Mathieu Van der Poel verspürte das gute Gefühl der Genugtuung, als sich das Regenbogentrikot auf seinen Schultern über körperliche und unsichtbare Wunden legte. Auf dem Weg zum WM-Titel bei der Rad-WM in Glasgow hatte der niederländische Star-Fahrer mit einem Super-Solo nicht nur den schmerzhaften Folgen eines späten Sturzes getrotzt. Van der Poel bewältigte mit dem größten Erfolg seiner Karriere auch sein WM-Trauma des Vorjahres.
„Es ist ein bisschen eine Revanche für das letzte Jahr“, sagte Van der Poel. Schließlich war schon 2022 in Wollongong der Sieg im WM-Straßenrennen geplant gewesen. Das Unterfangen endete auf einer australischen Polizeiwache – lärmende Teenager hatten seine Nachtruhe gestört. Der Streit eskalierte. Die Vorbereitung war nachhaltig gestört. Van der Poel gab nach 30 km übermüdet auf.
In Glasgow lief nun alles nach Plan. Der amtierende Cross-Weltmeister stürmte am Sonntag nach 271,1 intensiven Kilometern zum Titel – 49 Jahre nach der Vize-Weltmeisterschaft seines 2019 verstorbenen Großvaters Raymond Poulidor. Van der Poel ist der erste niederländische Straßenweltmeister seit Joop Zoetemelk (1985).
Van der Poel stürzt
„Es bedeutet mir alles. Das war eines meiner großen Ziele und komplettiert meine Karriere“, sagte Van der Poel: „Das war mein wichtigster Sieg. Ich kann es kaum erwarten, für ein Jahr im Regenbogentrikot zu fahren.“
Van der Poel, in der laufenden Saison bereits Sieger der Klassiker Mailand-Sanremo und Paris-Roubaix, verwies seinen Dauerrivalen Wout van Aert (Belgien/+1:37 Minuten) und den Tour-Zweiten Tadej Pogacar (Slowenien/+1:45) auf die Plätze. Im Finale war Van der Poel auf dem regennassen Asphalt gestürzt. Trotz Schürfwunden am Oberkörper und dem rechten Knie setzte er die Siegfahrt aber fort. „Für einen Moment dachte ich, dass es vorbei ist“, sagte er.
Die vier Luxemburger hatten mit dem Rennen wenig zu tun. Cédric Pries, Tom Wirtgen, Alex Kirsch und Kevin Geniets beendeten allesamt das Rennen vorzeitig. Insgesamt fuhren nur 51 Radsportler bis ins Ziel.
Einstündige Rennpause
Frei von Störungen war Van der Poels Triumph dennoch nicht. Nach dem Start in Edinburgh konnten die Fahrer die malerische schottische Landschaft länger als geplant genießen. Ein Klebe-Protest von Umweltaktivisten sorgte nach etwas mehr als 90 Minuten für eine unfreiwillige und fast einstündige Zwangspause. Der französische Ex-Weltmeister Julian Alaphilippe posierte in der Zwischenzeit für ein Selfie, Van der Poel hielt Small Talk, andere Fahrer nahmen in Begleitautos Platz. Fünf Personen wurden festgenommen.
Trotz kalter Muskeln setzte sich das Feld nach der Freigabe mit hohem Tempo wieder in Bewegung und erreichte nach rund 120 Kilometern den kniffligen Stadtkurs in Glasgow, der die Fahrer vor große Herausforderungen stellte. Die 14,3 Kilometer lange Runde, die zehnmal absolviert werden musste, war äußerst kurvenreich und verlangte mit mehreren giftigen Anstiegen Kraft und taktisches Gespür.
Schnell brach Hektik aus, auch wenn der befürchtete Regen erst im Finale einsetzte. Das Fehlen des gewohnten Teamfunks sorgte für zusätzlichen Stress. Das Tempo war hoch – und forderte früh prominente Opfer.
Es entwickelte sich ein schonungsloses Ausscheidungsfahren. Van der Poel, Van Aert, Titelverteidiger Remco Evenepoel, Pogacar – die Stars attackierten einander weit vor dem Ziel. Evenepoel verabschiedete sich vorzeitig aus dem Rennen um den Sieg. Der regennasse Asphalt erhöhte das Risiko auf den letzten Runden – und selbst Spezialisten wie Van der Poel gerieten in Schwierigkeiten.
Im Überblick
Männer (271,1 km) von Edinburgh nach Glasgow:
Gold: Mathieu Van der Poel (Niederlande) 6:07:27 Stunden
Silber: Wout van Aert (Belgien) 1:37 Minuten zurück
Bronze: Tadej Pogacar (Slowenien) 1:45
4. Mads Pedersen (Dänemark) gleiche Zeit, 5. Stefan Küng (Schweiz) 3:48, 6. Jasper Stuyven (Belgien), 7. Matthew Dinham (Asutralien), 8. Toms Skujins (Lettland) alle gleiche Zeit, 9. Tiesj Benoot (Belgien), 10. Alberto Bettiol (Italien) 4:03
DNF: Cédric Pries, Tom Wirtgen, Alex Kirsch, Kevin Geniets (alle Luxemburg)
Junioren: Albert Withen Philipsen, kein Luxemburger im Ziel
Das WM-Straßenrennen der Junioren konnte am Samstag der Däne Albert Withen Philipsen für sich entscheiden. Mit 1:19 Minuten Vorsprung setzte er sich vor dem Deutschen Paul Fietzke und dem Norweger Felix Ørn-Kristoff durch. Mit Oliver Korva, Mats Berns und Fynn Ury waren auch drei FSCL-Radsportler an den Start gegangen. Alle drei fuhren nicht über den Zielstrich.
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