Wenn nicht alles täuscht, wird die Tour de France 2021 wie ihre Vorgängerin zu einer slowenischen Angelegenheit. Tadej Pogacar, 22 Jahre jung und Tour-Gewinner 2020, sowie sein neun Jahre älterer Landsmann Primoz Roglic gehen mit den besten Siegchancen in das größte Radrennen der Welt, bei dem aus unterschiedlichen Ursachen u.a. der kolumbianische Giro-Sieger Egan Bernal, die Franzosen Thibaut Pinot und Romain Bardet, der belgische Wunderknabe Remco Evenepoel, der italienische Zeitfahr-Weltmeister Filippo Ganna und der Holländer Tom Dumoulin fehlen.
Für Roglic, der letztes Jahr bis 4 km vor dem Ziel auf der vorletzten Zeitfahr-Etappe in „La Planche des Belles Filles“ wie der mögliche Sieger aussah, gilt es, Revanche zu nehmen. Der Jumbo-Visma-Leader, der sich nach Liège-Bastogne-Liège (25. April) zurückzog, um die Tour vorzubereiten, hat 2021 erst 17 Renntage in den Beinen (u.a. Sieg in der Baskenland-Rundfahrt), während sein Rivale Tadej Pogacar immerhin schon an 29 Tagen offiziell im Sattel saß. Er gewann die UAE-Tour, Tirreno-Adriatico, Liège-Bastogne-Liège und die Slowenien-Rundfahrt, sodass er in der Jahreswertung der besten Rennfahrer auf Platz 1 rangiert.
Noch fünf Fahrer von 2008
Wegen Covid-19 musste der „Grand départ“, der in Kopenhagen stattfinden sollte, verschoben werden. Weil die Fußball-EM um 12 Monate ins Jahr 2021 verlegt wurde, hätte die dänische Hauptstadt in diesem Sommer als EM-Spielort und Tour-Gastgeber gleich zwei Top-Events beherbergen müssen, wozu sie sich nicht in der Lage wähnte.
Unsere Favoriten
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Primoz Roglic
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Pogacar
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Lopez, Carapaz, Thomas, Quintana, Fuglsang
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Geoghegan Hart, Porte, Mas, Kruijswijk, Kelderman, Buchmann, Uran
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Alaphilippe, Yates, Mollema, Valverde, Hirschi, Majka, Froome, Nibali, Soler, Henao, Van der Poel, Van Aert, Barguil, Gaudu, Martin
Der „Grand départ“ von Kopenhagen kann also erst 2022 Wirklichkeit werden. Als Ersatz sprang Brest (Département Finistère) in die Bresche, das im Nordosten des Landes in einer weit ins Innere reichenden Bucht liegt und 140.000 Einwohner zählt. Hier schlug die Tour ihre Zelte („Permanence“, Pressezentrum) Anfang der Woche im „Parc des Expositions“ auf.
Brest ist nach 1952, 1974 und 2008 zum vierten Mal Startort der Rundfahrt. Fünf Fahrer, die 2008 dabei waren, nehmen auch 13 Jahre später teil: Alejandro Valverde und Philippe Gilbert, 1. und 2. der 1. Etappe, die in Plumelec endete, Mark Cavendish, der seinen ersten von insgesamt 30 Etappensiegen ein paar Tage später in Châteauroux feierte, Vincenzo Nibali („Maillot blanc“ von der 12.-15. Etappe) und der damals unbekannte Chris Froome (84. im Schlussklassement).
Die Mannschaftsvorstellung ging am Donnerstagabend auf der place de la Liberté gegenüber dem Rathaus über die Bühne, die erste Etappe führt nach Landerneau, wo E. Leclerc, der Gründer der gleichnamigen Supermarktkette, die das „Maillot à pois“ sponsert, geboren wurde. Die Ankunft findet auf der „Côte de la Fosse aux loups“ (3 km lang, 5,7% steil) statt, ein Ziel, das wie gemacht für Weltmeister Julien Alaphilippe scheint.
Gleich vier Tage wird die Tour durch die Bretagne rollen, mit u.a. einer Ankunft in Mûr-de-Bretagne (schon die vierte nach 2011, 2015 und 2018), danach ist ein Einzelzeitfahren über 27 km zwischen Changé und Laval vorgesehen. Die Tour fährt weiter im Uhrzeigersinn durch Frankeich, es geht ostwärts über Châteauroux und Le Creusot Richtung Alpen, wo die Veranstalter in Tignes eine Schuld abzutragen haben.
Zweimal über den Ventoux
Wir erinnern uns: Im Juli 2019 wurde die Rundfahrt zwischen Saint-Jean-de-Maurienne und Tignes von einem Unwetter mit Hagel, Schnee und Schlammlawinen überrascht, sodass die Etappe unterbrochen werden musste und die Fahrer nie am Zielort eintrafen. Tignes erhält am Sonntag, dem 4. Juli 2021, Wiedergutmachung. Montags (5. Juli) ist dort in über 2.100 m Höhe auch der erste Ruhetag vorgesehen.
Nach den Alpen wartet am Mittwoch, dem 7. Juli, in der Provence mit dem Mont Ventoux (1.910 m) ein weiterer Höhepunkt auf die Konkurrenten. Der Berg wird gleich zweimal befahren. Zuerst geht es über 22 km (Schnitt 5%) von Sault auf den Gipfel, dann talwärts nach Malaucène und via Bedoin wieder 15,7 km den Berg hoch.
Der zweite Anstieg (Schnitt 8,8%) ist identisch mit demjenigen vom 13. Juli 1958, als Charly Gaul beim Zeitfahren zum Scheitel des „Géant de Provence“ mit 31 Sekunden Vorsprung auf den Spanier Federico Bahamontes gewann. Bei seinem Husarenritt fing Gaul neben den vor ihm gestarteten Franzosen Louison Bobet und Jean Bergaud auch den Belgier Jean Adriaenssens ein und ließ sie in der drückenden Hitze stehen.
Wegen Arbeiten auf dem „kahlen Riesen“ findet die Ankunft diesmal nicht oben statt, sondern 22 km weiter unten im Tal in Malaucène. Wer allerdings auf dem Gipfel allein mit Vorsprung passiert, hat gute Chancen, nicht mehr eingefangen zu werden.
Das Dach der Tour
Über Valence zieht die Karawane südwärts nach Nîmes, von dort nach Carcassonne und weiter in die Pyrenäen. Eine ganze Woche wird die Tour 2021 in der Region Occitanie verweilen, zwischendurch aber neben einer Etappenankunft auch einen Ruhetag in Andorra einlegen. Vor dieser Pause im kleinen Fürstentum muss sonntags (11. Juli) u.a. der Port d’Envalira, mit 2.408 m das Dach der Tour, bezwungen werden.
Die Entscheidung über den Schlusserfolg wird möglicherweise in den Pyrenäen fallen. Am 14. Juli, dem französischen Nationalfeiertag, müssen die Fahrer den Col de Peyresourde, den Col de Val-Louron-Azet und den Col du Portet hoch (16 km lang, 8,7% steil, Ziel auf 2.215 m), tags darauf folgt eine zweite Bergankunft in Luz-Ardiden. Auf dieser Teilstrecke steht auch der legendäre Col du Tourmalet (17,1 km lang, 7,3% steil, 2.115 m hoch) auf dem Fahrplan.
Ehe es Richtung Schlussetappe in die Pariser Region geht, wird am Vortag der Ankunft auf den Champs-Elysées noch ein Einzelzeitfahren über 31 km von Libourne nach Saint-Emilion stattfinden. Eine letzte Gelegenheit für die Anwärter auf den Gesamtsieg, um alles klarzumachen.
Der Etappenplan
1. Etappe (Samstag, 26. Juni): Brest – Landerneau, 197,8 km (hügelig)
2. Etappe (Sonntag, 27. Juni): Perros-Guirec – Mur-de-Bretagne, 183,5 km (hügelig)
3. Etappe (Montag, 28. Juni): Lorient – Pontivy, 182,7 km (flach)
4. Etappe (Dienstag, 29. Juni): Redon – Fougeres, 150,4 km (flach)
5. Etappe (Mittwoch, 30. Juni): Change – Laval, 27,2 km (Einzelzeitfahren)
6. Etappe (Donnerstag, 1. Juli): Tours – Chateauroux, 160,6 km (flach)
7. Etappe (Freitag, 2. Juli): Vierzon – Le Creusot, 249,1 km (hügelig)
8. Etappe: (Samstag, 3. Juli): Oyonnax – Le Grand-Bornand, 150,8 km (Hochgebirge)
9. Etappe: (Sonntag, 4. Juli): Cluses – Tignes, 144,9 km (Hochgebirge)
Ruhetag in Tignes (Montag, 5. Juli)
10. Etappe: (Dienstag, 6. Juli): Albertville – Valence, 190,7 km (flach)
11. Etappe: (Mittwoch, 7. Juli): Sorgues – Malaucene, 198,9 km (Hochgebirge)
12. Etappe: (Donnerstag, 8. Juli): Saint-Paul-Trois-Chateaux – Nimes, 159,4 km (flach)
13. Etappe: (Freitag, 9. Juli): Nimes – Carcassonne, 219,9 km (flach)
14. Etappe: (Samstag, 10. Juli): Carcassonne – Quillan, 183,7 km (hügelig)
15. Etappe: (Sonntag, 11. Juli): Ceret – Andorra-la-Vieille, 191,3 km (Hochgebirge)
2. Ruhetag (Montag, 12. Juli) in Andorra
16. Etappe: (Dienstag, 13. Juli): Pas de la Case – Saint-Gaudens, 169 km (hügelig)
17. Etappe: (Mittwoch, 14. Juli): Muret – Col du Portet, 178,4 km (Hochgebirge)
18. Etappe: (Donnerstag, 15. Juli): Pau – Luz-Ardiden, 129,7 km (Hochgebirge)
19. Etappe: (Freitag, 16. Juli): Mourenx – Libourne, 207,0 km (flach)
20. Etappe: (Samstag, 17. Juli): Libourne – Saint-Emilion, 30,8 km (Einzelzeitfahren)
21. Etappe: (Sonntag, 18. Juli): Chatou – Paris Champs-Elysees, 108,4 km (flach)
Gesamtlänge: 3.383 km
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