Tageblatt: Michel Ries, wenn Sie auf 2022 zurückblicken, welche Schlüsse ziehen Sie?
Michel Ries: Das letzte Jahr war ein Auf und Ab. Es hat nicht ideal begonnen, weil ich im Dezember 2021 wegen einer Endofibrose operiert wurde. Ich kam danach gut zurück und hatte im Mai und Juni eine gute Phase. Die Form war gut und das konnte ich sogar bei Rennen zeigen (u.a. Neunter beim Mercan’Tour Classic Alpes-Maritimes (1.1) oder Zwölfter bei der Route d’Occitanie – La Dépêche du Midi (2.1) Anm. d. Red.). Ich habe mich dann auf die Vuelta vorbereitet und wurde kurz vorher krank. Das war die größte Enttäuschung des Jahres. Die Spanien-Rundfahrt zum Ende der Saison wäre mir sehr gelegen gekommen. Ich habe mich dann auskuriert und in Italien noch mal gute Leistungen gezeigt. Wenn man all die Umstände betrachtet, war es im Allgemeinen eine ordentliche Saison.
Wie sieht Ihre aktuelle Vorbereitung aus?
Nach der Lombardei-Rundfahrt hatte ich mich mit Covid infiziert und erstv mal vier Wochen pausiert. Anfang November habe ich das Training wieder aufgenommen. Ich war zehn Tage in Spanien und bin jetzt seit dem 9. Januar wieder mit dem Team in Altea (E). Eigentlich lief alles ideal. Ich war nicht krank und konnte alles wie geplant durchziehen.
Haben Sie konkrete Ziele für 2023?
Es ist immer schwierig, ein sportliches Ziel am Anfang der Saison festzumachen. Ziel ist es aber sicherlich, eine saubere Saison ohne gesundheitliche Probleme zu fahren. Wenn das gelingt, ist vieles möglich. Ich möchte auch eine Grand-Tour fahren, was momentan geplant ist. Das Programm der Mannschaft kommt mir entgegen. Ich kann positiv auf dieses Jahr blicken.
Wie sieht Ihr Rennprogramm aus?
Ich werde direkt vom Trainingslager aus nach Mallorca fliegen. Dort werde ich Ende Januar drei der fünf Eintagesrennen bestreiten. Danach bin ich bei der Tour of Oman (10.-14.2.), der Faun Drôme Classic (26.2.), um dann bei Paris-Nice (5.-12.3.) mein erstes größeres Highlight zu starten.
Werden Sie sich weiterhin auf Etappenrennen fokussieren?
In den Etappenrennen sieht die Mannschaft meine Qualitäten und ich sehe dort auch meine Stärken. Ob es nun an der Seite eines Leaders ist oder mit eigenen Freiheiten. Etappenrennen liegen mir besser. Ich möchte bei den Etappenrennen in den Bergen vorne mitfahren. Wenn ich die Chance bekomme, will ich auch auf persönliche Resultate fahren. Das ist auf WorldTour-Niveau alles andere als einfach. Die Ansprüche sind sehr hoch und es gibt nicht mehr so viele Tage, an denen die Ausreißer durchkommen. Eintagesrennen bieten nicht das ideale Terrain für mich. Auch die Ardennenklassiker sind beispielsweise im Finale zu explosiv für mich. Das kommt mir nicht entgegen.
Im letzten Jahr galten Sie als Edelhelfer am Berg. Welche Rolle wollen Sie in diesem Jahr im Team einnehmen?
Das hängt ganz von den Rennen ab. Ich nehme die Rolle als Edelhelfer in den Bergen sehr gerne an. Warren Barguil hat große Ambitionen, ich sehe mich gerne an seiner Seite. Ich möchte aber auch einen weiteren Schritt nach vorne mache und meine Chancen nutzen.
Ihr Team ist nach dem letzten Jahr in die WorldTour aufgestiegen. Das ändert vor allem das Rennprogramm, oder?
Im letzten Jahr haben wir Einladungen für die wichtigsten Rennen erhalten. Das Team konnte selbst entscheiden, welche Rennen wir fahren und welche nicht. Jetzt sind wir in der WorldTour und müssen an allen Rennen teilnehmen. Im letzten Jahr haben wir zum Beispiel auf die Baskenland-Rundfahrt, den Giro d’Italia, die Tour de Suisse oder die Tour de Romandie verzichtet. Diese Rennen kommen mir entgegen. Als französische Mannschaft werden wir aber auch noch an den kleineren Rennen in Frankreich teilnehmen. Die Mannschaft hat im letzten Jahr alles daran gesetzt, in die WorldTour zu kommen. Wir möchten uns nun beweisen und uns etablieren.
Spielt die Tour de France in Ihrem Kopf eine Rolle?
Die Tour de France spielt für Radsportler immer eine gewisse Rolle. Ob sie in diesem Jahr für mich schon infrage kommt, bleibt abzuwarten. Es gibt noch andere schöne Grand Tours. 2020 konnte ich die Vuelta entdecken. Dennoch ist die Tour gerade bei einer französischen Mannschaft das wichtigste Rennen. Ich habe die Ambitionen, mal dort zu starten. Ob das dieses Jahr passiert oder später, bleibt abzuwarten.
Es ist Ihr letztes Vertragsjahr. Spüren Sie einen besonderen Druck?
Da die meisten Verträge über zwei Jahre gehen, ist ein letztes Vertragsjahr nichts Außergewöhnliches mehr. Aber natürlich beschäftigt das mich. Man sollte sich immer Gedanken um die Zukunft machen. Der Radsport ist nicht besonders stabil. Wenn dir eine Mannschaft eine Tür zumacht, dann stehst du schnell ohne Team da. Auf der anderen Seite braucht man sich auch keine großen Gedanken zu machen, wenn du eine ordentliche Saison fährst und das tust, was von dir erwartet wird.
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