Christine Majerus gehört nicht zu den Zeitfahrspezialistinnen im Peloton. Demnach wusste sie, dass sie einen schweren Stand haben würde. „Da muss man sich realistisch einschätzen können“, hat die Luxemburgerin sowohl vor als auch nach dem Rennen mit Start und Ziel auf dem Fuji Speedway wiederholt.
Als 21. unter 25 Starterinnen hatte die Luxemburgerin am Ende einen Rückstand von 4:20 Minuten auf Siegerin Annemiek van Vleuten, die für die 22,1 km mit Start und Ziel auf dem Fuji Speedway 30:13 Minuten benötigte. Zufrieden mit ihrem Rennen war Majerus im Anschluss nicht ganz. „Ich bin etwas enttäuscht“, so die erste Reaktion nach dem Zeitfahren.
Zuvor war das eingetreten, was Majerus die ganze Zeit befürchtet hatte: Die Hitze machte ihr im ersten Anstieg zu schaffen. „Der Körper überhitzte, dadurch konnte ich anschließend meine Leistung nicht mehr abrufen.“ Dabei hatte es am Dienstag noch geregnet und die Temperatur fiel auf rund 20 Grad. „Im Training fühlte ich mich richtig gut, die Form ist also da.“ Am Mittwoch stieg das Quecksilber aber wieder auf rund 30 Grad Celsius, und das bei einer hohen Luftfeuchtigkeit. „Wenn die Luft steht, steh ich auch“, meinte Majerus, die ihren Humor nach dem Zeitfahren nicht verloren hat.
Fokus lag auf Straßenrennen
Ihr Hauptaugenmerk bei Olympia lag auf dem Straßenrennen. „Ich bin jetzt umso glücklicher, dass ich es dort trotz der Hitze geschafft habe, ein gutes Rennen abzuliefern.“ Im Straßenrennen war Majerus 20. geworden und hat dabei ein starkes Rennen gezeigt. Ihr Start beim Zeitfahren war eine Sache des Respekts. Sie hatte den Startplatz für Luxemburg geholt und damit war es selbstverständlich, dass sie startet, auch wenn eine gute Platzierung von vornherein so gut wie ausgeschlossen war.
Allgemein waren es für Majerus Spiele mit einem komischen Gefühl. „Durch die ganzen Corona-Maßnahmen war der Austausch zwischen Sportarten und Kulturen ohnehin eingeschränkt. Da wir Radsportler auch noch in Fuji untergebracht waren und nicht im Olympischen Dorf, kam bei uns schon gar kein Olympia-Feeling auf.“ Deshalb ging es nach dem Zeitfahren mit dem Auto in Richtung Tokio ins Olympisches Dorf, um wenigstens für ein paar Stunden das Gefühl von Olympia aufzusaugen, bevor es am Donnerstag wieder Richtung Europa geht.
Dort warten dann auch schon gleich die nächsten Rennen auf Majerus, die ab dem 12. August bei der Tour of Norway starten wird. Dort stehen die Chancen gut, dass die Witterungsbedingungen der Luxemburgerin eher entgegenkommen.
Gold für Van Vleuten und Roglic
Für die Niederlande wurde das Zeitfahren ein wenig zur Wiedergutmachung nach der Blamage beim Straßenrennen, als sich Van Vleuten beim Überqueren der Ziellinie über die Goldmedaille freute und dabei nur Silber geholt hatte. Sie und ihr Team hatten die Österreicherin Anna Kiesenhofer, die zu dem Zeitpunkt bereits im Ziel war, an der Spitze des Rennens „vergessen“.
Silber im Zeitfahren holte die Schweizerin Marlen Reusser (+56 Sekunden), Bronze ging an Van Vleutens Landsfrau Anna van der Breggen (+1:02 Minuten). Bei den Männern behauptete sich der Slowene Primoz Roglic. Er legte die 44,2 km in 55:04 Minuten zurück und war damit ganze 1:01 Minuten schneller als der Holländer Tom Dumoulin, der sich Silber sicherte. Bronze ging an den Australier Rohan Dennis (+1:04).
Positive Bilanz
Der Technische Direktor des nationalen Radsportverbandes, Christian Helmig, zog eine durchaus positive Bilanz der Olympischen Spiele. Im Zeitfahren sei Christine Majerus zwar etwas hinter den Erwartungen zurückgeblieben, dafür habe sie im Straßenrennen eine sehr starke Vorstellung geboten. „Sie ist ein unglaublich cleveres Rennen gefahren“, so Helmig. Mit der Leistung von Kevin Geniets und Michel Ries war er ebenfalls zufrieden. „Sie haben sich insgesamt gut geschlagen, auch wenn ein 37. Platz nicht der Rang ist, den wir langfristig erzielen wollen. Aber Michel und Kevin sind noch jung.“
Organisatorisch waren die Spiele eine enorme Herausforderung. „Die Situation war durch die Corona-Maßnahmen nicht einfach und die Japaner haben nicht gerade viel Flexibilität an den Tag gelegt, was uns das Leben manchmal etwas erschwerte“, so Helmig. Am Ende habe alles geklappt. Helmig hebt die gute Zusammenarbeit zwischen FSCL und COSL hervor, was der Garant für eine optimale Vorbereitung gewesen sei. Am Ende habe auch vor Ort mit den Organisatoren alles geklappt, auch wenn der Staff nicht viel Schlaf bekommen hat. „Die wichtigen Dinge haben geklappt. Wir haben unsere Fahrer an den Start bekommen und im Ziel wieder abholen können“, so ein erleichterter Technischer Direktor. cs
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