An der wolkenverhangenen Laguna Negra war der Sprint der Favoriten längst entschieden, als Chris Froome der bittere Sturz in die Mittelmäßigkeit abermals vor Augen geführt wurde. Ein Duell mit Primoz Roglic (Jumbo-Visma) um das Rote Trikot? Unmöglich. Ein Etappensieg bei einer Bergankunft? Aussichtslos. Durchnässt und abgeschlagen erreichte der viermalige Tour-Sieger am Donnerstag das Ziel der dritten Vuelta-Etappe – 7:04 Minuten hinter der Gruppe um Tagessieger Daniel Martin und Roglic.
Über Jahre hat Froome die Szene dominiert. Über Jahre war er der Mann, den es bei den großen Landesrundfahrten zu schlagen galt. Insgesamt sieben Triumphe bei Tour, Giro und Vuelta stehen in seinem Palmares. Und nun? 37:45 Minuten Rückstand in den Gesamtwertung nach Tag vier, Platz 77, noch weiter hinter dem luxemburgischen Vuelta-Debütanten Michel Ries (Trek-Segafredo), der nach der gestrigen Etappe mit 29:31 Minuten Rückstand den 51. Platz belegt.
Trotzdem ist Froome nicht unzufrieden. „Alles in allem fühle ich mich gut“, hatte der Brite schon nach dem Auftakt am Dienstag gesagt, als er über elf Minuten auf die Besten eingebüßt hatte: „Ganz generell bin ich mit dem Gefühl in den Beinen zufrieden. Ich weiß, dass dies der Weg ist, den ich in den nächsten Wochen gehen muss, um wieder mein Top-Level zu erreichen.“
Trostpflaster Vuelta
Doch kann er das überhaupt noch? Seit dem 25. Mai 2018 hat Froome keinen Tageserfolg mehr gefeiert. Die Vuelta ist seine erste große Landesrundfahrt seit über zwei Jahren. Ein Horror-Sturz im Juni 2019 kostete ihn beinahe die Karriere, bedingt durch eine lange Reha verlor er Form und Führungsrolle beim Star-Team Ineos, im August reichte es nicht einmal mehr für den Sprung ins Tour-Aufgebot.
Die Vuelta ist sein Trostpflaster. Mehr als ein dreiwöchiges Intensivtraining unter Rennbedingungen wird das Rennen für ihn aber wohl nicht, seine Leistungen sind vor diesem Hintergrund zu bewerten. In seinem Team ist er nun als Helfer für Richard Carapaz aus Ecuador gefragt.
Froome erkennt seine Rolle an. Seinem Selbstverständnis entspricht sie nicht. Froome hat die Tour de France viermal gewonnen, zuletzt 2017. Er jagt dem fünften Sieg hinterher, der ihn auf eine Stufe mit den Rekordsiegern Anquetil, Merckx, Hinault und Indurain stellen würde.
Neuer Angriff bei Israel Start-Up Nation
Froome wagt den Angriff auf Gelb ab 2021 beim Team Israel Start-Up Nation, dem er sich für unbestätigte fünf Jahre angeschlossen hat. Für Mäzen Sylvan Adams ist es ein Investment mit hohem Risikopotenzial. Froome wird bei der Tour 2021 bereits 36 Jahre alt sein. In diesem Alter gewann die Tour nur der Belgier Firmin Lambot – 1922.
Lambot wird sich diesen Rekord mutmaßlich nicht teilen müssen – ebenso wenig wie Merckx und Co. Froomes Weg zurück zu alter Stärke bleibt steinig, seinem künftigen Team fehlt die Qualität in der Breite, zudem ist der Generationenwechsel im Radsport längst eingeleitet. Der amtierende Tour-Sieger heißt Tadej Pogacar – und ist erst 22.
Die erste Sprintankunft konnte gestern Sam Bennett (Deceuninck-Quick Step) für sich entscheiden. Der Ire setzte sich vor Jasper Phlipsen (UAE) und Jakub Mareczko (CCC) durch. Die 184,4 km lange fünfte Etappe am heutigen Samstag führt wieder über hügeliges Terrain. Auf der sechsten Etappe morgen fällt das mit Spannung erwartete Finale am Col du Tourmalet aufgrund von Restriktionen der französischen Behörden aus. Auch der Col d’Aubisque wird nicht befahren. Die neue Route führt über 146,4 km von Biescas nach Aramon Formigal. (SID/pg)
" Nur noch Mittelmass". Froome ist zu bewundern für seinen Teamgeist . Wer so kämpfen kann, ist ein wahrer Champion. Er wird zurückkommen. Totgesagte leben länger!