Das dänische Trainingsgelände liegt etwa 20 Kilometer außerhalb von Doha an einer großen Ausfallstraße. Es könnte gut sein, dass keiner der Spieler es je wiederfinden würde, käme er in zwei oder drei Jahren noch einmal dorthin. Links der Straße wird gebaut, rechts der Straße wird gebaut, und auch die Wohnsiedlung gleich nebenan wurde erst im vergangenen Jahr fertig. Nur hinter den hohen Mauern des Al Sailiya Sports Clubs bekommt man von all dem Lärm nicht viel mit. Dort trainieren die Dänen auf zwei perfekt gepflegten und gewässerten Rasenplätzen am Rande zur Wüste.
Früher als erwartet stellt sich bei dieser WM allerdings die Frage, wie lange Kasper Hjulmand und seine Spieler diese Anlage noch nutzen werden. Denn die Dänen müssen ihr letztes Gruppenspiel am Mittwoch gegen Australien (16.00 Uhr) unbedingt gewinnen. Sonst fliegt der Geheimfavorit dieser Weltmeisterschaft bereits nach der Vorrunde nach Hause.
„Unsere Spieler kennen große Spiele“, sagte Hjulmand am Dienstag dazu. „Jesper Lindström zum Beispiel hat gerade erst mit Eintracht Frankfurt ein Europa-League-Endspiel bestritten. Der beste Weg ist, den Spielern zu sagen: Ihr habt als Kinder immer davon geträumt, um etwas Großes zu spielen. Und bitte, hier ist euer Traum: Geht raus!“ Der dänische Trainer hat in den vergangenen Tagen immer wieder dementiert: Nein, die enttäuschende Ausbeute von nur einem Punkt nach zwei WM-Spielen habe nichts mit der Unruhe zu tun, die die geplanten und dann doch nicht umgesetzten Protestaktionen gegen die Menschenrechtssituation in Katar im dänischen Lager ausgelöst haben.
Vieles richtig gemacht
Zunächst wollten die Dänen dort in Shirts mit der Aufschrift „Menschenrechte für alle“ trainieren – doch der Weltverband FIFA ließ das nicht zu. Das Gleiche passierte zu Turnierbeginn mit der „One Love“-Kapitänsbinde, die für Toleranz und Vielfalt werben soll. Als die Mannschaft genau wie die Deutschen, Engländer oder Niederländer auf massiven FIFA-Druck auch darauf verzichtete, war die Kritik in Dänemark groß. Der Fußballverband DBU schickte seine beiden wichtigsten Funktionäre nach Al-Sailiya, damit sich nicht immer bloß die Spieler und der Trainer dazu äußern mussten. Am Ende ging sogar die Meldung um die Welt, dass die Dänen über einen Austritt aus dem Fußball-Weltverband nachdenken würden – obwohl das niemand so gesagt hatte.
Trainer Hjulmand meinte über die FIFA, diese WM und die vielen mit ihr verwobenen Themen nach dem ersten Spiel nur noch: „Ich weiß derzeit nicht, ob ich ein Teil hiervon bin. Ich liebe Fußball, ich liebe Diversität, ich liebe andere Menschen.“ Deshalb müsse „auch etwas passieren. Aber wir können es nicht auf die Spieler abladen“. Diese Rat- und Hilflosigkeit so offen darzulegen, war auch deshalb bemerkenswert, weil Hjulmand und sein Verband ansonsten in allen strategischen und hochemotionalen Fragen der vergangenen Jahre so viel richtig gemacht haben. 2021 führten sie die dänische Mannschaft noch bis ins EM-Halbfinale, obwohl ihr bester Spieler Christian Eriksen während des ersten Spiels mit einem Herzstillstand zusammengebrochen war.
Seit etwa zehn Jahren gelingt es den Dänen außerdem, dass ein Land mit nur 5,8 Millionen Einwohnern regelmäßig erstklassige Fußballer hervorbringt. Eriksen (Manchester United) und Pierre-Emile Höjbjerg (Tottenham Hotspur) sind nur die bekanntesten Namen. Die junge Generation um Jesper Lindström (Eintracht Frankfurt) ist längst auch im WM-Kader angekommen. „Die Kooperation zwischen den Vereinen und dem Verband ist in Dänemark sehr gut und sehr eng“, sagte Sportdirektor Peter Möller der Deutschen Presse-Agentur in Katar. „Wir haben ein sehr striktes Lizenzierungssystem für Trainer und geben den Clubs hohe Vorgaben, die sie bei der Ausbildung erfüllen müssen. Das hat den dänischen Fußball stark vorangebracht.“
Um diese Entwicklung zu bestätigen, wäre ein Weiterkommen bei der WM sehr wichtig für die Dänen. Sie könnten dann auch mindestens bis zum Achtelfinale am Samstag weiter jeden Tag nach Al-Sailiya hinausfahren.
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