Luxemburg bekommt am Mittwoch ein neues Naturschutzgesetz. Dem Parlament liegt ein umfangreicher Reformtext vor, der das aktuelle Gesetz aus dem Jahr 2004 ersetzen soll. Erstmals erhält die Natur einen Preis. Im Falle von Umweltschäden in bestimmten Gebieten müssen Bauherren und Promotors Kompensationsmaßnahmen durchführen.
Mehr Transparenz, vereinfachte Anwendung der gesetzlichen Vorgaben, administrative Vereinfachung und klarere Regeln einerseits, Erhalt der Biodiversität und des Ökosystems andererseits – das sind die Ziele des neuen Gesetzes. Tatsächlich war die ursprüngliche Gesetzgebung im Laufe der Jahre immer wieder geändert und ergänzt worden. Insbesondere die gesetzliche Einbindung neuer EU-Vorschriften, von Umweltschutzprogrammen, Gesetzen über Wasserschutz, über Städte- und Kommunalentwicklung, und nicht zuletzt beabsichtigte landesplanerische Leitprogramme sorgten für ein regelrechtes legislatives Dickicht im Umwelt- und Naturschutzbereich.
Die Neufassung des Naturschutzes soll diesem Wildwuchs ein Ende bereiten. Erstmals werden die Erhaltung und die Wiederherstellung sowie der Schutz von Ökosystemen als Zielsetzung festgeschrieben.
Grundlegend neu geregelt werden die Maßnahmen, mit denen Beschädigung oder gar Zerstörung von ökologisch wertvollen Gebieten kompensiert werden soll. Zwar sah bereits das alte Naturschutzgesetz derlei Maßnahmen vor. Doch deren Umsetzung verlief oftmals unbefriedigend. Das neue Gesetz präzisiert diese Wiedergutmachung an der Natur.
Kernelement ist die Schaffung von Flächenpools – Bodenreserven, auf denen bei Infrastrukturarbeiten und Baulanderschließung verursachte Umweltschäden kompensiert werden. Vorgesehen ist dazu ein vom Staat zu schaffender nationaler Pool, Gemeinden können ebenfalls regionale Pools vorsehen.
Werden schützenswerte Gebiete zerstört, müssen demnach Biotope und andere Schutzzonen wieder instand gesetzt bzw. neue Lebensräume geschaffen werden. Wie viel kompensiert werden muss, wird mithilfe eines Ökopunkte-Systems festgestellt. Biotope und Lebensräume, sogar einzelne Bäume, werden mit Ökopunkten bewertet, deren Geldwert noch durch großherzogliches Reglement festgelegt werden soll.
Die Kosten für die Bewertung der notwendigen Kompensationsmaßnahmen werden vom Bauherrn getragen. Ökopunkte, Kompensationsmaßnahmen und der Ort für deren Umsetzung werden in einem Register eingetragen. Mehr Transparenz erhoffen sich die Autoren des Gesetzes durch zusätzliche Begriffserklärungen. Großherzogliche Reglemente werden festlegen, ob, wo und wie der Einzelne in einer Grünzone bauen darf. Willkür werde so ausgeschlossen, heißt es. Insbesondere zügellosem Erwerb von Land und anschließender wilder Baulandspekulation soll damit ein Riegel vorgeschoben werden.
Ein weiteres Reglement wird die geschützten Biotope auflisten und beschreiben, was als Reduzierung, Vernichtung oder Beschädigung eines Biotops oder eines Lebensraums gewertet werden muss.
Sanktionen
Die Nichtbeachtung des Naturschutzgesetzes kann mit zum Teil beachtlichen strafrechtlichen Sanktionen belegt werden. Übeltäter können sogar zu einer Gefängnisstrafe verurteilt werden. Das Gesetz sieht eine Haftstrafe von acht Tagen bis zu sechs Monaten vor und eine Geldstrafe zwischen 251 und 750.000 Euro. Strafbar macht sich, wer beispielsweise ohne Genehmigung in einer Grünzone baut, ein dort bestehendes Gebäude ohne Genehmigung erneuert, umbaut oder abreißt.
Gefährdete Artenvielfalt
Die Umweltsituation in Luxemburg hat sich 2014 laut dem fünften Bericht über Biodiversität von 2015 weiter verschlechtert. Zwischen 1962 und 2007 sind Feuchtgebiete um 78 Prozent geschrumpft, halboffene Landschaften mit Hochstammobstgärten um 57 Prozent. Diese Entwicklung schadet ebenfalls den Menschen, da Feuchtgebiete u.a. vor Überschwemmungen schützen. Auch der Zustand der Lebensräume für Wildtiere hat sich massiv verschlechtert. 74 Prozent der Tier- und Pflanzenarten, die laut EU-Richtlinie über natürliche Lebensräume besonderen Schutzes bedürfen, sind hierzulande gefährdet. Der Artenvielfalt zu schaffen macht insbesondere die extreme Zersiedlung Luxemburgs.
Verhalten kritisch
Die Gutachten von Berufskammern und Umweltschutzorganisationen zum Gesetzesprojekt, insbesondere im Bereich Kompensationsmaßnahmen, fallen unterschiedlich aus.
Laut Landwirtschaftskammer würde die Schaffung von Flächenpools es ermöglichen, den Verlust von Agrarflächen zu reduzieren und Preissteigerungen begrenzen. Tatsächlich erwarten Promotors bisher willkürlich Agrarflächen zu überhöhten Preise, um darauf später Kompensationsmaßnahmen zu realisieren. Das vorgeschlagene System beschränke sich jedoch im Wesentlichen darauf, Flächen zu ersetzen. Durch die systematische Umsetzung solcher Maßnahmen werde der Umweltbereich zum Konkurrenten bei der Nutzung von Agrarflächen. Die Berufskammer der Landwirte fordert daher auch andere Kompensationsmechanismen, etwa im Energie- oder Klimaschutzbereich. Ein Promotor, der eine Wohnsiedlung plant, könnte beispielsweise zu derlei Maßnahmen gezwungen werden. Die Berufskammer spricht u.a. von Altbausanierung oder der Schaffung von Anlagen für erneuerbare Energien.
Auch die Bauernzentrale sorgt sich über die Reduzierung der zur Verfügung stehenden Agrarflächen. Die Kompensationsmaßnahmen dürften nicht systematisch auf Agrarflächen realisiert werden, die dann beispielsweise aufgeforstet würden.
Das Gemeindesyndikat Syvicol unterstützt das Vorhaben, Flächenpools zu schaffen, doch sollten Kompensationsmaßnahmen auf ein Minimum reduziert werden.
Die Handwerkskammer befürchtet ihrerseits, dass die Schaffung von derlei Pools die potenzielle Fläche, die in die Besiedlungsperimeter integriert werden könnte, reduziert. Kompensationsmaßnahmen könnten langfristig zu einer Erhöhung der Wohnungspreise führen.
Positiv fällt die Bewertung des Mouvement écologique aus. Dieser begrüßt sowohl die Bildung von Flächenpools wie auch von sogenannten «ökologischen Korridoren», die einzelne Schutzzonen miteinander verbinden. Die Umweltorganisation kritisiert jedoch die Übergangsfrist von sieben Jahren, die sich der Staat zur Schaffung der Pools gibt.
«natur&ëmwelt» ihrerseits freut sich über die Neuregelung des staatlichen und kommunalen Vorkaufsrechts auf Gelände in ausgewiesenen Schutzzonen.
Positiv fällt das Gutachten der Handelskammer aus – auch wenn sie sich bereits im Vorfeld zusätzliche Details zu den Kompensationsmaßnahmen erwartet hätte.
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