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ForumGesellschaftliche Teilhabe und Information

Forum / Gesellschaftliche Teilhabe und Information
Die Autoren schlagen u.a. vor, eine wöchentliche Nachrichtenfernsehsendung mit den aktuellen Informationen in einfacher Sprache und in Gebärdensprache ins Leben zu rufen Foto: Editpress/Julien Garroy

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Damit alle Menschen am gesellschaftlichen Leben teilnehmen und auf politischer Ebene mitentscheiden können, müssen sie Zugang zu Informationen haben. Die Autoren dieses Forumbeitrags erklären, warum es in Luxemburg viel Nachholbedarf gibt. Sie geben auch Anreize dafür, wie die Medien ein Informationsangebot für Menschen schaffen können, die bislang ausgeschlossen wurden.

Dass es in Luxemburg ein Demokratiedefizit gibt, wird kaum noch bestritten. Rund die Hälfte der Bewohnerlnnen des Landes haben bei den Parlamentswahlen im kommenden Oktober kein Wahlrecht. Sie dürfen auf dieser höchsten Ebene der politischen Partizipation nicht aktiv mitentscheiden. Die Bemühungen, ausländische Mitbürgerlnnen zu einer Teilnahme an den Gemeindewahlen im Juni zu bewegen, zeigt, dass dieses Problem allgemein bekannt ist.

Doch man sollte Demokratie nicht auf Wahlen beschränken! Unabhängig von der Mitgestaltung über den Weg der Wahlen sind zum Beispiel die Anstrengungen positiv zu werten, Informationen in mehreren Sprachen anzubieten. Positiv auch die vor Kurzem von der Abgeordnetenkammer verabschiedete Motion über die „Participation citoyenne“. Wobei wir beim Stichwort Partizipation waren. Voraussetzung für Partizipation ist der Zugang zu Informationen, aufgrund derer ich mir eine Meinung bilden kann. Auf Basis dieser kann ich mein Recht auf Mitsprache und im Idealfall mein Recht auf Mitentscheidung ausüben. Für adäquates Handeln ist Information unverzichtbar.

Fehlen mir Informationen, wird meine Meinung, wird mein Handeln durch meine Gefühle beziehungsweise durch meine Vorurteile bestimmt. Oder aber ich bin mir dessen bewusst und ziehe mich weitgehend aus dem gesellschaftlichen und politischen Leben zurück. Beides entspricht nicht dem partizipativen Anspruch einer demokratischen Gesellschaft. Beides entspricht nicht den Erfordernissen einer Gesellschaft in Transition, in der es unerlässlich ist, dass alle Mitglieder ein Verständnis der Problematiken entwickeln und an der Diskussion um die besten Lösungen teilhaben können. Ist das nicht möglich, werden Teile der Gesellschaft
marginalisiert und entmündigt. So kann eine Transition schwer gelingen.

In unserem Land hat im Prinzip jeder Zugang zur Presse, zu Radio, zu Fernsehen und zum Internet. Man könnte also meinen, Informationen seien jedem zugänglich. Es stellt sich jedoch die Frage, ob sie auch für jeden verständlich sind.

Ungekochte Kartoffeln

Mit unverständlichen Informationen verhält es sich wie mit ungekochten Kartoffeln. Ungekochte Kartoffeln sind zwar Nahrungsmittel, aber sie können keinen Hunger stillen. Eine Information, die unverständlich bleibt, informiert nicht.

Bei der Verständlichkeit der Informationen geht es nicht nur um die Frage, ob ich die jeweilige Sprache beherrsche. Es geht zum Beispiel auch darum, ob ich über das nötige Vorwissen verfüge, um die Information verstehen, bewerten und einordnen zu können. Ist das nicht der Fall, helfen die Informationen mir nicht weiter. Es geht also darum, ob die Informationen so aufbereitet wurden, dass sie für möglichst viele Menschen verständlich sind.

Verheddere ich mich im Auseinanderdröseln der Schachtelsätze? Kenne ich die Fremdwörter und Abkürzungen? Kenne ich die Kompetenzen der genannten Institutionen? Sind mir die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Implikationen von Entscheidungen klar? Überfordert mich der Redefluss, die Sprechgeschwindigkeit, die ungenaue Artikulation? Habe ich Schwierigkeiten, den Zusammenhang zwischen Ton und Bild in Fernsehnachrichten zu erkennen, oder werde ich durch das Bild abgelenkt?

Das Problem, dass durch Medien vermittelte Informationen aus dem gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Bereich oft schwer verständlich beziehungsweise unverständlich sind, betrifft viele Menschen. Betroffen sind oft Menschen, die nicht das Privileg einer höheren Schulbildung genießen konnten. Ebenso Menschen, welche aufgrund ihrer beruflichen oder privaten Belastungen nicht die Möglichkeit haben, sich vertieft mit bestimmten Bereichen auseinanderzusetzen. Und betroffen sind Menschen, welche mit Lernschwierigkeiten zu kämpfen haben oder kognitiv beeinträchtigt sind.

Das Recht auf Information und die Realität

Sie alle haben ein Anrecht darauf, informiert zu werden. Sie alle haben ein Anrecht darauf, an der Gesellschaft partizipieren zu können. Und: Es liegt im Interesse der Gesellschaft, dass alle teilhaben können.

Inklusion braucht Informationszugang und -verständlichkeit! Von daher wäre es sinnvoll, wenn Qualitätsmedien sich dieses Problems annehmen und ein Informationsangebot für diese Menschen schaffen würden. Hierzu sollte die Politik Initiativen ergreifen und Anreize schaffen.

In einer ersten Phase könnte man sich ein Vorgehen auf drei Ebenen vorstellen: eine wöchentliche Nachrichtenfernsehsendung mit den aktuellen Informationen in einfacher Sprache und in Gebärdensprache, eine Internetseite in leichter Sprache sowie entsprechend aufbereitete Informationen in den gängigen sozialen Medien.

Die Fernsehsendung soll in einfacher Sprache gestaltet sein. Das heißt, die Wortwahl orientiert sich an der Alltagssprache, Fremd- und Fachwörter werden umgangen oder erklärt. Passivkonstruktionen, Konjunktiv, Schachtelsätze usw. werden vermieden. Auf die Sprechgeschwindigkeit und Artikulation wird geachtet, die Bild-Ton-Kohärenz muss eindeutig sein.

Auf der Internetseite sind die Sendungen der vergangenen Wochen abrufbar. Sie werden durch erklärende Texte in leichter Sprache ergänzt, welche man sich auch vorlesen lassen kann. Die leichte Sprache achtet noch wesentlich stärker auf Verständlichkeit als die einfache Sprache. Zum Beispiel werden negative und bildliche Sprache vermieden. Im geschriebenen Text wird auf lange Wörter verzichtet, die Schrift ist gut erkennbar, jeder Satz beginnt in einer neuen Zeile, die Darstellung von Zahlen, Datumsangaben und Uhrzeiten wird möglichst verständlich gehalten.

Die Sendungen und zusätzlichen Erklärungen werden entsprechend und ansprechend aufbereitet in den üblichen sozialen Medien angeboten. Dank dieser drei Ebenen kann jeder die Informationen in der für ihn zugänglichen und verständlichen Weise erhalten. Der damit erweiterte Informationszugang würde einer großen Anzahl von Menschen die Möglichkeit bieten, sich (besser) zu informieren und somit stärker am gesellschaftlichen und politischen Leben teilzuhaben.

Dabei darf nicht vergessen werden, dass dieses Informationsangebot eine journalistische Herausforderung auf höchstem Niveau darstellt. Komplexe Ereignisse darbringen, Nachrichten in ihren Kontext setzen und (mögliche) Zusammenhänge erläutern, unterschiedliche Sichtweisen verständlich machen und dabei allgemeinverständlich bleiben und gleichzeitig Simplifizierungen, Verharmlosungen und Verfälschungen vermeiden, verlangt ein beachtliches Know-how. Nicht zu vergessen, dass das Informationsangebot
gleichzeitig ansprechend sein muss.

Die Herausforderung ist enorm — von einem demokratischen Standpunkt gesehen führt jedoch kein Weg daran vorbei, diese Herausforderung entschlossen anzugehen.


Die Autoren gehören der Vereinigung „Inklusiv-Wunnen asbl.“ an.