Tageblatt: Claire Faber, das letzte Jahr war maßgeblich von der Corona-Krise geprägt. Konnten Sie dennoch einige Rennen bestreiten?
Claire Faber: Im vergangenen Jahr wurden praktisch keine Bahn-Wettbewerbe organisiert, da diese im Inneren stattfinden. Es war auch nicht einfach, auf einer Bahn zu trainieren. Ich bin nur die paar Rennen auf der Straße gefahren, die Ende letzter Saison noch stattfinden konnten.
Sie fahren ab dieser Saison für die luxemburgische Kontinentalmannschaft Andy Schleck-CP NVST-Immo Losch. Für welches Team sind Sie „bahntechnisch“ unterwegs?
In Luxemburg bin ich die einzige Sportlerin, die auf der Bahn fährt. Dieser Disziplin gilt nach wie vor meine Priorität. Für den Radsportverband ist es sehr schwierig, mich in dieser Hinsicht zu unterstützen. Aus organisatorischer Sicht ist es daher einfacher, wenn man Teil einer Bahn-Mannschaft ist. Andy (Schleck) hat kein Problem damit, dass ich zusätzlich für ein Bahn-Team fahre. So bin ich seit kurzem Teil der irischen UCI-Formation Spellman-Dublin Port Track Team.
In Luxemburg gibt es ja immer noch kein Velodrom. Wo befindet sich Ihr Trainingsstützpunkt?
Ich trainiere normalerweise in Deutschland, auf der Bahn in Büttgen, in der Nähe von Köln. Das Velodrom dort ist aber auch schon seit längerem geschlossen.
Wie kann man sich Ihre Saison mit Bahn- und Straßenrennen vorstellen?
In dieser Saison werden wir beide Disziplinen kombinieren. Je besser man auf der Bahn fährt, desto besser ist man auch auf der Straße unterwegs. Im Frühjahr sind drei Nations-Cup-Wettbewerbe geplant. Der erste findet im April im englischen Newport statt. Im Mai geht es nach Hongkong und schließlich im Juni nach Cali in Kolumbien.
Wie haben Sie sich auf die anstehende Saison vorbereitet?
Im Januar hab ich auf eigene Initiative einen Lehrgang im spanischen Calpe absolviert. Letzte Woche war ich mit meinem Trainer auf Teneriffa. Dort hatte ich nur das Straßenrad dabei und konnte in einer Höhe von 2.000 m trainieren. Das Ziel war es, die allgemeine Fitness in den Bergen zu steigern, um auch die verschiedenen Wettbewerbe auf der Bahn besser zu verkraften. Mit dem Andy-Schleck-Team haben wir bislang noch nicht gemeinsam trainiert. Die Fahrerinnen wohnen teilweise weit weg, sodass dies derzeit recht schwierig zu organisieren ist. Im März ist ein Lehrgang vorgesehen, bei dem wir dann in der Echternacher Jugendherberge einquartiert sind.
Wer ist Ihr aktueller Trainer?
Ich werde vom Österreicher Alex Bauer trainiert, der in Köln wohnt. Mit ihm arbeite ich seit Juli 2020 zusammen. Er hat jahrelange Erfahrung auf allerhöchstem Niveau, sowohl bei den Herren als auch bei den Damen. So hat er unter anderem für das Team Sky gearbeitet. Er hat auch die Deutsche Lisa Brennauer trainiert, die den Spagat zwischen Bahn und Straße sehr gut hingekriegt hat. Er hat das notwendige „Know-how“ und die Erfahrung, um mich auf den richtigen Weg zu leiten, ohne dass es für mich zu viel wird.
Wie geht es nach „Le Samyn“ weiter?
Bis April bin ich bei den Klassikern im Einsatz. Nach dem „Samyn“ starte ich im Prinzip bei der „Healthy Ageing Tour“ in den Niederlanden, falls die stattfinden wird. Anschließend bin ich am Start der „Driedaagse Brugge-De Panne“, was mein allererstes Rennen auf dem höchsten Niveau sein wird. Danach bereite ich mich spezifisch auf die Nation Cups auf der Bahn vor. Dazwischen fahre ich noch das eine oder andere Straßenrennen. Ich werde wahrscheinlich am „Festival Elsy Jacobs“ in Luxemburg teilnehmen, da dies vom Programm her gut passt. Sollte unsere Mannschaft bei Paris-Roubaix starten, so würde ich auch dort fahren.
Auf dem Programm von Andy Schleck-CP NVST-Immo Losch stehen anspruchsvolle WorldTour-Rennen. Was haben Sie sich für die anstehenden Straßenrennen vorgenommen?
Alleine schon die Tatsache, bei diesen Rennen starten zu können, ist ein tolles Erlebnis und eine Erfüllung an sich. Die Saison ist sehr lang, deswegen will ich mir nicht gleich zu Beginn zu viel Druck aufbauen. Es geht jetzt in erster Linie darum, Erfahrungen zu sammeln, sturzfrei anzukommen und dabei eine gute Form zu bekommen.
Ihr Fokus ist dennoch auf die Bahn gerichtet?
Durch die Corona-Krise hat seit letztem Jahr praktisch kein Bahnrennen stattgefunden. Weil keine Qualifikationswettbewerbe organisiert werden konnten, hat die UCI die Teilnahmebedingungen für den Nations Cup erleichtert. Für mich ist das die einmalige Chance, um in der Szene Fuß zu fassen. Bei den World Cups werden wesentlich mehr Punkte verteilt als bei den kleineren Rennen. Ein Ziel ist die Qualifikation für die Weltmeisterschaft Ende des Jahres. Dieses Jahr gilt es zunächst einmal, zu sehen, wo ich mich leistungsmäßig befinde. Nach ein bis zwei Saisons kann ich dann Zukunftspläne schmieden.
Wo liegen Ihre Stärken?
Bislang bin ich eher auf „gut Glück“ gefahren. Ich war im Punktefahren über 120 Runden nicht so schlecht. Ich würde nicht sagen, dass ich in einer Disziplin besonders stark bin, dazu fehlt mir noch die Erfahrung. Im Laufe der Zeit werde ich das sicherlich herausfinden. Auf der Bahn spielt die Taktik eine erhebliche Rolle. In der Hinsicht muss ich noch viel hinzulernen.
Woher stammt das Interesse am Bahnfahren?
Im Winter organisiert die FSCL regelmäßig Lehrgänge auf der Bahn in Büttgen. Diese haben mich immer fasziniert. Da meine Stärken nicht unbedingt im Bergfahren liegen, kommt mir die Bahn eher entgegen. In der Folge hab ich ein paar Mal in Manchester trainiert. Danach nahm ich an einigen Wettbewerben teil, unter anderem an den Six-Days in Hong-Kong. In der recht kleinen Szene lernst du schnell Leute kennen. So habe ich mit der schweizerischen Nationalmannschaft an einigen Rennen teilgenommen.
Erste Erfolge konnten Sie ebenfalls bereits verbuchen …
In Manchester konnte ich ein regionales Omnium-Rennen zu meinen Gunsten entscheiden. Bei meinem letzten Rennen 2019 in Büttgen hab ich die Winter-Bahnmeisterschaften gewonnen. Im selben Jahr kam ich bei der U23-EM in Gent auf den zehnten Platz im Punktefahren.
Ist eine Olympiateilnahme auf der Straße oder auf der Bahn ein Ziel?
Für einen Sportler ist Olympia das größte Ereignis überhaupt. Es kommt darauf an, wie gut ich ins Bahnfahren reinkomme und wo ich mich in zwei Jahren leistungsmäßig befinden werde. Langfristig ist die Teilnahme an den Olympischen Spielen 2024 in Paris im Bahnfahren definitiv mein großes Ziel. Ich hatte schon Gespräche mit dem Olympischen Komitee. Für das COSL ist dies auch sehr interessant, weil es sich für sie um eine „neue“ Sportart handelt.
Können Sie sich vorstellen, den Weg als Sportsoldatin einzuschlagen?
Dieses Jahr mache ich den Bachelor in Sportmanagement an der Lunex in Differdingen und will 2023 mit dem Master abschließen. Nach meinem Studium peile ich diesen Weg an, weil es eine große Unterstützung ist. Auch nach der sportlichen Karriere hat man als Sportsoldat Perspektiven.
Im Überblick
Das provisorische Auftaktprogramm des Teams Andy Schleck-CP NVST-Immo Losch
Heute: Le Samyn des Dames (B/1.1)
10.-12.3. Healthy Ageing Tour (NL/2.1)
14.3. Grand Prix Oetingen (B/1.2)
21.3. Omloop van de Westhoek – Memorial Stive Vermaut (B/1.1)
25.3. Oxyclean Classic Brugge-De Panne (1.WWT)
21.4. La Flèche Wallonne (B/1.WWT)
25.4. Liège-Bastogne-Liège (B/1.WWT)
„Le Samyn“: Majerus startet bei den Damen, Team Leopard bei den Männern
Vier Rennen hat Andy Schleck-CP NVST-Immo Losch schon in dieser Saison bestritten, alle vier in Neuseeland. Nun beginnt auch die Saison in Europa. Neben Claire Faber schickt die Mannschaft heute Fabienne Buri, Désirée Ehrler, Sandra Wass (alle CH), Mae Lang (EST), Lisa Müllenberg (NL) und Mie Bjørndal Ottestad (NOR) ins Rennen. Mit Christine Majerus (SD Worx) startet eine zweite Luxemburgerin bei „Le Samyn“.
Im Rennen der Männer, das ebenfalls heute stattfindet, gibt die Mannschaft von Leopard Pro Cycling ihr Saisondebüt. Neben den vier luxemburgischen Starten des Teams, Loïc Bettendorff, Colin Heiderscheid, Arthur Kluckers und Cedric Pries, schickt die Mannschaft von Markus Zingen auch Jarno Mobach (NL) und Tim Torn Teutenberg (D) ins Rennen. Des Weiteren werden Jempy Drucker (Cofidis) und Raphael Kockelmann (Lviv Continental Cycling Team) in Belgien starten. Als großer Favorit geht Mathieu van der Poel (Alpecin-Fenix) ins Rennen. (pg)
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