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Mit Gott an seiner Seite – Soulstar Marvin Gaye wäre heute 80 Jahre alt geworden

Mit Gott an seiner Seite – Soulstar Marvin Gaye wäre heute 80 Jahre alt geworden

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Unser Porträt des Soulstars legt den Schwerpunkt auf den Einfluss, den die Frauen auf sein Schaffenswerk hatten – und erläutert, wie er vom willigen Schlagersänger zum engagierten Protestsänger wurde. 

Von Oliver Seifert 

Marvin Gaye und die Frauen, das ist eine Geschichte für sich. Er himmelte sie mit eleganter Inbrunst an – in Texten, die bis Ende der 1960er Jahre von Liebe handelten, danach insbesondere von deren expliziter Körperlichkeit. Alben wie „Let’s Get It On“ (1973) und „Midnight Love“ (1982) mit der Single „Sexual Healing“ atmeten schwer unter ihrer lechzenden Zwischenmenschlichkeit.

Seine Duette mit Mary Wells oder Tammi Terrell präsentierten ansprechend schnulzigen Soulpop, mit Diana Ross ging es musikalisch wie inhaltlich mehr zur Sache. Er konnte sie aber auch zum Teufel wünschen, diese Frauen, in seinem Falle die Ex-Frauen, so bewältigte das sehr private Doppelalbum „Here My Dear“ den Ehefrust mit Anna Gordy und die kostspielige Scheidung.

Es war auch eine Frau, die die Karriere von Marvin Gaye, vor 80 Jahren am 2. April 1939 in Washington/DC geboren, nachhaltig durcheinanderwirbelte. Der Tod seiner Gesangspartnerin Terrell mit 24 Jahren infolge eines Gehirntumors stürzte ihn in eine schwere Depression, er konnte und wollte nicht mehr ein Hit-Fließbandarbeiter von Motown Records sein. Der willige Schlagersänger wurde zum würdigen Protestsänger, der sich ein Album mit dem Titel „What’s Going On“ (1971) abquälte, das längst zum popmusikalischen Kanon gehört.

Politisch engagiert

Mit Gott an seiner Seite, den er deshalb nicht vergaß, regelmäßig zu lobpreisen, half Gaye dem Motown-Soul aus seinem Drei-Minuten-Korsett, verkuppelte ihn mit Blues, Jazz, Klassik und Bossa Nova, implantierte ihm ein politisch-gesellschaftliches Bewusstsein. „What’s Going On“ versammelte Stellungnahmen zu (Vietnam-) Krieg, Umweltzerstörung, Drogenmissbrauch, Rassismus und Armut in üppig arrangierten, ineinander verlaufenden Stücken, die Gayes mehrspurig aufgenommener Gesang durchzog. Die Vorbehalte von Motown-Chef Berry Gordy entkräftete der große kommerzielle Erfolg: Von den drei ausgekoppelten Singles wurden insgesamt knapp fünf Millionen Exemplare verkauft.

Marvin Gaye wurde 1961 von Motown unter Vertrag genommen, wo er sich anfangs als Studio-Schlagzeuger verdingte. Mit seiner vierten Single „Stubborn Kind Of Fellow“ schaffte er den Durchbruch als Solokünstler, allein 39 Top-40-Songs nahm er bis 1965 auf. Gescheiterte zweite Ehe, Millionen-Schulden, Kokainsucht, zunehmende Selbstzweifel und Suizidgedanken verdüsterten Gayes Leben, das Album „In Our Lifetime“ Anfang der 80er Jahre zeigte ihn gespalten in Gott und Teufel auf dem Cover.

Funkige Sexbombe in der Hitparade

Mit dem erwähnten „Midnight Love“, einer funkigen Sexbombe, stürmte er noch mal weltweit die Hitparaden rauf, bevor ihn sein Vater kurz vorm 45. Geburtstag im Streit erschoss – am 1. April vor 35 Jahren. 1996 erhielt der empfindsame Sänger und Musiker posthum einen Grammy fürs Lebenswerk.

Der Mann, der die Frauen so sehr liebte, eröffnete mit seiner emanzipatorischen Großtat der Soulmusik neue Wege und gewährte ihr eine Relevanz über das Musikalische hinaus. Der US-amerikanische Bürgerrechtler Jesse Jackson sah in ihm einen Prediger, der den Kollegen auf der Kanzel in nichts nachstand. Der sexy Reformator: Sein Wittenberg war Detroit, Heimat der Motown Company, von dort groovten sich Gayes Thesen nicht nur in die Herzen seiner gläubigen Anhänger.