Befreiungsschlag statt Höchststrafe für die einst mächtigsten Männer des Weltfußballs: Der frühere FIFA-Präsident Joseph S. Blatter (86) und der ehemalige UEFA-Chef Michel Platini (67) sind im Prozess um eine dubiose Millionenzahlung um Sanktionen herumgekommen. Der Knast und selbst eine Bewährungsstrafe bleibt den großen Ex-Bossen erspart, stattdessen wurde das Duo am Freitag vom Schweizer Bundesstrafgericht in Bellinzona freigesprochen.
„Wie wir vom ersten Tag an gesagt haben, niemand ist schuldig, niemand. Nicht Platini und nicht ich. Wir sind also frei“, sagte Blatter mit einem breiten Grinsen: „Ich bin in meinem Leben nicht unschuldig, aber in diesem Fall bin ich unschuldig.“ Er sei froh, das „erste Spiel gewonnen“ zu haben, betonte Platini. Nach „sieben Jahren Lügen und Manipulationen“ herrsche „endlich Gerechtigkeit“.
Es gebe „Schuldige“, führte Platini aus, „die in diesem Prozess nicht erschienen sind. Sie können auf mich zählen, wir werden uns wiedersehen.“ Konkret meinen dürfte er damit den Weltverband FIFA um den aktuellen Boss Gianni Infantino, der in der Rolle des Nebenklägers an ein Zivilgericht verwiesen wurde. Platini könne von der FIFA „Schadenersatz und Genugtuung in Millionenhöhe einfordern“, prognostizierte Antikorruptionsexperte Mark Pieth in der Neuen Zürcher Zeitung.
Der Franzose Platini bekommt nun zumindest schonmal seine beschlagnahmten rund zwei Millionen Schweizer Franken zurück und kassiert eine erste Entschädigung von 142.000 Franken. Der gesundheitlich angeschlagene Blatter erhält eine Entschädigung von 82.000 Franken sowie eine Genugtuung von 20.000 Franken.
Prinzipiell wären für die zunächst vorgeworfenen Delikte Strafen von einer Geldbuße bis hin zu fünf Jahren Haft möglich gewesen. Die Staatsanwaltschaft forderte in ihrem Plädoyer jeweils eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und acht Monaten. Die Anwälte von Blatter und Platini hatten auf Freispruch plädiert.
Blatter und Platini war von der Generalanwaltschaft der Schweiz (OAG) Betrug und Urkundenfälschung zur Last gelegt worden. Der Schweizer Blatter war zudem wegen Veruntreuung und ungetreuer Geschäftsbesorgung angeklagt, der Franzose Platini wegen Beihilfe dazu.
Es ging um zwei Millionen Schweizer Franken plus 229.126 Franken an Sozialversicherungsbeiträgen. Diese Summen flossen im Jahr 2011 von der FIFA an den damaligen UEFA-Chef Platini. Die Schweizer Bundesanwaltschaft (BA) ermittelte seit 2015 in dem Fall, sprach von einer „fiktiven Rechnung“, die das „Vermögen der FIFA geschädigt und Platini unrechtmäßig bereichert“ habe.
Blatter bezeichnete die Zahlung als „Gentlemen’s Agreement“ im Rahmen von Platinis Beratertätigkeit. Auch das Gericht äußerte ernsthafte Zweifel an der Darstellung der Bundesanwaltschaft. Deshalb habe es sich „in dubio pro reo“ für einen Freispruch entschieden, erklärte die Gerichtsvorsitzende Josephine Contu Albrizio.
Die offizielle Klage wurde im November des vergangenen Jahres eingereicht, seit Anfang Juni lief der Prozess. Doch die vorherigen Ermittlungen führten bereits dazu, dass Blatter wie Platini von der FIFA-Ethikkommission 2015 für jeweils acht Jahre gesperrt wurden.
Zwar wurden die Sperren später reduziert, Platinis angestrebter Aufstieg zum Nachfolger Blatters an der FIFA-Spitze war dennoch gescheitert.
Stattdessen stieg Gianni Infantino zum FIFA-Boss auf, die Platini-Seite schmiedete im Verfahren das Bild eines Komplotts. Sie monierte eine Vorverurteilung ihres Mandanten und argumentierte damit, dass auf mysteriöse Weise beim Aufstieg Infantinos alles zu dessen Gunsten gelaufen sei.
Die Angelegenheit ist mit diesem Urteil wohl noch lange nicht ausgestanden. (SID)
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