Irgendwann steht jeder Mensch im Leben vor schweren Entscheidungen. Abhilfe können Familie, Freunde oder aber auch bekannte Größen schaffen. So schrieb die britische Schriftstellerin Joanne K. Rowling: „Viel mehr als unsere Fähigkeiten sind es unsere Entscheidungen, die zeigen, wer wir wirklich sind.“ Auf diesem Weg befand sich auch Ivan Centrone im vergangenen Winter. „Die Fragen, die ich mir gestellt haben, lauteten: Ist es notwendig, weiterzufahren, oder soll ich es nicht einfach sein lassen? Soll ich meinen Traum aufgeben und ein neues Leben starten? Für mich war es eine sehr schwierige Entscheidung. Das Profitum ist ein Projekt, an dem ich lange gearbeitet habe.“
Für Centrone war es vor allem sein Bruder Vincenzo, der ihm bei seinen Entscheidungen half. „Ich habe die richtigen Leute um mich herum. Ohne meinen Bruder wäre ich nicht da, wo ich bin. Er gibt mir die Freiheiten, mich richtig zu entscheiden, und hat mir immer gute Ratschläge gegeben.“ Auch sein Team Materiel-Velo.com, für das er seit 2022 in der 3. Liga fährt, unterstützte ihn. „Wir haben eine Vereinbarung getroffen, die gut für mich und das Team war. Das hat mir meine Entscheidung vereinfacht.“ Eine Saison gibt sich Centrone nun noch Zeit, sein Ziel zu erreichen – wenn es dann nicht mit dem Profitum funktioniert, soll Schluss sein. „Ich arbeite sehr hart und werde dafür nicht immer belohnt. So ist aber das Leben. Es kann sehr frustrierend sein. Damit umzugehen, ist nicht einfach. Aber das ist wohl das, was einen Sportler von einem anderen Menschen unterscheidet. Meine Motivation, zu gewinnen, ist stärker als alles andere.“
Erster UCI-Sieg
Dabei kommt Centrone von weit her: 2021 stürzte er bei der Etoile de Besseges schwer, ließ sich Ende des Jahres wegen einer Endofibrose unterziehen und bekam keinen Vertrag bei Xelliss – Roubaix Lille Métropole mehr angeboten. „Das war ein Jahr, in dem gar nichts ging. Ich habe bei einem kleinen Team (Materiel-Velo.com) dann 2022 von null gestartet. Es war eine richtig gute Saison.“ Bei der Tour de la Guadeloupe (2.2) gewann er im August sein erstes Profi-Rennen und beendete die Rundfahrt auf Platz 6 der Gesamtwertung – dadurch machte er bei anderen Teams auf sich aufmerksam. „Ich hatte Kontakt zu zwei ProTeams. Die Plätze wurden mir allerdings von zwei WorldTour-Fahrern genommen. Das war Pech – dadurch geriet ich in ein Loch.“
Eines dieser ProTeams beobachtet Centrone aber in dieser Saison weiterhin intensiv. „Sie haben gesagt, dass ich ein Platz als ‚stagiaire’ Ende des Jahres bekommen könnte – wenn ich die Leistungen vom letzten Jahr bestätigen könnte. Wenn die erste Saisonhälfte richtig gut ist, könnte ich vielleicht schon in der Saison unterschreiben. Ich möchte bis zum Ende daran glauben.“ Was Centrone optimistisch stimmt, ist vor allem seine Entwicklung, die weiterhin positiv ist. „Im letzten Jahr habe ich nicht nur Resultate eingefahren, sondern auch meine Watt-Rekorde gebrochen. Das ist motivierend. Ich kann gewinnen, ich kann Resultate machen und entwickele mich.“
Tageblatt Flèche du Sud als Highlight
Im vergangenen Winter hat Centrone jedoch ein wenig rausgenommen. Durch Probleme an der Hüfte hat er in der Vorbereitung Zeit verloren, doch die Schwierigkeiten bekomme er langsam in den Griff. Während sein Team am Mittwoch bei Le Samyn in die Saison gestartet ist, greift Centrone am Samstag beim Le Tour des 100 Communes (1.2) die Saison an. „Wir haben in diesem Jahr mehr Rennen, dadurch habe ich weniger Lächer im Kalender. Die Tageblatt Flèche du Sud ist ganz klar eines der Highlights auf meinem Kaledner. Ich bin dort schon zwei Mal gestartet und kenne die Strecke, da ich dort oft trainieren. Es ist ein Rennen, das schon immer eine wichtige Rolle im luxemburgischen Kalender gespielt hat. Arthur Kluckers hat dort letztes Jahr gewonnen – das sind besondere Emotionen und ist mein erstes großes Ziel.“ Und wer weiß, am Ende kann die Tageblatt Flèche du Sud, wie für Kluckers auch, das Sprungbrett zu einem ProTeam sein.
Um zurück zu Joanne K. Rowling zu kommen: Centrones Entscheidung für den Radsport zeigt seine Leidenschaft. Ein Sportler, der trotz vieler Rückschläge weiter an sich glaubt – und allein dafür Respekt verdient. Egal, wie es am Ende ausgeht.
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