Tageblatt: Am Sonntag riss eine europäische Serie. Hesperingen war der letzte ungeschlagene Erstligist des Kontinents. Was fehlte in Petingen?
Ken Corral: Gute Frage. Ich bin noch immer der Meinung, dass wir die Anfangsphase verpennt haben. Wenn man nach 20 Minuten bereits mit zwei Toren in Rückstand liegt, ist es, unabhängig vom Gegner, schwer, wieder ins Spiel zu kommen. Umso mehr, wenn es sich um eine Mannschaft wie Petingen handelt, die ganz attraktiven Offensivfußball zeigen kann. Zusätzlich haben wir in der letzten halben Stunde in Überzahl nicht genug aus unseren Möglichkeiten gemacht. Wie sagt man so schön: Wenn man kein Glück hat, kommt noch Pech dazu. So ist Fußball. Es war vielleicht zu schön. Irgendwann musste die Niederlage kommen.
Kommt man als Leader generell besser über Niederlagen hinweg?
Ich habe ja im Laufe meiner Karriere schon ein paar Niederlagen hinnehmen müssen, aber die vom Sonntag war mit Abstand die schmerzhafteste. Ich weiß nicht, ob es daran lag, dass wir uns zu sehr ans Siegen gewöhnt haben. Jedenfalls hat es ganz schön wehgetan. Wahrscheinlich hat es auch damit zu tun, dass wir uns bewusst geworden sind, dass der Abstand wieder flöten gegangen ist. Es herrschte eine bedrückte Stimmung bei uns allen. Es war eine Niederlage, die nicht einfach zu verkraften war. Das ist aber kein Grund, die Köpfe in den Sand zu stecken. Wir wissen, worauf es ankommt und haben den Fokus bereits auf das Spiel am Sonntag gerichtet.
Wie komfortabel schätzen Sie Ihre Lage vor dem 20. Spieltag ein, wohlwissend, dass Petingen diesmal dem F91 Probleme bereiten will?
Wir sind weiterhin Tabellenerster und haben es selbst in der Hand. Wir treffen noch auf Düdelingen, Niederkorn …Von einer dramatischen Situation kann man nicht sprechen. Allerdings ist es natürlich besser, einen größeren Vorsprung zu haben. Wir können nicht behaupten, dass wir nicht das Glück zuvor auf unserer Seite gehabt zu haben. Letztes Wochenende hat es nicht geklappt, aber wir dürfen uns uns nicht beschweren. Es hätten auch Spiele in die andere Richtung kippen können, wie etwa vor drei Wochen gegen Racing (3:1).
Ich kann mich nur beim Trainer bedanken. Wäre er nicht gewesen, würde es mir noch immer so gehen wie im vergangenen Jahr und ich würde mit den Damen, den Junioren oder alleine trainieren.
Sie erleben derzeit die beste Saison mit Hesperingen. Wie und warum hat sich Ihr Status geändert?
Ich kann mich nur beim Trainer bedanken. Wäre er nicht gewesen, würde es mir noch immer so gehen wie im vergangenen Jahr und ich würde mit den Damen, den Junioren oder alleine trainieren. Als er ankam, hat er gleich den Dialog gesucht und sich nach meiner Situation erkundigt. Er hat mir klargemacht, dass er auf mich zählen würde. Für mich ist es eine Saison mit Höhen und Tiefen. Es gab Spiele, bei denen ich in der Startelf stand und wiederum welche, bei denen ich nur kurz eingewechselt wurde oder es nicht einmal auf den Spielerbogen geschafft habe.
Was hatte Sie schlussendlich dazu bewegt, in Hesperingen zu bleiben, obschon Ihre Lage eigentlich nicht sehr rosig war?
Der erste Reflex, wenn es um Hesperingen geht, ist ja meist, zu behaupten, es wäre des Geldes wegen. Dazu kann ich nur sagen: Ich habe viel zu lange studiert, um sagen zu müssen, dass es mir beim Fußball nur darum gehen würde. Ich sehe es als Charakterfrage. Ich habe einen Dreijahresvertrag unterschrieben und erfülle meine Pflichten dann auch. Auf beiden Seiten gibt es vertragliche Verpflichtungen, an die man sich halten muss. Das war meine Motivation. Zudem wusste ich ganz genau, dass es sich bei Hesperingen um einen Verein handelt, der die nationale Meisterschaft in den nächsten Jahren prägen wird. Es wäre feige gewesen, bei der ersten Hürde zu gehen und möglicherweise zu etwas zurückzugehen, das ich kannte – obwohl es schon eine größere Hürde war … Und im Endeffekt war es die richtige Entscheidung.
Was sagt das über den Konkurrenzkampf aus? Wie gesund ist dieser beim Swift?
Wer beim Swift unterschreibt, ist sich bewusst, wo er die Füße hinsetzt. Auf jeder Position gibt es zwei Konkurrenten, die mindestens das gleiche Niveau haben. So lange die Konkurrenz gesund ist, treibt sie das Team nach vorne. Wenn es allerdings anfängt, politisch zu werden, wie es bereits in anderen Vereinen der Fall war, wird es lächerlich. Es ist ein Traum für jeden, mit den Besten auf dem Platz zu stehen und ein Teil davon zu sein. Es ist ein klarer Reiz und jeder sollte sich glücklich schätzen, in diesem Team zu sein.
Wie bekommt man bei einem Meisterkandidaten Beruf und Sport unter einen Hut?
Seit ich ins Außenministerium gewechselt bin und feste Arbeitszeiten habe, hat sich das eingependelt. Vorher, als Anwalt, war es kompliziert. Eigentlich handelte es sich um zwei Berufe, die nicht kompatibel miteinander waren. Als ich vor fünf Jahren meine Arbeit als Anwalt begonnen habe, war es zu früh, um die Sportlerkarriere an den Nagel zu hängen. Immerhin ist es ein wichtiger Bestandteil meines Lebens. Es wäre unfair gegenüber dem Fußball gewesen, einfach aufzugeben. Es kaum auch nie infrage. Deshalb bin ich glücklich, eine andere Lösung beim Staat gefunden zu haben.
Die außersportliche Situation erinnert absolut nicht mehr an die ersten beiden Saisons, als es Diskussionen über nicht ausgezahlte Löhne in der Presse gab
Ihr Vertrag läuft am Saisonende aus. Gab es bereits Gespräche, die hindeuteten, in welche Richtung es gehen soll?
Es wurde vertraglich eine Option auf eine weitere Saison festgehalten. Es sah auch alles danach aus, als würde die Option gezogen werden. Allerdings hat sich die Lage jetzt etwas verschoben, denn Sportdirektor Henri Bossi ist bekanntlich seit Montag nicht mehr bei uns, sondern in Hostert. Es gab einen kleinen Wirbel um den Posten und ich muss abwarten, wie es weitergeht. Immerhin kann man das ja nicht nur mit dem Trainer und Flavio Becca ausdiskutieren. Ich muss also noch etwas abwarten, gehe aber stark davon aus, dass ich in der nächsten Saison noch in Hesperingen bin. Ich hoffe es jedenfalls. Ich fühle mich wohl hier. Die außersportliche Situation erinnert absolut nicht mehr an die ersten beiden Saisons, als es Diskussionen über nicht ausgezahlte Löhne in der Presse gab. Es ist ein Unterschied von Tag und Nacht – und möglicherweise auch ein Grund dafür, dass es gerade so gut läuft. Wir können uns derzeit über rein gar nichts beklagen. Alles funktioniert genau so, wie das in einem Fußballverein der Fall sein sollte.
Am Wochenende dürfen Sie sich im Duell der Extreme gegen den Tabellenletzten Etzella keinen Patzer erlauben.
Wir können definitiv festhalten, dass das nicht nur für das nächste Spiel der Fall sein wird, da wir unseren Joker verbraten haben. Das Ziel ist klar: Wir müssen ab jetzt alle Begegnungen gewinnen. Gegen Ettelbrück erwartet uns ein sehr defensiv eingestellter Gegner. Zu Beginn wird es schwer werden, Löcher zu finden. Wir müssen versuchen, früh die Lücke zu finden. Je länger es dauert, umso größer wird der Druck.
Inwiefern ist das Duell gegen Düdelingen (am 16. April) bereits in den Köpfen?
Es ist noch viel zu früh, um daran zu denken. Wir schauen von Spiel zu Spiel. Wenn wir einen Fehler begehen, würde Düdelingen wohl wieder vorbeiziehen. Hinzu kommt, dass es noch diesen Protest seitens des F91 gibt. Es geht immerhin um drei Punkte. Das würde uns hart treffen. Diese Situation ist relativ unangenehm. Düdelingen bleibt im Hinterkopf. Wir brennen alle auf das Spiel – aber das bedeutet nicht, dass wir nicht auf alle Spiele vorher brennen. Wenn wir vorher Punkte liegenlassen, kann es sein, dass die Begegnung ihren jetzigen Wert verliert.
Letzte Frage: Wie sehr fiebern Sie der Möglichkeit entgegen, nach dem Covid-Titel mit der Fola endlich offiziell eine Meisterschale in den Händen zu halten?
Dieser Wunsch ist enorm – wirklich enorm – groß. Niemand kann sich vorstellen, wie enttäuscht wir damals bei der Fola waren, als die Saison abgebrochen und nicht gewertet worden war. Es gibt ein paar Spieler im Team, die noch nie Meister wurden. Wir sagen uns jeden Tag: Wenn nicht jetzt, dann wahrscheinlich nie. Zudem sind wir nicht mehr die Allerjüngsten … Es wäre also toll, wenigstens einmal im Leben diesen Titel zu holen.
Steckbrief
Ken Corral
Geboren am 8. Mai 1992
Nationalität: Luxemburger (5 Länderspiele)
Position: Rechtsaußen
Bisherige Vereine: Käerjeng, Jeunesse Esch, Fola Esch, Hesperingen
BGL-Ligue-Statistiken: 12 Spiele, 5 Tore (aktuelle Saison), 214 Spiele, 56 Tore (gesamt)
BGL-Ligue-Debüt: am 20. Februar 2011
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