Als es bei der Dexia in Brüssel im vergangenen Jahr um alles ging und den Regierungsvertretern von Frankreich, Belgien und Luxemburg klar wurde, dass die Bank nicht mehr zu retten war, nahm Finanzminister Luc Frieden sein Adress- und Telefonbüchlein zur Hand und telefonierte mit seinen Freunden in Katar. Die ließen sich nicht allzu lange bitten und erklärten sich bereit, die BIL zu kaufen. Es folgte ein stundenlanges Telefon-Checking der Bücher. Es erfolgte eine Prüfung vor Ort und es gab dann ein Memorandum, das einem Vertrag gleichkommt. Die BIL hatte einen neuen Großaktionär.
Allerdings zeigte sich bereits bei den Verhandlungen, dass in die BIL Luxemburg keine Wüstenkultur einzog, sondern kühle, ausgebuffte britische Verhandlungskultur. Katar ist zwar ein islamischer Staat, ein Staat mit absoluter Herrschaftsstruktur, ein Staat, dem die Trennung von Ämtern fremd ist wie auch Sozialversicherung und Frauenrechte, aber es ist auch ein Staat, in dem die Führungsschicht in der Regel ihre Ausbildung in Großbritannien erhält und die dort erlernten Business Rules anwendet.
Seit dem vergangenen Herbst herrscht Funkstille. Die Umsetzung des Verkaufes in Unterschriften unter einen Vertrag lässt auf sich warten. Die Bank wurde in den Verhandlungen von allen Risiken befreit. Sie ist für Käufer mehr als interessant geworden. Der Preis von 730 Millionen ist ein Geschenk, zu dem auch andere europäische Großbanken zugreifen könnten. Dennoch gibt es keinen Abschlusstermin. Katar lässt sich Zeit. Warum?
Ein deutlicher Machtanspruch
Und was wäre, wenn man den Verkauf der BIL mit einem anderen Katar-Geschäft in Luxemburg in Verbindung bringt, mit der Cargolux? Was wäre, wenn das Geschäft mit der BIL so lange hinausgezögert wird, bis die Cargolux sich unter der industriellen Führung der Katarer befindet?
Der Machtanspruch des Vorstandsvorsitzenden der Qatar Airways, Akbar Al Baker, ist deutlich. «Die Zeiten haben sich geändert, ihr Geschäftsmodell jedoch nicht. Wir wollen mehr Effizienz reinbringen und ihnen beim Rationalisieren helfen, indem wir sie an unsere Betriebskultur heranführen», hatte er zu Beginn der Woche in der Luftfahrt-Fachpresse ungeniert über die Cargolux verlauten lassen. Er hatte weiter gesagt, dass das Geschäftsmodell der Cargolux, 25 Jahre alt, überaltert ist und verändert werden muss. Akbar Al Baker ist fest entschlossen, bei Cargolux die Macht zu übernehmen.
Wollte man in den vergangenen Monaten erfahren, was bei Cargolux mit den neuen Flugzeugen geschah, musste man Akbar Al Baker verfolgen. Der plauderte in Pressekonferenzen in Seattle oder in Arabien ungeniert über die Cargolux, als ob er deren Chef wäre. Den Stopp der Verhandlungen mit Boeing erfuhr man über ihn. Das Auslieferungsdatum für die beiden ersten Boeing 747-8 verkündete er. Dabei erzählte er vor allem der US-Presse gerne und freimütig, dass das Management der Cargolux unfähig sei und seiner Hilfe bedürfe.
Täuschen wir uns dabei nicht: Al Baker redete über eine der weltweit besten und anerkanntesten Frachtflug-Gesellschaften. Während andere Gesellschaften in den drei vergangenen Logistik-Krisen Konkurs anmeldeten, wie etwa die Lufthansa-Tochter Jade, oder ihre Flugzeuge am Boden ließen, behauptete die Cargolux sich und zeigte im Boomjahr 2010, wie schnell sie sich auf die Konjunkturzyklen einstellen kann. Cargolux verfügt über ein bewährtes, stetig weiter entwickeltes Geschäftssystem, das die Fluggesellschaft sehr reaktiv auf Entwicklungen macht. Akbar Al Baker aber, der gerade ein Sammelsurium von Boeing 777 und Airbus 330 als Frachtflugzeuge zusammenkauft, und seiner eigenen Beteiligung an der Cargolux Konkurrent ist, macht nun der Welt klar, dass er 35 Prozent an einem Unternehmen gekauft hat, das vom Frachtfliegen keine Ahnung hat und dass er es retten muss. Noch einmal: Cargolux hat in der Welt einen exzellenten Ruf. In den USA ist zu Akbar Al Bakers Äußerungen zu lesen, dass Boeing Cargolux wohl nicht als Launching Partner für die 747-8 genommen hätte, wenn Boeing gewusst hätte, dass der Mann sich eines Tages im Verwaltungsrat der Cargolux wiederfinden würde.
Schauen wir nach Doha, Hauptstadt von Katar. Der Flughafen ist gigantisch. Die grauen Maschinen mit der Katar-Schrift reihen sich beeindruckend rund um die Terminals. Auf den Ankündigungstafeln findet sich die Welt wieder. Und neben den Terminals befinden sich riesige freie Flächen.
Ein erfolgreiches Geschäftsmodell
Die offizielle Delegation mit Minister Krecké und dem Erbgroßherzog ist in ihren Limousinen im vergangenen Dezember zügig in wenigen Minuten zu der Lufthansa-Nacht-Maschine Frankfurt gefahren. Der Flughafen-Bus mit den nicht-privilegierten Passagieren fährt gute zehn Minuten vom Terminal zur Außenposition. Doha verfügt über ein Flughafen-Areal, das in etwa dem Kirchberg entspricht. Das will gefüllt werden. Dazu braucht man Passagiere und dazu braucht man Fracht. Das Ziel ist klar: Doha soll zu einem Welt-Umschlagplatz werden.
Akbar Al Baker ist ein Sammler. Er kauft Flugzeuge und er sammelt Destinationen. Im Jahre 2011 hat er alle europäischen Hauptstädte in sein Programm aufgenommen. Dann hat er Uganda angeflogen und sich Afrika erschlossen. Im Iran wird er mit einer Flotte von A-320-Flugzeugen Staatscarrier. Akbar Al Baker, der nicht nur der Chef von Qatar Airways ist, sondern auch der des Flughafens von Doha, braucht die Cargolux, die aber in sein System gar nicht passt. Cargolux hat stets das interkontinentale System beim Fliegen vertreten. Cargolux hat klugerweise immer nur eine Flugzeugmarke und davon auch nur ein Modell geflogen, die Boeing 747. Das ist die Stärke von Cargolux.
Al Baker muss auf Kosten nicht achten. Der Kauf von Frachtflugzeugen unterschiedlicher Marken und Modelle mit gleichartigen Reichweiten macht keinen Sinn, weder für Qatar Airways noch für Cargolux. Al Baker hat seinen Machtanspruch bei der Cargolux von der ersten Minute an deutlich gemacht. Sein erstes Opfer war der Vorsitzende des Verwaltungsrates, Marc Hoffmann. Er wolle einen neutralen Vorsitzenden, verlangte er. Und die Aktionäre knickten ein. Hoffmann gab den Vorsitz auf. Albert Wildgen, Rechtsanwalt, Partner der Kanzlei Wildgen, übernahm ihn. Die Kanzlei Wildgen ist im vergangenen Jahr als «Islamic Law Firm of the year 2011» ausgezeichnet worden. Und auf der Internet-Seite der Kanzlei steht als Spezialität unter anderem «Islamic Finance» und «Aviation». Die Kanzlei Wildgen gehört zu den besten in Luxemburg. Nur: Erfüllt der Partner den Anspruch der Neutralität, den Al Baker formuliert hatte?
Qatar Airways besitzt 35 Prozent am Kapital der Cargolux, der Staat hält den Rest über die Strukturbank SNCI, über die Luxair und die Staatssparkasse. Welchen Einfluss Qatar Airways wirklich bekommt, hängt von der Regierung ab. Und die scheint nicht vorwärts zu kommen. Bei der Besetzung des Vorsitzenden des Verwaltungsrates hakt es. Ex-Luxemburg-Bürgermeister Helminger würde wohl gerne, aber das Dossier kommt nicht voran. Akbar Al Baker braucht die Cargolux in Katar und arbeitet zielstrebig daran, indem er den Ruf der Gesellschaft und des Managements zerstört.
Was aber bedeutet der zunehmende Einfluss der Katarer für Cargolux?
Zunächst – wie angekündigt – die Zerstörung eines erfolgreichen Geschäftsmodells. Möglicherweise eine Veränderung der Flotte. Darauf läuft der Ankauf der eigenen Qatar-Airways- Frachtflotte hinaus. Wird Luxemburg möglicherweise eines Tages seine Flugzeuge im Pool der Qatar Airways kaufen? Eine Verlagerung von Flugzeugen nach Arabien scheint möglich.
Jeder einzelne Punkt wäre eine Katastrophe für den Standort Luxemburg, für die Beschäftigten und für die Cargolux. Die Frage ist, ob die Regierung, die die Mehrheit besitzt, sich den Wünschen der Katarer beugt und damit ein Fleuron der Luxemburger Wirtschaft in Gefahr bringt. Die Frage ist auch, wie es mit der politischen Stabilität in Arabien aussieht. Die absolutistischen Systeme wackeln alle seit dem tunesischen Frühling. In Bahrain eilte Saudi-Arabien dem Fürsten mit Militär zur Hilfe, das gegen die Bevölkerung eingesetzt wurde. Sollte eines Tages das System in Saudi-Arabien wackeln, dann wackeln alle auf der arabischen Halbinsel. Was ist dann mit Cargolux?
Das strategische Spiel der Katarer
Cargolux ist für die USA ein strategisch wichtiger Partner. Das Auftragsvolumen für die neue 747-8 liegt mittlerweile bei fünf Milliarden US-Dollar. Was geschieht, wenn Qatar Airways die Order verändern möchte? Cargolux ist Aushängeschild für den Super-Fracht-Jumbo und sichert mit seinem Auftrag Tausende von Arbeitsplätzen in der 747-Produktion. Will Luxemburg eine Eiszeit in den Beziehungen zu den USA? Cargolux hat für Katar einen höheren strategischen Wert als eine Bank namens BIL. Die BIL soll warten, bis die eigentlichen Interessen geregelt sind, könnte die wirkliche Strategie sein. Erkannt hat dieses strategische Spiel der OGBL.
Seine Klageandrohung, sein Druck zu mehr Transparenz scheinen derzeit die einzige Sicherheit für die Fluggesellschaft Cargolux zu sein. Die spontane Zusage der Katarer zum Kauf der Dexia könnte sich zu einer riesigen, langfristigen Falle für Luxemburg entwickelt haben.
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