Knapp zwei Monate vor der US-Präsidentschaftswahl sorgen Hackerangriffe auf Wählerdatenbanken für Unruhe. Über die angemessene Reaktion sind Experten und Parlamentarier uneins.
Nach Cyberangriffen auf Wählerdatenbanken in mindestens zwei US-Bundesstaaten wächst die Sorge, dass auch die Wahl selbst durch Hacker aus dem Ausland beeinflusst oder gar manipuliert werden könnte. In beiden politischen Lagern sind heftige Debatten entbrannt, wie die Nation auf solche Angriffe reagieren soll.
«Allein der Zugriff auf diese Systeme beunruhigt mich unglaublich», sagt Sean Kanuck, ehemals Experte für Cyberkriminalität in der Zentrale der US-Geheimdienste. Die Manipulation von Wahldaten oder Wahlsystemen betreffe die nationale Sicherheit und erfordere eine entsprechende Reaktion der Regierung, sagte er.
Webseiten vorübergehend abgeschaltet
Dass tatsächlich Daten manipuliert wurden, ist allerdings bisher nicht bestätigt. In Illinois und Arizona wurden wegen der Hackerangriffe Webseiten für die Online-Registrierung von Wählern vorübergehend abgeschaltet. Das FBI erklärte, in einem Staat sei die Website der Wahlkommission gefährdet gewesen, im anderen habe jemand versucht, sich Zugang zu verschaffen. Die Staaten wurden nicht beim Namen genannt.
Es sind die jüngsten Fälle nach Attacken auf interne Parteiserver der Demokraten, für die russische Hacker im Dienste Moskaus verantwortlich gemacht wurden.
Neben den Hackerangriffen an sich sollen Polizei und Geheimdienste auch untersuchen, inwieweit Russland bei einer Desinformationskampagne mitmischt, die das Ziel hat, die Einflusssphäre der USA weltweit zu schmälern.
Der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump hält es für unwahrscheinlich, dass Russland die Wahl zu beeinflussen versucht. «Vielleicht verbreiten das die Demokraten», sagte er auf RT America, dem US-Ableger des vom Kreml finanzierten Senders Russia Today.
Hybride Kriegsführung
Doch Verteidigungsminister Ashton Carter warnte Moskau in der vergangenen Woche auf einer Europareise, die USA werde Versuche, «unsere demokratischen Prozesse zu stören», nicht einfach hinnehmen. Auf Nachfragen erklärte Carter, er spreche von Russlands hybrider Kriegsführung – «Einmischung in die internen Angelegenheiten von Staaten – kriegsähnlich» – was ganz Europa Sorgen bereite.
Nach Ansicht hochrangiger Behördenvertreter wäre die Manipulation der US-Wahlen schwierig, weil es in den 50 Bundesstaaten Tausende Wahlrechtssysteme gibt. Heimatschutzminister Jeh Johnson betonte, das Wahlsystem sei «so dezentralisiert, so riesig … es wäre sehr schwierig, die Ergebnisse zu verändern».
Dieser Meinung ist auch FBI-Direktor James Comey. «Die Auszählung in diesem Land ist ein bisschen umständlich», sagte er. Dies sei ein Segen, weil Hacker nicht so einfach eindringen könnten: «Das macht es widerstandsfähiger gegen einen Akteur, der vielleicht durch ein Glasfaserkabel kriechen will und erkennen muss, dass da gar kein Glasfaserkabel ist – sondern eine Frau namens Sally und ein Mann namens Joe, die die Stanzmaschine holen und die Lochkarten herausziehen.»
Im Kongress glaubten ihm manche nur bedingt: Nach einem halbstündigen FBI-Briefing in Las Vegas über russische Aktivitäten war der Fraktionsvorsitzende der Demokraten im Senat, Harry Reid, nach Angaben eines anonymen Zeugen «tief erschüttert». Einen anderen Senator beunruhigte vor allem, dass Russland in den USA ähnlich Einfluss nehmen könnte wie in Osteuropa, wo Moskau schon lange mithilfe von Cyberattacken politische Ziele verfolge. Nach Ansicht des demokratischen Senators Ron Wyden aus Oregon ist die Angst vor versteckter russischer Einflussnahme parteiübergreifend. Ein aktueller Gesetzentwurf sehe die Einrichtung eines ressortübergreifenden Ausschusses vor zur «Bekämpfung aktiver Maßnahmen Russlands, verdeckt Einfluss auf Völker und Regierungen zu nehmen», betonte Wyden.
«Ich denke einfach, die Leute haben bisher geschlafen»
Den republikanischen Abgeordneten im Repräsentantenhaus Devin Nunes überraschten die Hackerangriffe dagegen nicht. «Ich denke einfach, die Leute haben bisher geschlafen», betont er. «Das ist das Problem digitaler Unterlagen, digitaler Abstimmung. Deshalb ist es unerlässlich, die Papierstimmzettel zu behalten.»
Doch wie sollen die USA auf die Cyberangriffe reagieren? Der für nationale Sicherheit zuständige stellvertretende Justizminister John Carlin beschreibt einen dreistufigen Ansatz: Den Schuldigen ermitteln, beim Namen nennen und mit Sanktionen belegen. FBI-Vizedirektor Andrew McCabe warnt jedoch: «Die Optionen sind beschränkt – manchmal sehr nachvollziehbar – durch internationale politische Zwänge, diplomatische Problemstellungen und die möglichen Auswirkungen auf Partner und Beziehungen zu Partnern.»
Adam Schiff, führender Demokrat im Geheimdienstausschuss des Repräsentantenhauses, fordert flexible Lösungen: Manchmal könne man die Verantwortlichen zunächst beim Namen nennen, in anderen Fällen seien wirtschaftliche oder andere Sanktionen vonnöten. Bei Hackerangriffen aus Nordkorea könnten die USA etwa Flyer abwerfen, in denen die repressive nordkoreanische Regierung angeprangert werde. Untätigkeit sei die schlechteste Lösung, warnt Schiff: «Untätigkeit, fehlende Abschreckung und das Versäumnis, auch nur die Verantwortlichen zu nennen – vor allem im Fall Russlands – bereiten nur den Boden für weitere Angriffe und Bemühungen, unsere Wahlen zu stören.»
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