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ForumNoch viel Wahlkrampf bis zum 8. Oktober

Forum / Noch viel Wahlkrampf bis zum 8. Oktober
 Symbolbild: Editpress-Archiv

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Hätten die Bürger am 7. Juni 2015 beim dreifachen Referendum mit „Ja“ statt mit „Nein“ gestimmt, dann hätten nunmehr nicht nur Jugendliche ab 16 Jahren das Wahlrecht. Ebenfalls die seit langen Jahren in Luxemburg lebenden und arbeitenden ausländischen Mitbürger.

Auch wären die am 8. Oktober 2023 anstehenden Chamber-Wahlen viel offener. Weil eine Reihe altgediente Minister nach zehn Jahren Amtszeit nicht mehr antreten dürften. Allen voran Premierminister Xavier Bettel! Der Vorzeigeheld der DP verdankt es somit den bürgerlichen Querulanten, welche die damaligen Ausflüge in die direkte Demokratie mit störrischer Ablehnung vereitelten, dass er sich erneut Hoffnung auf den Vorsitz in der nächsten Regierung machen kann.

Der Ausgang der kommenden Parlamentswahl bleibt zwar höchst ungewiss. Dennoch hat der Amtsinhaber eine sehr hohe Chance, sich selbst zu folgen. Die letzte Meinungsumfrage sah zwar die LSAP mit 13 Sitzen vor der DP mit 12 Sitzen, und die schwächelnden Grünen bei bloß 8 Sitzen. Doch ginge mit einem solchen Resultat die Dreierkoalition mit 33 anstatt zurzeit 31 Sitzen gestärkt aus dem Urnengang hervor.

Zumal die gleiche Umfrage der noch immer stärksten Partei im Parlament, der CSV, bloß 15 Sitze zubilligt. Was immerhin einen erneuten Verlust von 6 Sitzen bedeuten würde. Nicht gerade ein massiver Wählerauftrag für eine Rückkehr an die Regierung der früher so dominierenden Rechtspartei.

Nun, Meinungsumfragen sind Momentaufnahmen. Ohne verbindlichen Wert. Solange nicht einmal die Listen der Parteien und die ihrer Spitzenleute bekannt sind, bleiben Rechenübungen aufgrund solcher Sondierungen reinste Spekulation.

Verwirrendes Wahlgesetz

Unsere Wahlgesetzgebung, welche das Panaschieren sowie das Kumulieren von bis zu zwei Stimmen für jeden Kandidaten erlaubt, ist immer wieder für Überraschungen gut. Demoskopen können diesen verwirrenden Zahlensalat jeder Momentaufnahme nicht korrekt ausloten.

Das System der Restsitze kommt einer Lotterie gleich. Es bevorteilt die stärksten Parteien. Sorgt in den vier Wahlbezirken mit der unterschiedlichen Gewichtung der zu wählenden Abgeordneten immer wieder für ungerechte Resultate. Unter Henry Cravatte hatte die LSAP landesweit die meisten Stimmen. Doch die CSV hatte dank der Restsitze einen Sitz mehr. Pierre Werner blieb Premierminister.

Der diesjährige Wahlausgang bleibt ungewiss. Einzige Gewissheit bleibt ein sich steigernder heftiger Wahlkampf. Der schon mit manchen Tiefschlägen begonnen hat.

Gerade innerhalb der Dreierkoalition rumort es gewaltig. Die wegen ihrer empathischen und dennoch wirkungsvollen Gestion der Corona-Pandemie zur beliebtesten Politikerin des Landes avancierte Ministerin für Gesundheit, Paulette Lenert, geriet zum Hund im politischen Kegelspiel. Schwarze, Blaue und vor allem Grüne wetteifern mit Attacken auf die rote Dame und ihre Partei.

Die Aussicht, die Sozialisten seien zum ersten Mal in ihrer bewegten Geschichte in der Lage, einen Premierminister durchzusetzen, führt zu einer Konzentration der Attacken auf die LSAP und ihre wichtigsten Exponenten. Die Tatsache, dass noch keine Partei ein verbindliches Wahlprogramm verabschiedet hat, belegt einmal mehr, dass es in der Politik immer weniger um Inhalte, und immer mehr um Personen geht.

Die Macht der Selfies

Dabei ist die blaue Galionsfigur nicht zu unterschätzen. Der „Xav“, wie seine vielen „Follower“ sagen, bleibt ein Hansdampf in allen Gassen. Er ist überall präsent, ohne große philosophische oder politische Aussagen, hat dafür immer einen Scherz, ein Bonmot auf den Lippen. Wer im Großherzogtum noch kein „Selfie“ mit Bettel hat, ist selbst schuld! Bei jeder Einweihung, jeder Gedenkfeier, jeder Überreichung von Diplomen lächelt der Premierminister in alle Handys. Deren es inzwischen mehr als Einwohner im Land gibt.

Kein anderer Politiker verkauft sich annähernd so gut wie der Xavier. Bei Paulette Lenert spürt man eine gewisse Zurückhaltung. Bei den CSV-Granden es ist noch schlimmer. Claude Wiseler hat zwar eine größere Glaubwürdigkeit als seine Mitstreiter Martine Hansen oder Gilles Roth, doch vermittelt er nicht den Eindruck, als ob er wirklich in die Verantwortung wolle. Die Ersatzbänkler der CSV, die nunmehr Luc Frieden aus dem selbst gewählten Abstellraum reaktivieren möchten, sollten nachlesen, was Jean-Claude Juncker über seinen ewigen Nachfolger sagte. Der es nach 2013 vorzog, in London bei der Deutschen Bank viel Geld zu verdienen, anstatt im Parlament Oppositionsarbeit zu leisten.

Bei den Grünen sieht es ähnlich trostlos aus. François Bausch, der als Realo eine eher positive Bilanz vorzuzeigen hat, will anscheinend nicht mehr in die Regierung. Felix Braz ist tragische Vergangenheit. Carole Dieschbourg wurde Opfer ihrer ideologischen Verbohrtheit. Claude Turmes gilt allgemein als ideologischer Phrasendrescher, der es nicht einmal schafft, sein Ministerium so zu organisieren, dass die vielen auszuteilenden Subsidien auch bei den Bürgern ankommen. Eine Leuchtfigur haben die Grünen nicht mehr vorzuzeigen.

Doppelspitzen schaffen Unsichtbarkeit

Den offensichtlichen Mangel an glaubwürdigen Führungskräften versuchen alle Parteien auszugleichen mit dem Multiplizieren von „Doppelspitzen“. Je mehr Spitzen, teilweise mit Alibi-Gendern, je weniger Durchsicht für den Wähler. Eine Binsenwahrheit jeder guten Werbung ist, dass ein Markenzeichen sofort in das Auge eines potenziellen Kunden stechen muss. Zu viele „Spitzen“ verflachen die Konturen.

Die allermeisten Wähler sind politisch nur mäßig interessiert. Obwohl wir theoretisch Wahlpflicht haben, wählen fast ein Viertel der Wahlbürger entweder überhaupt nicht, oder weiß, oder ungültig. Gut ein Drittel der Wähler entscheiden sich erst in den letzten Tagen, gar Stunden vor der Wahl. Und machen ihre Kreuzchen entsprechend, quer durch den Gemüsegarten.

In allen europäischen Demokratien steigt die Zersplitterung des Wahlvolkes. Immer mehr Parteien stellen sich der Wahl. Viele Bürger, besonders junge Menschen, zappen zwischen den Parteien wie zwischen den Fernsehprogrammen oder auf Tiktok.

Mit dem Resultat, dass immer mehr inhaltlose Parteien die Parlamente mit einigen wenigen Sitzen bevölkern. Wofür stehen die sogenannten Piraten, außer für die dämlichsten Fragen im Parlament? Angesichts der Überversorgung der Staatsdiener wollte die ADR ursprünglich Rentengerechtigkeit für den Privatsektor. Die CSV-LSAP-Regierung setzte dies 1999 durch und wurde von der Beamtenschaft dafür abgestraft. Ironischerweise setzt sich die ADR heute vornehmlich aus Beamten oder früheren Beamten zusammen, die wie die Herren Kartheiser und Keup bloß ihre rechten Fantasmen ausleben.

Die Vervielfältigung der Mini-Parteien macht überall die Regierungsbildung schwieriger. In Demokratien, in den proportionales Wahlrecht herrscht, gerieten Regierungen mit immer mehr Parteien zur Norm. Siehe Belgien, siehe Holland, siehe Skandinavien oder etwa Israel. Bei unseren Benelux-Nachbarn dauerte es viele Monate, in Belgien fast ein ganzes Jahr, ehe eine Koalition zustande kam.

In Luxemburg entstand Gambia als Reaktion auf die lausige Handhabung der Skandale um den Geheimdienst durch den damaligen Premier Jean-Claude Juncker. Nach zehn Jahren sind die ursprünglichen Gemeinsamkeiten verschlissen. Von den damaligen Betreibern des Bündnisses bleibt nur der Selbstdarsteller Bettel übrig.

Im nächsten Parlament droht die Zersplitterung der Parteienlandschaft zuzunehmen. Es wird sehr wahrscheinlich keine zwei Blöcke geben, die genügend Abgeordnete aufbieten können, um eine Zweierkoalition zu bilden. Also kein Bündnis LSAP-CSV, kein CSV-DP, kein DP-LSAP. Schon gar nicht ein Bündnis einer der drei klassischen Parteien mit den zu schwachen Grünen.

Bleibt bloß die Möglichkeit einer Dreier- oder gar einer Vierer-Koalition. Nicht gerade empfehlenswert in diesen schwierigen Zeiten.

 

Phil
23. Januar 2023 - 5.40

Mittlerweile ist es in der politischen Landschaft so wie im Restaurationsgewerbe. Nur noch billiges Essen, Finger-food und Burgers-to-go. Das heisst, der Geschmack des Wählers ist nicht mehr vorhanden, sondern nur noch das satt werden. Ein bis zwei Gourmetköche mit eigener kulinarischer Richtung gibt es wohl noch... haben es aber schwer sich gegen den vorgekauten bunten Einheitsbrei durchzusetzen.

Vox
21. Januar 2023 - 15.26

"Kinder an die Macht" sang einst H.Grönemeyer. Ob das eine gute Idee ist?