Jonas Vingegaard fiel fast vom Podium, als er einem Fan mit Wikinger-Mütze schwungvoll den Blumenstrauß der Siegerzeremonie zuwarf. Locker und gelöst zelebrierte der Däne im Gelben Trikot seinen (fast) perfekten zweiten Gesamtsieg bei der Tour de France – der kleine Nadelstich im längst entschiedenen Duell mit seinem Rivalen Tadej Pogacar war angesichts der bevorstehenden Triumphfahrt nach Paris leicht zu verkraften.
Nach drei Wochen voller Strapazen, Stress und Spektakel wird Vingegaard am Sonntag wie im Vorjahr als Gesamtsieger der Frankreich-Rundfahrt auf die Champs Elysees einbiegen. Sein Vorsprung auf den zweitplatzierten Pogacar beträgt 7:29 Minuten. „Der zweite Sieg bei der Tour de France ist fantastisch. Ich kann es fast nicht glauben. Es war ein verrückter Kampf über drei Wochen“, sagte Vingegaard, der in Gelb auf der „Tour d’honneur“ traditionell nicht mehr attackiert wird.
Am Samstag war der Nichtangriffspakt noch nicht in Kraft – und Pogacar nutzte die Gelegenheit. Mit seinem zweiten Etappensieg bei der Tour 2023 rehabilitierte sich der Slowene etwas für den brutalen Einbruch in den Alpen, der ihn alle Chancen auf den dritten Tour-Triumph gekostet hatte.
„Nach einigen Tagen, an denen ich gelitten habe, war ich endlich wieder ich selbst. Ich bin super glücklich“, sagte Pogacar. Im Ziel der 20. und vorletzten Etappe über 133,5 km und sechs Bergwertungen nach Le Markstein in den Vogesen war er Vingegaard im direkten Duell davongesprintet. „Jetzt können wir gerne weiterfahren“, sagte Pogacar im Scherz.
Seit Samstag sind die Entscheidungen jedoch gefallen. Das Bergtrikot sicherte sich der Italiener Giulio Ciccone. Der 28-Jährige vom Team Lidl-Trek sammelte in einer Fluchtgruppe die letzten benötigten Zähler für den Gewinn der Sonderwertung des besten Bergfahrers.
Den Kampf um den dritten Platz auf dem Podium entschied Pogacars Teamkollege Adam Yates (+ 10:56) für sich. Der Brite, der den Auftakt in Bilbao gewonnen hatte und zwischenzeitlich in Gelb fuhr, erzielte mit Rang drei hinter Vingegaard und Pogacar sein bestes Gesamtergebnis bei der Frankreich-Rundfahrt.
Abschied von Pinot
Die Franzosen nahmen Abschied von Publikumsliebling Thibaut Pinot. Bereits in der Nacht zu Samstag feierten Fans an den Anstiegen den 33-Jährigen mit Sprechchören und Bengalos, vor dem Etappenstart vergoss FDJ-Teamchef Marc Madiot in einem Interview Tränen. Der frühere Tour-Dritte Pinot beendet am Saisonende seine Karriere.
Auf seiner letzten Bergetappe bei der Großen Schleife war er in seiner Heimatregion einer der Ausreißer. Pinot attackierte am vorletzten Berg Petit Ballon und wurde als Solist vom frenetischen Jubel der Fans getragen. Der Etappensieg und das filmreife Ende seiner Tour-Karriere war ihm aber nicht vergönnt.
Einen entscheidenden Anteil daran hatte das Hauptfeld der Favoriten um Vingegaard und Pogacar, das den Rückstand zur Spitzengruppe kontrollierte. Auf dem finalen Anstieg Col du Platzerwasel kam es zum Zusammenschluss der stark verkleinerten Gruppe mit Pinot. Pogacar hatte zuvor noch einmal attackiert, wie so oft im bisherigen Tour-Verlauf schüttelte der Slowene seinen Rivalen Vingegaard aber nicht ab. Pogacar lauerte auf seine Chance im finalen Sprint und nutzte sie.
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