Ganz Brasilien redet wieder vom sechsten Stern, Neymar hat ihn schon. Mit digitaler Hilfe bastelte der Superstar ein zusätzliches Sternchen auf seine Selecao-Hose für ein Foto im Flieger nach Katar – und löste die altbekannte Diskussion aus: Ist er arrogant oder nur extrem selbstbewusst?
„Wir sind einfach nur Träumer, wir träumen vom sechsten Stern und werden ihn uns holen, ob es ihnen gefällt oder nicht“, verteidigte Stürmer Richarlison den Ausnahmekönner von Paris St. Germain gegen die Attacken vor allem europäischer Journalisten.
„Hexa“, der sechste WM-Titel, auf den der Rekordweltmeister nun schon seit 20 Jahren wartet, ist das große Ziel – und für Neymar ist klar, dass er derjenige sein wird, der Brasilien endlich dorthin führt. „Die Letzten werden die Ersten sein“, prognostizierte er, nachdem die Selecao als letztes Team in Katar gelandet war.
Besser als 2014 und 2018
Dass Neymars Einstellung ansteckend ist, ließ sein Teamkollege Raphinha erkennen. Schon vor dem WM-Auftakt am Donnerstag (20.00 Uhr) gegen Serbien verriet der Außenstürmer, dass die Mannschaft bereits zehn Tänzchen als Jubelpose für die ersten zehn Tore einstudiert hat. Arroganz oder Selbstbewusstsein?
Für Neymar, der so gerne in einer Reihe mit den großen brasilianischen Weltmeistern Pelé, Ronaldo oder Romario stünde, ist die WM in Katar voraussichtlich die letzte Chance, sich endlich „meinen größten Traum“ zu erfüllen – nach zwei missratenen Anläufen. Vor vier Jahren in Russland blieb er vor allem als Schauspieler in Erinnerung, der sich nach jedem Foul minutenlang auf dem Boden wälzte. 2014 in der Heimat musste er verletzt zuschauen, wie die Selecao beim 1:7 gegen Deutschland gedemütigt wurde.
Jetzt ist der inzwischen 30-Jährige zum richtigen Zeitpunkt topfit, glänzt bei PSG mit dem besten Saisonstart seiner Karriere, mit 15 Toren und zwölf Vorlagen in 20 Spielen. „Neymar hat ein sehr gutes Niveau für diese WM“, lobte Kapitän Thiago Silva: „Sein Hunger steckt all unsere Spieler an.“ Er sehe einen „besseren“ Neymar als 2014 und 2018 und davon könne das ganze Team „enorm profitieren“.
Ex-Shootingstar Zé Roberto hat ein Umdenken bei Neymar festgestellt. Er habe „verstanden, dass es wichtiger ist, seine Physis zu managen als sein Talent. Er hat zu lange auf seine natürliche Begabung gesetzt. Mit 30 reicht das nicht mehr. Schade, dass er so spät aufgewacht ist.“
Nationaltrainer Tite, der Neymar in der WM-Qualifikation noch lange als falsche Neun eingesetzt hatte, zog ihn weiter zurück. „Weil ich ihn sonst seiner besten Waffen beraube“, erklärte der Coach, „so kann er sein Betätigungsfeld erweitern, ist kein leichter Fang für die Gegner.“ So könne er „die Kirsche auf der Torte“ für die Selecao sein, mutmaßte Altstar Zico – und endlich den sechsten Stern holen, nicht nur für seine Hose.
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