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Der neue Opderschmelz-Direktor John Rech: einer, der gekommen war, um zu bleiben

Der neue Opderschmelz-Direktor John Rech: einer, der gekommen war, um zu bleiben

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Der Düdelinger John Rech hat in den vergangenen Jahrzehnten die lokale, nationale sowie überregionale Veranstaltungsszene geprägt. Seit einem Monat ist er nun Direktor des regionalen Kulturzentrums, das er bereits wie seine Westentasche kennt. Das Tageblatt hat sich mit ihm über seinen bisherigen Weg, die künftige Fahrtrichtung und seine künstlerische Grundausstattung unterhalten.

Von Anne Ludwig und Anne Schaaf

Tageblatt: Zu welchem Zeitpunkt wurde Ihnen klar, dass Sie diesen Weg einschlagen möchten?
John Rech: Eigentlich wollte ich als Kind Förster werden. Als Jugendlicher habe ich mich eher im Sport gesehen. Mein Plan war es damals, als Leichtathlet nach Barcelona zu den Olympischen Spielen zu fahren. Doch ich hatte mich mehrmals stark verletzt und wusste, dass es für mich in diesem Bereich nicht weitergehen würde.

Durch Zufall habe ich dann mit einem Freund aus Jux eine Band gegründet. Später habe ich für eine Werbeagentur gearbeitet, bis die Musik immer mehr Raum eingenommen hat. Nach und nach bin ich auf Teilzeit umgestiegen und den Rest der Zeit war ich auf Tour, als Musiker sowie als Tourmanager.

Diese Entscheidung habe ich gegen meinen persönlichen Wohlstand getroffen. Das waren fünf sehr harte Jahre. Vielleicht hat der ursprünglich sportliche Background mit sich gebracht, dass ich in meinem Job und bei meiner Musik eine sehr große Selbstdisziplin habe.

In der letzten Zeit bekomme ich öfters zu hören, dass ich das mit dem Direktorposten doch so wollte. Aber das stimmt nicht ganz. Ich wollte nur ein Lied schreiben und ein Konzert spielen. Es hat sich jedoch anders ergeben.

Sie sind seit einem Monat im Amt. Welche Eigenschaften muss ein guter Direktor mitbringen, damit alles läuft?
Das Wichtigste ist meiner Meinung nach, seinen Job gerne zu machen. Das Team muss gut sein. Ideen und Visionen sind relevant. Es ist jedenfalls kein langweiliger Job. Eher ein „Work in progress“, der täglich eine neue Challenge bietet.

Welche Visionen haben Sie?
Über viele Jahre hinweg wurde etwas aufgebaut, das wir aufrechterhalten wollen. Der Job an sich verlangt es, neue Wege zu finden, um das Publikum zu erreichen. Mit der Zeit verändern sich die eigenen Vorstellungen: Aus einem kleinen Festival („Fête de la musique“, Anm. d. Red.), das mit einer Bühne angefangen hat, wird mit den Jahren ein großes mit 13 Bühnen. Die Visionen wurden etappenweise ausgebaut.

Hier im Haus funktioniert es ähnlich. Der Kontakt mit den Künstlern und ihre Art und Weise hat einen großen Einfluss auf unsere Entwicklung. Im Team arbeiten wir alle mit unseren Stärken, statt zu versuchen, jeden glücklich zu machen. Das Kulturzentrum zeichnet sich dadurch aus, dass wir alle mit Leidenschaft dabei sind.

Was sind Ihre Sorgenkinder, wo befinden sich Problemherde und was sind Ihre Schwächen?
Die Zukunft des Hauses, das mittlerweile 12 Jahre alt ist, stellt definitiv eine Herausforderung dar. Wir haben bereits Änderungen vorgenommen und es wird noch viel Arbeit auf uns zukommen. Auch das Team befindet sich in einem Wandel. Es gibt ja nicht nur einen neuen Direktor, sondern neue Mitarbeiter kamen und kommen hinzu. Neben Danielle Igniti gehen weitere Menschen in Rente. Die Stellen neu zu besetzen, stellt dementsprechend ebenfalls eine Challenge dar, da die Aufgaben anders verteilt werden. Jedoch macht all dies mir nicht wirklich Angst, ich bin den Veränderungen gegenüber positiv eingestellt.

Arbeit, die zuvor von wenigen Personen verrichtet wurde, wird nun auf mehrere Schultern verteilt. War das zusätzliche Personal ein nettes Geschenk des Gemeinderates bei Ihrem Antritt?
„Geschenkt“ ist nicht das richtige Wort. In Bezug auf Kulturinstitutionen, aber auch im kulturellen Bereich im Allgemeinen, herrscht oft ein verqueres Bild von dem vor, was diese Tätigkeit eigentlich bedeutet. Wenn man sich Mühe gibt, seine Arbeit zu erklären, wird diese fassbarer. Man kann weder Danielle Igniti noch François Olivieri (vom „service culturel“ der Stadt Düdelingen, Anm. d. Red.) eins zu eins ersetzen. Auch ihre Arbeit ist nicht einfach so auf jemand anderen übertragbar. Ich glaube, dass einfach lange unterschätzt wurde, was wir drei eigentlich machen. Daher habe ich den Verantwortlichen gegenüber diesbezüglich viel im Voraus kommuniziert.

Welchen Act würden Sie auf keinen Fall buchen?
Was ich nie machen würde, sind Produktionen, die keine Seele haben. Es ist kein Geheimnis, dass ich einen Tick poppiger eingestellt bin als meine Vorgängerin. Aber es gibt auch Grenzen. Unsere Marschroute ist die Qualität.

Das heißt, so etwas wie „Hoppen Théid“ wird nicht nach Düdelingen kommen?
Nein. Oft werden wir gefragt, warum wir nicht diesen oder jenen buchen. Doch ein garantiert volles Haus ist kein Argument, um jemanden zu sich einzuladen.

Obliegt einem Kulturveranstalter gewissermaßen die Verantwortung, das Publikum auch vor manchem zu schützen?
Ja. Schon in der Vergangenheit habe ich Bands nicht gebucht, da ihre Texte beispielsweise nicht kompatibel mit dem waren, was wir als Stadt und „service culturel“ ausstrahlen. Außerdem buchen wir selten Acts, die wir vorher nicht selbst live gesehen haben.

Wenn Sie nicht auf das Budget achten müssten, wen würden Sie dann buchen?
Ich würde nichts ändern. Ganz ehrlich. Vielleicht gäbe es etwas mehr Spielraum und ich könnte den einen oder anderen größeren Namen mehr nehmen. Doch auch da würden mein Team und ich achtsam sein. Wenn du viel Geld hast, ist das gar nicht so spannend. Dann verläuft das Buchen bei größeren Namen etwas katalogmäßig: Du bietest nur gegen jemand anderen und kaufst einen Künstler ein. Das treibt zudem die Gagen in unermessliche Höhen.

Es ist viel interessanter, denjenigen zu finden, um den sich die anderen in zehn Jahren reißen werden. Das ist das schönste Kompliment, wenn Künstler wirklich nochmal wiederkommen wollen, wenn sie es sich aussuchen können. Uns ist aber auch sehr wichtig, die nationale Kreation zu fördern. Es ist schön, zu wissen, dass es für die Künstler mittlerweile genauso wichtig ist, mal in Düdelingen aufzutreten wie in anderen, größeren Häusern.

Stellen lediglich Luxemburger Ihre Zielgruppe dar?
Natürlich wollen wir Düdelinger ins Haus bekommen sowie Menschen aus der Region. Wir sind schließlich ein regionales Kulturzentrum.

Wir wollen zudem bewusst noch mehr Schüler und Studenten hierhin bringen. Diesbezüglich unterschreiben wir gerade eine Konvention mit dem Script („Service de coordination de la recherche et de l’innovation pédagogiques et technologiques“), in der es um „Modulaire“-Klassen und kulturellen Austausch geht.

Düdelingen ist eine multikulturelle Stadt. Was wird unternommen, damit Menschen, die kein Luxemburgisch oder Deutsch sprechen, auch kommen?
Es wird schon einiges gemacht wie das „Café des langues“, der „Marché du monde“ und die „Fête des cultures“. Es finden ebenfalls Konzerte statt, die sich an ein italienisches Publikum oder an Menschen aus dem Balkan richten. Jedoch ist prinzipiell immer mehr möglich. Die Mittel dafür müssen allerdings auch da sein.

Doch ich denke, dass unser Angebot in dieser Richtung schon sehr offen ist. Wir versuchen weiterhin, die richtigen Kanäle zu finden. Eigentlich müsste man ein großes Promo-Team haben, um jedes einzelne Konzert an das richtige Publikum zu bringen.

Sie sind sehr stark in Düdelingen verwurzelt und in der nationalen Kulturszene kein unbeschriebenes Blatt. Kann sich das zum Nachteil auswirken, weil die Erwartungshaltung jener, die einem nahestehen, wächst und Beziehungen aufgrund mangelnder Abgrenzung unprofessionelle Ausmaße nehmen?
Ich glaube, dass das von der Person, der Ehrlichkeit ebendieser und der Kommunikation abhängt. Ich habe beispielsweise im Laufe der Jahre gerade in Bezug auf die Bookings auch schon mal Absagen erteilt.

Man muss offen sein mit seinem Team. Und glücklicherweise habe ich auch kritische Freunde, die mich ab und an rütteln. Auch wenn das nicht immer guttut.
Mal rauszukommen, hilft auch. Ich bin öfter mal im Ausland unterwegs für Messen oder auf Konzerten. (flüsternd) Außerdem besuche ich – entgegen der Annahme mancher – sogar ab und an Museen.

Sie tanzen auf zahlreichen Hochzeiten (siehe Infobox) gleichzeitig. Tragen Sie auch mehrere „Kapen“?
Das ist zu einfach als Beschreibung.

Was passt denn besser? Ziehen Sie Hüte vor?
Nein, Hüte stehen mir nicht. In meiner Band hat jeder einen Hut, nur ich nicht. (lacht) Wenn man leidenschaftlich bei der Sache ist, etwas vorantreiben und sich engagieren möchte, dann ist man automatisch an mehreren Orten anzutreffen. Hingegen sind die, die sich oft darüber beschweren, selbst nicht engagiert. Sie beanstanden, wo man überall unterwegs ist, beachten dabei aber nicht die Angebote und Termine, die man ausschlägt.

Außerdem wächst manches natürlich zusammen. Das Export-Büro music:LX ist ein gutes Beispiel hierfür. Dieses wird auch ab und an kritisiert. Aber wenn wir vor Jahren nicht dafür gestritten hätten, dass es geschaffen wird, dann gäbe es dieses heute nicht. Wenigstens gibt’s was zu kritisieren. (lacht) Ich würde mich ja sogar über Neuzugänge dort freuen. Letztens fragte mich jemand, warum wir keine neuen Mitglieder aufnehmen. Die Frage war bereits falsch gestellt, denn es hat schlicht und ergreifend fast niemand gefragt. In den vergangenen acht Jahren kamen lediglich vier Anfragen rein.

Es kommt zudem darauf an, wie man sich einbindet oder wo man sich raushält. Ich habe mich bei music: LX zum Beispiel aus künstlerischen Entscheidungen rausgehalten, jedoch auf der administrativen Ebene und beim Networking mitgeholfen.

Bei der Sacem (Gesellschaft zur Verwaltung der Rechte von Musikkünstlern, Anm. d. Red.) in der Komission konnte ich nach einer Zeit loslassen, da ich wusste, dass ich meinen Beitrag geleistet habe, und nun springe ich nur noch auf Nachfrage sporadisch ein.

Es gibt Dinge, bei denen würde ich gerne loslassen, aber da steht man dann da und glaubt, entweder noch etwas geben zu können, oder geht davon aus, noch helfen zu müssen, um ein Projekt auf andere Weise umzusetzen. Danach kann Loslassen auch guttun. Eins ist auf jeden Fall klar: Wenn ich gehe, dann gehe ich richtig.

Das Kulturzentrum wurde 2007 eröffnet. Sie haben dieses Haus mit aufgebaut. War es für Sie immer schon klar, dass Sie hier bleiben? Wie lange wollen Sie weitermachen?
Ich bleibe so lange, bis es an mir ist, das Zepter zu übergeben. Ich werde jetzt 49 Jahre alt. Falls ich in elf Jahren in Rente gehe, wäre es schon ein Highlight, wenn ich etwas aufgebaut und entwickelt habe und es jemandem weitergeben kann – jemandem, bei dem ich sicher sein kann, dass es so gut funktioniert wie jetzt bei der Übergabe zwischen Danielle und mir oder sogar noch besser. Das wäre für mich ein glücklicher Moment.

Ab wann tritt denn der Moment ein, in dem man etwas eventuell kaputt macht, weil man einfach zu lange geblieben ist? Gibt es kein Verfallsdatum?
Ich bin seit quasi 26 Jahren dabei.

Und Sie haben noch immer die nötige Distanz?
Ich denke schon. Ich höre Menschen zu. Sogar meinen Kritikern – auch wenn ich nicht auf jeden und alles reagiere. Wenn es wirklich nur bösartig ist, ist es mir dann auch zu dumm. Aber wenn es sich um eine berechtigte Beanstandung handelt, dann bin ich diskussionsbereit.

Und eins sollte man nicht vergessen: Das hier ist meine Stadt, ich bin Düdelinger. Ich hatte in den vergangenen Jahren mehrere Angebote auf dem Tisch liegen, bei denen ich schon eher Direktor von dem einen oder anderen großen Haus hätte werden können. Dort hätte ich teils das Doppelte verdient, aber ich blieb hier. Weil ich immer gedacht und gehofft habe, dass ich hier übernehmen kann. Und zwar weil mein Herz an der Düdelinger Kultur hängt.


Zur Person

Der neue „opderschmelz“-Direktor John Rech wurde im Mai 1970 in Düdelingen geboren, wo er immer noch lebt. Er ist Vater von zwei Kindern. In seiner Heimatstadt und über ihre Grenzen hinaus kennt man ihn vor allem als Organisator der „Fête de la musique“ (seit 1994) und des „Zeltik“ (seit 1998).

Anfang der 90er arbeitete er als parlamentarischer Assistent bei der LSAP. Seit seinem 15. Lebensjahr engagiert er sich für die sozialistische Partei und kandidierte im vergangenen Jahr bei den Parlamentswahlen.

Von 1996 bis 2006 leitete er sein eigenes Konzert- und Tour-Unternehmen. Er war unter anderem als Tourmanager für die deutsche Band Wir Sind Helden und die US-Gruppe Tito & Tarantula tätig.

Bevor Rech 2006 als Mitarbeiter für das Kulturamt der Stadt Düdelingen engagiert wurde, war et als Texter bei der Werbeagentur Comed tätig. 2007 wurde das Kulturzentrum „opderschmelz“ eröffnet, dessen Entstehung er von Anfang an als Mitarbeiter an Danielle Ignitis Seite begleitet.

John Rech ist darüber hinaus Vizepräsident des Verwaltungsrats des Export-Büros music:LX und gehörte der „commission consultative“ der Verwertungsgesellschaft Sacem an.

Neben seiner Arbeit ist Rech Musiker. Bei der Pop-Rockband T42 war er Leadsänger und Gitarrist. 1992 erschien das erste Album. Seit 1997 ist er außerdem mit seiner Band Dream Catcher unterwegs.

2009 begann Rech eine Zusammenarbeit mit dem freischaffenden Künstler und Illustrator Andy Genen, aus der ein Comic entstand, bei dem die dazugehörige Musik gleich per CD mitgeliefert wird.