Worum geht es? Der nationale Fußball hat seinen ersten außersportlichen Aufreger des Jahres. Ungewollt im Zentrum der ganzen Aufregung: Progrès-Trainer Jeff Strasser. Der Coach der Gelb-Schwarzen hatte am 4. Dezember des vergangenen Jahres seine fünfte Gelbe gesehen – und wäre damit eigentlich für einen Spieltag gesperrt gewesen. Das Verbandsgericht tagte wie üblich eine Woche später (8. Dezember), weshalb die Sperre rein theoretisch zum Auftakt der Rückrunde fällig gewesen wäre.
Nun ist es, „aufgrund einer Grauzone“, wie F91-Präsident Gerry Schintgen die Situation beschrieb, aufgrund der Auslegung der FLF-Statuten möglich, dass Trainer ihre Sperren bei den Reserven und Jugendkategorien absitzen. Da Niederkorn am 17. Dezember im Achtelfinale der Coupe du Prince auf Düdelingen traf, hat sich der Progrès im Vorfeld beim Verband informiert – und versichern lassen, dass Strasser aufgrund dieser Option zum Rückrundenstart im Februar wieder auf der Bank des Europapokal-Kandidaten sitzen dürfte. Auf dem Platz waren die Gelb-Schwarzen den Hausherren an diesen Tagen in allen Belangen überlegen und gewannen das Duell 4:1.
Warum die Aufregung? Aus dem Artikel 63 der Statuten geht nicht klar hervor, ob sich die Regelungen einzig auf Direktsperren – sprich Platzverweise (Rot und Gelb-Rot) – beziehen. Bei der Causa Jeff Strasser handelte es sich um eine Anhäufung von Gelben Karten. Hier die Auszüge aus den Statuten (Art. 62.): „Ein lizenziertes Vereinsmitglied ist nach einem Platzverweis in der Meisterschaft oder im Pokal aufgrund einer Roten oder Gelb-Roten Karte automatisch und ohne Benachrichtigung für den nächsten Spieltag gesperrt“ – und (Art. 63): „Die sportlichen Strafen beziehen sich auf alle offizielle Begegnungen (Meisterschaft oder Pokal), mit Ausnahme des Europapokals. (…) Bei der Zählung der Anzahl der Spiele werden die offiziellen Termine berücksichtigt, die von den Mannschaften gespielt wurden, für die das lizenzierte Mitglied spielberechtigt ist.“
Es bleibt, je nach Auslegung des Textes, Interpretationsspielraum übrig. Zudem stellt sich den Betroffenen die Frage, ob es kompatibel ist, eine BGL-Ligue-Sperre in einem Pokalspiel abzusitzen. Immerhin handelt es sich um unterschiedliche Karten-Konten. „Wenn man im Pokal zwei Gelbe Karten bekommt, kann man diese auch nur im gleichen Wettbewerb absitzen“, fügte Gerry Schintgen erklärend hinzu. Der Präsident der Düdelinger hat noch nicht entschieden, ob sein Verein weitere Schritte gehen will. Einen Monat haben die F91-Verantwortlichen Zeit.
Welche Optionen hat der F91? Legt der amtierende Meister Protest ein, müssen sich die FLF-Juristen des Verbandsgerichts mit dem Sachverhalt beschäftigen. Einen ähnlichen Fall gab es Anfang der 2000er schon einmal in der F91-Geschichte – allerdings umgekehrt. Bei der Kontrolle der Spielerbögen war im Nachhinein aufgefallen, dass Düdelingen in mehreren Spielen einen nicht-berechtigten Akteur eingesetzt hatte. Der Klub wurde am grünen Tisch aus dem Pokalwettbewerb eliminiert und in der Meisterschaft wurden zehn Punkte abgezogen. „Es sind alles nur Hypothesen“, sagte Schintgen. Doch sportlich steht eine ganze Menge auf dem Spiel: Der Verein würde bei einem Forfait-Sieg wieder an die Tabellenspitze gehievt werden – und es hätte logischerweise auch Konsequenzen für die direkten Niederkorner Konkurrenten. „Es geht mir nicht um Düdelingen, sondern um die Fakten. Wir wären alle froh darüber, wenn die Statuten klar – also schwarz und weiß – definiert wären. So aber sind sie teils sehr grau. Das große Ziel am Ende wäre, dass der Verband seine Reglemente anpasst. Diese Diskussionen würde es in Zukunft dann nicht mehr geben.“
Was würde ein Protest bringen? Der F91 wird sich in den nächsten Tagen noch von Juristen beraten lassen, um abzuwägen, ob ein Protest überhaupt sinnvoll wäre. „Wir wollen mit niemandem streiten“, formulierte es Schintgen. „Wenn wir einen Protest einlegen, dann machen wir das, um einen Stein ins Rollen zu bringen. Auch das könnte ein Beweggrund sein, damit die Probleme endlich angepackt werden.“ Denn, und so bringt es der Präsident auf den Punkt, „wenn man die Sache auf die Spitze treibt, könnte der Trainer seine Sperre auch sonntags bei den Bambini absitzen.“ Dass Schlupflöcher der Statuten schon jahrelang ausgenutzt werden, steht außer Frage. Bei den Spielern beispielsweise werden die Sperren zwar nicht in den Kinderkategorien abgesessen, doch es werden beispielsweise Länderspielpausen genutzt – und Termine bei den Reserven.
Das sagt der Progrès Niederkorn: Auf die aktuelle Diskussion angesprochen, ließ sich Progrès-Präsident Thomas Gilgemann nicht aus der Ruhe bringen. Der Klub habe in der Winterpause alle nötigen Informationen beim Verband eingeholt. „Warum hätten wir ein Risiko eingehen sollen? Wir haben die Statuten gelesen und nachgefragt.“ So kam es, dass Spieler Mayron de Almeida aufgrund seiner fünften Gelben auf der Bank saß, Jeff Strasser als Trainer laut FLF-Aussagen aber einsatzberechtigt war. „Und es war auch nicht Jeff Strasser, der unsere Tore geschossen hat …“
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