Petz Lahure
„Same procedure as last year!“ Unter diesem Motto findet heute zum 101. Mal Mailand – San Remo statt. Die Organisatoren rüttelten demnach nicht an den Neuerungen der beiden letzten Jahre. So trauern diejenigen, die Mailand – San Remo in ihr Herz geschlossen haben, weiter der legendären Ankunft auf der „Via Roma“ nach. Es bleibt bei der „faden“ Zielgeraden am „Lungomare Italo Calvino“.
Weil die neue Ankunft an der Promenade am Hafen stattfindet, hat sich einiges für diejenigen Fahrer geändert, die im Poggio angreifen und es im Alleingang versuchen wollen. Vom letzten Anstieg bis ins Ziel sind es nun 6,2 km, früher waren es 550 m weniger. Im Falle eines Massensprints ist Wachsamkeit oberstes Gebot, denn rund einen halben Kilometer vor dem Strich muss eine scharfe Linkskurve gemeistert werden.
Kirchen und Katusha machen Tempo
Zu einem Spurt mit rund 100 Fahrern oder mehr aber dürfte es kaum kommen, zumindest wenn man Kim Kirchen Glauben schenken darf. „Wir haben keinen Sprinter selektioniert, weil wir das Rennen so hart machen wollen, dass am Ende nur eine kleine Gruppe übrig bleibt“, so der Luxemburger Fahrer im Katusha-Team.
Als Konsequenz des Wunschdenkens ließ die russische Mannschaft den Australier Robbie McEwen zu Hause, obwohl dieser in Form ist und seine Chancen verteidigen wollte. „Ich akzeptiere die Entscheidung, doch bin ich skeptisch, dass der Plan aufgeht. Mein Favorit ist nun Tom Boonen.“
Katusha schickt mit Filippo Pozzato, Marco Bandiera, Mikhael Ignatiev, Sergei Ivanov, Kim Kirchen, Luca Mazzanti, Alexandr Kolobnev und Eduard Vorganov eine solch starke Mannschaft ins Rennen, dass sie von Anfang an das Tempo diktieren kann. „Alles ist auf Pozzato ausgerichtet“, sagt Kim Kirchen. „Wir wollen Mailand – San Remo so schnell machen, dass den Sprintern auf den 298 km die Luft ausgeht.“
Trotz eines temporeichen Rennens aber ist am Ende immer noch eine Soloflucht möglich. Das wissen Katusha-Kapitän Pippo Pozzato und Manager Andrej Tchmil wohl am besten. Auf diese Art gewannen beide die „Primavera“ in den Jahren 2006 und 1999. Ähnlich tat es Fabian Cancellara im März 2008, als er dem Peloton im Eingang von San Remo die Gefolgschaft kündigte. Ansonsten gab es seit 1995 ausschließlich Triumphe nach mehr oder weniger hart umkämpften Spurts.
Die schnellen Leute gehören auch diesmal zu den Hauptanwärtern auf den Erfolg, allen voran Tom Boonen, dem Mailand-San Remo bisher die kalte Schulter zeigte. Dreimal konnte der amtierende belgische Meister sich bisher unter den zehn ersten klassieren (2005: 8., 2006: 4., 2007: 3.), doch bis ganz nach oben aufs Podium sollte es nicht reichen. Boonen, der vor über einer Woche die zweite Etappe von Tirreno-Adriatico gewann, scheint endlich den Fluch, der ihn seit Jahren auf italienischen Straßen verfolgt, gebrochen zu haben.
Aufgepasst auf Boasson Hagen
Zum engeren Kreis der Anwärter gehören auch die Gewinner der letzten Jahre Fabian Cancellara (2008), Oscar Freire (2004, 2007), Alessandro Petacchi (2005) und (warum eigentlich nicht?) Mark Cavendish (2009), der Belgier Philippe Gilbert, die Italiener Daniele Bennati und Stefano Garzelli sowie der Norweger Edvald Boasson Hagen. Er könnte für die ganz große Überraschung gut sein.
Lance Armstrong hingegen, der ohnehin kaum Siegchancen gehabt hätte, aber immer für etwas zusätzlichen Medienrummel gut ist, wird nicht am Start sein. Eine Magen-Darm-Grippe setzte den siebenmaligen Tour-de-France-Sieger außer Gefecht.
Zu dem 200 Mann starken Feld gehört hingegen Andy Schleck. Der letztjährige Sieger von Liège-Bastogne-Liège setzt seine Vorbereitung auf die Ardennenklassiker fort und will auf dem Weg entlang der Riviera seinen Kapitän Fabian Cancellara unterstützen. „Ich habe keine Knieschmerzen mehr und fühle mich im Moment ausgezeichnet“, lässt der Luxemburger Meister aus der Lombardei melden.
Schleck kann also mit anfassen, wenn es gilt, rund 94 km vor dem Ziel die erste schwere Prüfung zu bestehen. Vor zwei Jahren wurde mit „Le Maniè“ nämlich ein neuer Anstieg ins Programm genommen, der viel Kraft kostet. Mit einer Vorentscheidung aber ist erst ab km 245 zu rechnen. Zu bewältigen sind dann nacheinander noch die drei „Capi“ (Mele, Cervo, Berta), die Cipressa und der Poggio.
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