„Mindestens 100 Leute von Luxemburger Seite waren an der Katastrophenschutzübung am 5. und 6. Dezember beteiligt“, so Patrick Majerus von der Abteilung Strahlenschutz im Gesundheitsministerium gegenüber Tageblatt.lu. An diesen beiden Tagen wurde der Ernstfall einer fiktiven Panne im AKW Cattenom geprobt, diesmal unter Luxemburger Leitung. „Die Übung hatte einen hohen Grad an Realismus“, so Majerus zufrieden.
" class="infobox_img" />Patrick Majerus von der Abteilung Strahlenschutz im Gesundheitsministerium. (Bild: Fabrizio Pizzolante)
30 Beamte aus verschiedenen Luxemburger Verwaltungen nahmen an der Krisenzelle in Senningen teil. „Bei der „Cellule d’évolution radiologique“ in Gasperich waren etwa zehn Personen beteiligt, beim „Numéro vert“ jeweils abwechslend zehn Mitarbeiter der Psychologischen Betreuungsgruppe. Dazu kommen noch Dolmetscher. Die meisten Leute aber waren im Simulationsraum in Senningen aktiv. Dort wurde nach einem Drehbuch die fiktive Übung inszeniert und auch die Rolle abwesender Akteure simuliert. Reaktionen der Bürger, Bürgermeister, Unfälle und Polizeieinsätze wurden als weitere realistische Schwierigkeitsgrade in die Übung miteingebaut, so Majerus.
EDF zahlt nicht
„Die Leute, die an der Übung teilnehmen, werden an den beiden Tagen aus den jeweiligen Verwaltungen abgezogen und für die Simulation eingesetzt“, so Jacquie Zahlen vom Presseamt der Luxemburger Regierung gegenüber Tageblatt.lu. Auf die Frage ob die EDF, Betreiber des Atomkraftwerks, für die Kosten der Übung aufkomme, erhalten wir ein klares „nein“. „Die Übung kostet nichts“, so Jacquie Zahlen weiter.
Man hätte mit Frankreich die Kostenfrage aushandeln können, doch habe man dann doch entschieden, dies nicht zu tun, erklärt Patrick Majerus.
Die Übungen gehen demnach auf das Konto des Luxemburger Steuerzahlers. Zum Schutz der Bevölkerung. Dabei erhält Luxemburg keinen Strom aus Cattenom. Lediglich indirekt, weil Luxemburg seinen Strom teilweise aus Deutschland bezieht und Deutschland einen Teil seines Stromes in Cattenom kauft. Doch nicht nur die Übungen kosten den Luxemburger Staat Geld, auch die zahlreichen Maßnahmen zur Prävention und zum Schutze der Bevölkerung sind mit Kosten verbunden.
Spezielle Rettungstruppe
Zum Schutz der Bevölkerung bei einem atomaren „Super-GAU“, wurden über die Jahre in Luxemburg zahlreiche Maßnahmen ergriffen. Dazu gehört eine gesonderte Rettungsmannschaft (Groupe de Protection Radiologique), die auf Atomunfälle spezialisiert ist. Die Truppe besteht aus 30 spezialisierten Kräften. Weitere Rettungskräfte verfügen über eine Grundausbildung in Sachen Radioaktivität und können im Katastrophenfall zusätzlich eingesetzt werden.
Diese verfügen über eine spezielle Ausrüstung wie etwa Strahlenschutz-Kleidung, Atemschutz und tragbare Messgeräte. Kostenpunkt für Material pro Jahr: 10.000 bis 20.000 Euro. 2010 wurde auch eine Dekontaminierungsstation angeschafft. Diese wird aber nur im äußersten Notfall bei einer AKW-Katastrophe eingesetzt. Sie wird vor allem bei Transportunfällen mit chemischen oder radioaktiven Stoffen eingesetzt. Notwendig wäre die Station auch im Falle eines terroristischen Anschlags, etwa bei einer „Dirty bomb“, einer Bombe die Nuklearmaterial mit herkömmlichem Sprengstoff kombiniert.
Jodtabletten
Eine weitere Schutzmaßnahme, ist die Versorgung der Bevölkerung mit Jodpillen. Durch deren Einnahme soll verhindert werden, dass radioaktives Jod sich in der Schilddrüse festsetzt. Erfolgt die Einnahme sechs Stunden vor dem Einatmen von radioaktivem Jod, wird hundertprozentiger Schutz garantiert.
„Als das AKW-Cattenom seinen Betrieb aufnahm, wurde in Luxemburg ein Bestand an Jodpillen aufgebaut. Anfänglich ging man davon aus, dass jene Pillen nach einer bestimmten Zeit verfallen. Durch zahlreiche Tests hat unser Labor festgestellt, dass solche Pillen nicht verfallen. Sie werden nur gelblich und etwas bitterer im Geschmack. So entschied das Gesundheitsministerium, um Kosten zu sparen, dass es nicht notwendig sei, den Pillenbestand ständig zu erneuern. Mittlerweile kann man von einem Bestand einer Pillenschachtel à zehn Tabletten pro Einwohner ausgehen“, so Majerus. Bei einem Durchschnittswert von 40 Cent pro Packung macht dies einen Kostenpunkt von rund 200.000 Euro aus.
Radioaktive Messstationen
„Zur Einschätzung der radioaktiven Lage muss ständig die Radioaktivität gemessen und im Labor ausgewertet werden. Zur Messung wurden insgesamt 23 Messstationen in ganz Luxemburg aufgestellt. Kostenpunkt: 1.000.000 Euro für die Maschinen und 50.000 bis 100.000 Euro pro Jahr an Reparaturen und Wartungskosten. Jedes Land, sogar die Insel Malta, muss über solche Stationen verfügen. Dennoch bräuchte man in Luxemburg nur einen Teil der 23 Stationen, ohne ein AKW an der Grenze. Die Überwachung und Auswertung obliegt der Abteilung Strahlenschutz im Gesundheitsministerium. Ohne Cattenom könnten wir mit etwa zwei Spezialisten weniger auskommen,“ so Majerus weiter.
Gemessen wird der Anteil von Radioaktivität in der Luft. Daneben werden regelmäßig Proben von Wasser, Gras, Erde, Lebensmitteln und insbesondere von den Sedimenten der Mosel entnommen. Das Wasser des Flusses dient zur Abkühlung der Reaktoren in Cattenom. Jeden Monat wird ein ausführlicher Bericht mit den gesammelten Daten publiziert. Enthalten sind Minimum-, Maximum- und Durchschnittswerte. „Im Grundwasser kann es dennoch Monate dauern, bis sich Radioaktivität bemerkbar macht. Im Gras oder in der Kuhmilch kann man erhöhte Werte sofort feststellen“, erklärt Majerus.
Der aktuelle Notfallplan im Falle eines Super-GAU in Cattenom, stammt noch von 1986. Eine überarbeitete Version ist in Vorbereitung. Die aktuellen Katastrophenschutzübungen sollen dazu beitragen, sinnvolle Updates in den neuen Notfallplan hineinfließen zu lassen.
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