburg. Verloren hat bloß der Multilateralismus.

Das anvisierte Abkommen zwischen den zwei wichtigsten Handelsblöcken um den Atlantik, die USA und die EU, scheiterte krachend am Widerstand der Anti-TTIP-Phalanx. Unter Mithilfe des famosen „Internationalisten“ Donald Trump. Ein Abkommen mit Kanada, laut dem damaligen Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker „eine bekannte Diktatur“, kam nur mit Hängen und Würgen durch.

Unter dem Vorwand von Ethik und Menschenrechten soll nun das „Lieferketten-Gesetz“ den globalen Handelsaustausch erschweren. Europa-Parlament und Kommission sind begeistert. International tätige Firmen sollen ab 500 Mitarbeitern, in manchen Fällen gar ab 250 Mitarbeitern, verpflichtet werden, ihre Lieferketten permanent zu überprüfen, um sicherzustellen, dass kein Handelspartner, kein Zulieferer gegen Menschenrechte, Sozialrechte oder Umweltauflagen verstößt. Klingt gut – wird aber in der Praxis zu unüberwindbaren Schwierigkeiten oder aber Tricksereien führen.

Gegen die Dritte Welt

Die meisten Länder im Rest der Welt sind nicht aufgestellt wie die Demokratien der EU. Besonders in weniger entwickelten Ländern gibt es ein nur dürftiges reglementarisches Umfeld. Unabhängige Gerichtsbarkeiten, die wichtigste Voraussetzung für das Einhalten von ethischen, arbeitsrechtlichen und umweltpolitischen Normen, bleiben in weiten Teilen der Welt ein Wunschtraum.

Zwar haben alle 193 Mitgliedstaaten der UNO die Charta der Menschenrechte unterzeichnet. Doch für viele bleibt das erste Menschenrecht eine ausreichende Ernährung. Die Europäer werden nicht müde, dem Rest der Welt moralisierende Vorhaltungen zu machen über die Rechte von Minoritäten, von Gays, Lesben und Transsexuellen. Oder Abstinenz bei der Nutzung karbonhaltiger Energieträger zu predigen. Von vielen Staaten mit zunehmenden Irritationen aufgenommen.

Dass die Volksrepublik China zum ersten Handelspartner von über 130 Staaten aufrückte, dass der Anteil der USA und der EU am globalen Handelsaustausch rückläufig ist, hat viel mit der moralinhaltigen Bevormundung der Europäer und der Amerikaner zu tun. Wobei den USA – „Tue was ich sage, nicht was ich tue!“ – die größte Doppelzüngigkeit vorgeworfen wird. China mischt sich prinzipiell nicht in die „inneren Angelegenheiten“ eines Staates ein, hat keine Religion, nicht einmal eine Ideologie zu exportieren, will bloß Handel treiben. Selbstverständlich im eigenen Interesse. Glaubt jemand, die Amerikaner und Europäer würden völlig „desinteressiert“ handeln?

Die indische Wirtschafts-Professorin Jayati Gosh (Tageblatt vom 20.3.23) meint, der Westen biete mit seiner „hochtrabenden Rhetorik über die Notwendigkeit der internationalen Zusammenarbeit im Kampf gegen den Klimawandel lediglich ein Feigenblatt für eine zynische und eigennützige Politik“. Deren wahres Gesicht zeige sich in protektionistischen Maßnahmen, wie den Handelsembargos der USA oder dem von der EU beschlossenen „Carbon Border Adjustment“-Mechanismus. Bei Einfuhren aus Drittländern wird der Karbon-Inhalt aller Güter taxiert.

Auch das „Lieferketten-Gesetz“ wird eine protektionistische Barriere. Weder können die europäischen Firmen garantieren, dass alle Zulieferer aus Entwicklungsländern die hehren Prinzipien der europäischen Gutmenschen einhalten, noch sind im Rest der Welt viele Firmen in der Lage, europäische Standards in Sachen Energie, Umwelt und Klima einzuhalten. Ihnen fehlen das Knowhow und die Subsidien, mittels deren die USA und die EU ihre grünen „New Deals“ durchziehen wollen.

Die Europäer beschweren sich über die „protektionistischen Züge“ der amerikanischen Klimagesetzgebung, die wesentliche technologische Investitionen in die USA abzuziehen wird. Was sollen die Staaten der Dritten Welt zu den Milliarden Subsidien sagen, die amerikanische und europäische „Vorreiter“ sich gönnen?

Der seit dem Klimagipfel 2009 in Kopenhagen versprochene Klima-Hilfsfonds, über den die ärmeren Staaten ihre energetische Transition und ihre technologische Anpassung finanzieren sollten, kam noch immer nicht zustande.

Gegen Europas Industrie

Die EU will eine Vorreiter-Rolle in der Klimapolitik spielen. Doch anstatt einer realistischen Energiepolitik, die noch für lange Jahre nicht auf „grüner“ Wasserstoffbasis funktionieren kann, ganz zu schweigen von der Illusion einer Stillung der benötigten Primärenergie allein durch erneuerbare Energien, multiplizieren die Staaten der Union die industriepolitischen Hürden. Allein die Kosten für Energie sind in der EU viermal höher als in den USA.

Der europäische Markt leidet unter Verbotsorgien, an Überreglementierung, zu langen Prozeduren, an Berührungsängsten von immer mehr Mitbürgern mit allen industriellen Prozessen. Dazu kommt noch die vielleicht gutgemeinte, aber völlig illusorische Initiative wie das Lieferketten-Gesetz, mit dem die Europäer den Rest der Welt nicht moralisieren werden.

René Winkin, Direktor der Fedil, dennoch kein Kettenhund des Kapitalismus, redete in einem Wort-Interview Klartext. Menschen- und Arbeitsrechte seien zu schützen. Doch könne man die Verantwortung dafür nicht gänzlich auf die Betriebe abwälzen. Man könne nicht von Europa aus „bis zur dritten oder vierten Ebene von Zulieferern überprüfen, ob die Standards alle eingehalten werden. Diese Anforderungen bedeuten für viele Projekte in Indien oder Brasilien, dass europäische Partner von vornherein ausgeschlossen sind, weil für die Unternehmen vor Ort der Aufwand, sich an europäische Standards zu halten, zu groß ist.“

Europas Anteil an den Klimagas-Emissionen hat sich seit der Jahrhundertwende mehr als halbiert. Von 15 auf 7 Prozent. Dennoch steigen die globalen Emissionen weiter an. Selbst wenn es der EU gelingen sollte, ihre Emissionen bis 2030 erneut zu halbieren, sind die Pariser Klima-Ziele nicht zu halten. Es sei denn, die Europäer und Amerikaner liefern dem Rest der Welt ihre besten Technologien statt ihre Moralpredigten.

Robert Goebbels ist ehemaliger LSAP-Minister und Europaabgeordneter
Robert Goebbels ist ehemaliger LSAP-Minister und Europaabgeordneter Foto: Editpress/Didier Sylvestre
FW
22. April 2023 - 8.16

Dieser ausgerechnete Artikel trifft den Nagel auf den Kopf. Europa wird an seiner Naivität zu Grunde gehen.

JJ
20. April 2023 - 21.16

Europa alleine wird das Klima nicht retten. Was bringt es wenn Deutschland grün ist und Klima neutral und der Strom kommt morgen aus polnischen Kohlewerken? So wie Windrad-Turmes seine Bilanzen durch Einkauf in Dänemark aufmotzt. Die Grünen sägen an ihrem Ast.