Er ist davon weder genervt noch überrascht: Marian Sarr weiß ganz genau, dass er in Interviews früher oder später auf seinen Champions-League-Sieg im Stade Vélodrome angesprochen wird. Als „Jahrhunderttalent“ hatte ihn sein damaliger Trainer Jürgen Klopp 2013 beschrieben – als er als 18-Jähriger in Marseille, ohne Profierfahrung, auf den Platz geschickt wurde. Zurück in der Bundesliga, kamen noch zwei weitere Einsätze für Borussia Dortmund hinzu. „Rückblickend bin ich stolz“, sagt der inzwischen 27 Jahre alte Innenverteidiger heute. Wohlwissend, dass ihm die große Profikarriere verwehrt blieb. „Einiges hätte aber anders laufen können. Das geht teils auf Eigenverschulden zurück. Ich bin nicht da, wo ich mit meinen Qualitäten eigentlich sein könnte, aber traurig bin ich nicht“, sagt Sarr über seinen Weg, der ihn im Sommer 2022 nach Petingen geführt hatte.
Beim BVB konnte er sich, aufgrund zweier Verletzungen (Ermüdungsbruch im Schienbein sowie eine Hüftoperation), nie wirklich durchsetzen. Sein Transfer 2016 nach Wolfsburg verlief anders als geplant. Aufgrund von muskulären Problemen trainierte er nur zweimal mit der Mannschaft von Dieter Hecking, der dann entlassen wurde. Weder bei der zweiten Mannschaft in Wolfsburg (Regionalliga Nord) noch bei seinen Stationen in Aalen und Jena (3. Liga) gelang ihm der richtige Durchbruch. „Zum einen waren es Verletzungen, zum anderen sind Dinge eingeflossen, auf persönlicher Ebene, die ich nicht nachvollziehen kann“, erklärt Sarr. Besonders in Jena wurde der 1,89 m große Verteidiger nicht glücklich: Aus disziplinarischen Gründen wurde er 2019 in die Oberliga-Mannschaft versetzt, 2020 gar suspendiert.
Das Thema BVB ist abgehakt
Jeweils neun Monate dauerten die Aufenthalte bei den beiden Regionalligisten Bonner SC und FC Gießen. „Fußball ist ein schnelllebiges Geschäft. Es kann schnell nach oben, aber eben auch schnell nach unten gehen“, weiß der Defensivspieler. Mit den Erfolgszeiten beim BVB hat Sarr definitiv abgeschlossen. Nur mit Nuri Sahin (mittlerweile Trainer bei Antalyaspor/TUR) habe es noch ein wenig Kontakt gegeben. „Für mich ist das Thema abgehakt. Ich bin dankbar, diese Möglichkeit erhalten zu haben. Aber ich schaue nach vorne. Wer weiß, was in ein, zwei Jahren ist … Nach oben setze ich mir keine Grenzen.“
Mit einem Wechsel ins Ausland hatte der deutsche Jugend-Nationalspieler seit 2020 geliebäugelt – „weil ich dort bei null starten kann“, sagte er damals gegenüber Sport1. „Im Ausland habe ich die Hoffnung, eher noch mal zu zeigen, wie ich wirklich ticke und was ich draufhabe.“ Unter UTP-Coach Yannick Kakoko kam er in neun Liga-Spielen neunmal zum Einsatz. In Luxemburg angekommen, bei seinem ersten Verein außerhalb Deutschlands, ist Sarr eigenen Aussagen zufolge allemal. „Ich bin froh, in Petingen ein gutes Fundament gefunden zu haben. Das erleichtert es einem, sich nur auf den Fußball zu konzentrieren.“
Die Freude am Spiel kehrte zurück. Obschon es im Laufe der Jahre immer wieder Momente gab, an denen er die Schuhe lieber an den Nagel gehängt hätte, biss sich Sarr durch. „Viele Jungs wären an dem, was ich erlebt habe, zerbrochen. Ich habe mich nicht unterkriegen lassen.“ Diese Kämpfermentalität kommt bei der UTP gut an. „Mit meiner Erfahrung muss ich vorangehen. Wir sind eine junge Mannschaft. Manchmal merkt man, dass bei einigen der Jugendfußball noch drinsteckt. Es geht nicht immer darum, schön zu spielen, sondern effizient zu sein. Wir müssen Fehler minimieren. Auch ich nehme Hilfestellungen an.“
Die Ergebnisse lassen sich sehen. Neun Punkte in Serie, zuletzt ein 2:0 in Wiltz, ermöglichten den Sprung auf Platz vier. Für Sarr sind die Top sechs am Ende der Saison durchaus ein Ziel. Weit in die Zukunft will man in Petingen aber nicht schauen, sondern „von Spiel zu Spiel“. „Es macht derzeit unheimlich viel Spaß“, meint er, um dann doch noch einen persönlichen Wunsch zu äußern: „Ich will natürlich so viele Spiele wie möglich bestreiten und wenn es geht, sogar wieder ein Tor machen. Das letzte ist schon ein wenig her …“ Ob er das bereits am kommenden Wochenende gegen die Jeunesse von der To-do-Liste streichen kann?
Steckbrief
Marian Sarr
Geboren am 30. Januar 1995 in Essen (D)
Position: Innenverteidiger
Stationen: Bayer Leverkusen II, Borussia Dortmund, VfL Wolfsburg II, VfR Aalen, Carl Zeiss Jena, Bonner SC, FC Gießen (alle D), seit Sommer 2022 bei der Union Titus Petingen
Größte Erfolge: Vize-Europameister 2012 (U17), Champions-League-Sieg gegen Olympique Marseille (Profidebüt für Borussia Dortmund), zwei Bundesliga-Einsätze
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