Headlines

Mertzig will erste Gemeinwohl-Ökonomie-Gemeinde Luxemburgs werden

Mertzig will erste Gemeinwohl-Ökonomie-Gemeinde Luxemburgs werden

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Die Bevölkerung der Gemeinde Mertzig ist den letzten Jahren stark angewachsen. Aktuell zählt die Kommune im Westen des Landes rund 2.250 Einwohner. Nun soll unter dem Projekttitel „Mertzig4all“ das Gemeinwohl und der Zusammenhalt gefördert werden.

Von Olivier Halmes

Laut Bürgermeister Mike Poiré möchte Mertzig die erste Gemeinde Luxemburgs werden, die die Kriterien der internationalen Bewegung der Gemeinwohl-Ökonomie verfolgen möchte. Darunter verstehe man ein Wirtschaftsmodell, wo der Erfolg neu bestimmt werde, so der Gemeindechef. Die Werte und Ziele, die der Idee zugrunde liegen, seien Menschenwürde, Solidarität, ökologische Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit, demokratische Mitbestimmung sowie Transparenz.

„Eng Gemeng fir jiddereen“

Als Vordenker der Bewegung gilt Christian Felber. Der 1972 in Salzburg geborene Österreicher ist Autor, Tanzperformer und politischer Aktivist (Attac). Im Jahre 2010 gründete Felber in Wien den „Verein zur Förderung der Gemeinwohl-Ökonomie“.
Die Prinzipien der Gemeinwohl-Bewegung deckten sich mit den Vorstellungen des Schöffenrats für die Zukunft von Mertzig, hieß es am Ratstisch. Nach den Kommunalwahlen 2017 hatte das neue Team um Bürgermeister Mike Poiré eine nachhaltige Entwicklung unter dem Motto „Eng Gemeng fir jiddereen“ zu einer ihrer Prioritäten erklärt.

Schon jetzt seien erste Ansätze in dieser Richtung umgesetzt worden. Als Beispiel nannte Schöffe Stefano D’Agostino die Zusammenarbeit mit der Vereinigung „op der Schock“, die in Mertzig eine Niederlassung betreibt, in der sie Menschen mit einer geistigen Behinderung betreut. Anstelle nun den Auftrag zum Reinigen der Umkleidekabinen des Fußballvereins einfach an den zu vergeben, der das beste Angebot abgibt, habe man sich entschieden, die Behindertenorganisation mit dieser Arbeit zu betreuen.

EU fördert „Mertzig4all“

Das Projekt „Mertzig4all“ soll im Rahmen des EU-Programms „Leader“ und der lokalen Aktionsgruppe Atert-Wark umgesetzt werden. Der Kostenpunkt liege bei 18.000 Euro und soll zu 71 Prozent mit Mitteln der Europäischen Union und des luxemburgischen Staats gefördert werden. Im Zeitraum vom Mai dieses Jahres bis Oktober 2020 soll das Projekt durch Gregor Waltersdorfer, angehender Gemeinwoh-Ökonomie-Berater für den Raum Luxemburg, begleitet werden. Auf dem Programm stehen dabei Dinge wie Online-Befragungen bei der Bevölkerung, Informationsveranstaltungen sowie Arbeitsgruppen zum Thema. Einstimmig sprach sich am Freitag der Gemeinderat für das Projekt aus.

Keine Einstimmigkeit gab es hingegen beim Kostenvoranschlag für die Modernisierung und den Ausbau des Rathauses. Eines der wichtigsten Anliegen dabei ist, das kommunale Gebäude gemäß den gesetzlichen Auflagen behindertengerecht zu gestalten. Beim Rathaus handelt es sich um das Geburtshaus des luxemburgischen Malers und Architekten Sosthène Weis (1872-1941).

Neue Schulinfrastruktur wichtiger

Auf 5,3 Millionen Euro sollen sich die Arbeiten belaufen. Für die Pläne ist das Architektenbüro Jonas aus Ettelbrück verantwortlich. Außerdem sind die Beraterfirmen Schroeder & Associés sowie Goblet, Lavandier & Associés an den Planungen beteiligt. In der Debatte um diesen Punkt kritisierte Rat Amaro Garcia die Höhe der Honorare, die immerhin 17 Prozent der Gesamtsumme ausmachen würden.

Außerdem verwies Garcia darauf, dass nach seiner Ansicht der Ausbau der Schulinfrastruktur eher in Angriff genommen werden sollte. Bürgermeister Mike Poiré kündigte an, dem Gemeinderat noch in diesem Jahr Pläne für die Vergrößerung der Grundschule sowie der „Maison relais“ vorlegen zu können. Mit der Gegenstimme von Garcia und der Enthaltung von Luc Weiler wurde der Kostenvoranschlag schließlich von der Mehrheit angenommen.

Vordenker Christian Felber

Christian Felber (geb. 1972) hat im Jahr 2000 die Attac-Bewegung in Österreich mitbegründet. 2009 war er Mitgründer der Bewegungsstiftung Österreich, die ihre Tätigkeit mit der Starthilfe für das Projekt Demokratische Bank und die Gemeinwohl-Ökonomie beendete. 2014 entstand daraus eine Genossenschaft. Ihr Ziel war die Gründung der „Bank für Gemeinwohl“ als erste ethische Bank Österreichs. 2010 initiierte Felber gemeinsam mit einer Reihe von Unternehmern das Projekt Gemeinwohl-Ökonomie und gilt als Erfinder der Gemeinwohl-Bilanz. Sein Entwurf der Gemeinwohl-Ökonomie beruht „auf denselben Verfassungs- und Grundwerten, die unsere Beziehungen gelingen lassen (Vertrauensbildung, Wertschätzung, Kooperation, Solidarität und Teilen)“ und ist „einerseits eine vollethische Marktwirtschaft und zum anderen eine wirklich liberale Marktwirtschaft“. Die gleichnamige Bewegung ist heute in über 20 Staaten in Europa, Lateinamerika und Afrika aktiv.

Raymond Aendekerk, Greenpeace
9. Februar 2019 - 15.27

Es ist hinzuzufügen, dass Oikopolis in Munsbach (mit Naturara, BioGros, BioG, u.a) das erste und bisher einzige Unternehmen in Luxemburg ist, das seit 2015 zertifiert ist.

Ewald Eicher
5. Februar 2019 - 17.40

Ich finde es großartig, dass die Gemeinwohl-Ökonomie auch in Luxemburg immer weiter verbreitet. Gemeinwohl vor Profite. Top.