In Bezug auf das Editorial „R.I.P.“ im Tageblatt vom 27. Dezember: Einen Abgesang anzustimmen auf etwas, was nie Breitenwirkung erzielt hat, hieße, die Abgesang-Vokabel ihrer Bedeutung zu berauben. „Luxemburgensia“ ist für mich als Leser, Lehrer und als Vater eine Abstraktion, die auf dem geduldigen Papier und in verlassenen Bibliotheksregalen besser aufgehoben ist als im literarischen Alltag. Wie andere Konstruktionen einer selbsternannten kulturellen Elite bzw. Oligarchie, die sich in ihren Filterblasen selbst beweihräuchert, ruht die Luxemburgensia nun in Frieden. Amen. Neben der solcherart zu Grabe Getragenen (gab es überhaupt Trauergäste?) gehört auch die luxemburgische Schriftsprache auf den Prüfstand. Ist das gesprochene Moselfränkisch ein wichtiger Kitt im multikulturellen und -ethnischen Stadtstaat, so ist das petrifizierte Moselfränkisch ein mit künstlicher Beatmung, sprich staatlicher Lenkung am Tropf gehaltener Komapatient.
Immer weniger Schüler belegen Latein, das Nomen „Altgriechisch“ bereitet vielen schon orthografisch große Probleme. Französischkompetenzen schaffen es häufig zumindest im schriftsprachlichen Betrieb nicht bis ins Finale, das Fach „Deutsch“ ist zu einer mitunter moralinsauren Veranstaltung geronnen, deren Lehrwerke vor allem bildbasiert und vordergründig ausgerichtet sind. „Der Trafikant“ als Abiturlektüre spottet jeglichen literarischen Anspruchs. Das alles ist kein Kulturpessimismus, oder nur ansatzweise. Das Hauptproblem ist das Luxemburgische, dessen völlig absurde und ballastartige Rechtschreibregeln mittlerweile auf 4e (Klasse 10) unterrichtet werden müssen. Die friulanischen Schüler in Norditalien oder diejenigen aus Neapel lernen auch keinen schriftsprachlichen Dialekt. Das wäre ein Hindernis, reinste Nabelschau sowie Ressourcenverschwendung.
Es bieten sich m. E. zwei gangbare Alternativen zum aktuellen babylonischen Wirrwarr an: Entweder die Politik stülpt das Grundschulsystem um und alphabetisiert die Erstklässler auf Luxemburgisch. Oder aber das schriftsprachliche Luxemburgisch wird vollends in die hintersten Winkel der Spezialistenstuben, Geheimbünde und sonstiger Zirkel verbannt. Ich jedenfalls rate meinen Kindern davon ab, Luxemburgisch zu schreiben. Um kurz auf die jüngst dahingeschiedene Luxemburgensia zurückzukommen: Deren Texte auf Deutsch oder Französisch zu übersetzen, wäre vielleicht eine konsensfähige Maßnahme.
A bon entendeur
Sie haben 100% Recht. Früher lernten die Kinder auch kein schriftliches Luxemburgisch und die Nation überlebte, übrigens besser als heute!