Die Brille, die der neue Chef trägt, erinnert an die von Harry Potter, ein wenig aus der Mode, aber passend zum Typ. Und wenn man genauer hinschaut, dann könnte Harry Potter mit 50 so aussehen wie Jean-Laurent Bonnafé, der seit dem 1. Dezember 2011 Chef der größten Bank Europas ist.
Jean-Laurent Bonnafé kann man als Pokerface bezeichnen. Auf Anhieb wird nicht deutlich, was er denkt, es ist zumindest nicht immer erkennbar. Wer genauer hinschaut, der findet von Zeit zu Zeit ein kleines Lächeln in den Mundwinkeln. Dann etwa, wenn sein Vorgänger und Mentor Baudouin Prot nach einer nicht erwarteten Frage in einer Pressekonferenz zu einem Wortschwall ansetzt, oder wenn ihm eine Frage interessant erscheint.
Ausbildung zum Ingenieur
Oder auch, wenn er, wie im Mai, vor die Aktionäre tritt, um seine erste Rede als designierter neuer Vorstandsvorsitzender zu halten. Jean-Laurent Bonnafé dankt damals allen, die ihm das Bankgewerbe beigebracht haben und schaut ironisch zurück und amüsiert sich über die Financial Times, die 18 Jahre zuvor ihrerseits ironisierte, dass die Ausbildung zum Ingenieur ihn nicht unbedingt dazu befähige, ein Bankier zu werden.
Bonnafé, der an jenem Tag im Mai aus dem Schatten zweier bedeutender Männer des französischen Bankwesens tritt, hatte da der britischen Zeitungsikone längst gezeigt, welche Fähigkeiten er als Ingenieur in das Bankgewerbe einbrachte. Er war zum Strategen der Bank hinter Michel Pébereau und Baudoin Prot geworden. Michel Péberau war in Frankreich zum Zauderer erklärt worden, der es nicht wagte, seine Bank zu vergrößern, der sich Chancen entgehen ließ. Und dann kam der große Auftritt: Als die Société Générale die Paribas übernehmen wollte, schlug die BNP zu und lud zur Börsenschlacht ein: Sie machte ein Übernahmeangebot sowohl für die Paribas als auch für die Société Générale. Der Mann im Hintergrund, der die Fäden zog, war niemand anderer als der Ingenieur Jean-Laurent Bonnafé. Das Geschäft gelang nicht ganz. Die Banque de France entschied am Ende, dass BNP die Paribas übernehmen durfte, aber nicht die Société Générale. Das soll irgendwie als Wunde geblieben sein.
«Coup de Maître»
Aber der Stratege konnte andere Möglichkeiten nutzen. Bei der Übernahme des BNL in Italien tat er sich hervor. Und den «Coup de Maître» erzielte er zusammen mit seinem neuen Chef, Baudoin Prot. Die Fortis hatte sich freiwillig zur Übernahme angeboten. Es dauerte lange und brauchte Nerven, aber am Ende gab es die Fortis BNP Paribas in Belgien und die BGL BNP Paribas in Luxemburg. Und nun?
Jean-Laurent Bonnafé wirkt immer ein wenig schüchtern, wenn er bei Veranstaltungen durch die Menge läuft. Beim Pressetreff seiner Bank im September vergangenen Jahres steht er einfach da. Wer mit ihm über Europa diskutiert und die Deutschen, der bekommt die kühle Analyse mit, zu der Bonnafé fähig ist. Das sei doch kein Problem, sagt er. Die Kanzlerin habe doch die Unterstützung der Opposition in allen wichtigen Fragen. Bonnafé hat die Fähigkeit, kompliziert erscheinende Probleme und Situationen auf ihren Kern zu reduzieren und so die Lösung erkennen zu lassen.
Nicht vergrößern, retten
Der Mann allerdings, der bisher darauf geeicht war, die BNP Paribas zu vergrößern, muss nun völlig andere Wege gehen. Bonnafé schaut seit langem auf den deutschen Markt. Er will seine Bank bei den deutschen mittelständischen Unternehmen positionieren. Die Übernahme der konkursreifen IKB Mittelstandsbank, die ein Opfer der Finanzkrise von 2008 geworden war, schien die beste Lösung für den deutschen Markt. Die BNP Paribas hat diesen Gedanken fallen lassen.
Jean-Laurent Bonnafé hat seit dem 1. Dezember andere Sorgen. Er muss seine Bank retten. Die BNP Paribas ist ein großer Player im Geschäft mit Staatsanleihen insbesondere von Mittelmeerländern. Im dritten Quartal brach wegen der Wertberichtigungen dieser Anleihen der Gewinn der Bank um 72 Prozent ein. Die Bank, die eine Bilanzsumme von 2.000 Milliarden Euro aufweist, muss nun ihre Bilanz um zehn Prozent reduzieren.
Wie geht Bonnafé damit um? Der Mann neigt nicht zur Übertreibung. «Es ist eine spannende Zeit», sagt er. «Wir leben in einer neuen Situation». Ingenieure haben ihre eigene sachlich trockene Art der Analyse. Und sind möglicherweise auch gute Bankiers.
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