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Terror, Misswirtschaft und Hunger

Terror, Misswirtschaft und Hunger

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In Somalia wüten seit Jahrzehnten Bürgerkrieg und Misswirtschaft. Die derzeitige Hungersnot ist daher kein Zufall: Immer wieder wurden solche Notsituationen durch politische Unruhen ausgelöst.

Hungerkatastrophen hat es in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder gegeben. Dass die derzeitige fürchterliche Notlage das Bürgerkriegsland Somalia besonders hart getroffen hat, ist dabei kein Zufall: Immer wieder waren es politische Unruhen, interne Umwälzungen oder totale Misswirtschaft von Regierungen, die solche Desaster zumindest teilweise mitverursacht haben. In Somalia – einem Land, in dessen interne Zustände die Weltgemeinschaft nur selten und bruchstückhaft Einblick erhält – gilt die radikalislamische Al-Shabaab-Miliz als Mitauslöser der Notlage.

Es scheint fast wie ein wiederkehrendes Muster: Als 1984 die entsetzlichen Bilder sterbender Kinder in Äthiopien über die Fernsehschirme flimmerten, war der Krieg zwischen dem Diktator Mengistu Hailemariam und Rebellengruppen gerade auf seinem Höhepunkt angelangt. Ähnlich wie heute in weiten Teilen Somalias herrschte damals ein Schreckensregime, in dem Tausende politische Gegner auf brutalste Weise ermordet wurden.

Anarchie

Die letzte große Hungerkrise in Somalia kam 1992 zu einem Zeitpunkt, in dem das Land nach dem Sturz von Diktator Siad Barre in die Anarchie schlitterte. Seither gibt es in der Hauptstadt Mogadischu keine funktionierende Zentralregierung mehr.

Und heute? Die Al Shabaab versucht seit Jahren im Süden des Landes einen islamischen Staat aufzubauen und kämpft ohne Unterlass gegen die Übergangsregierung in Mogadischu. Auf die Menschen nimmt die Gruppe dabei keinerlei Rücksicht. Wenn der Regen ausbleibt, wie zuletzt geschehen, sind die nomadischen Viehhirten darauf angewiesen, ihre Tiere in andere Landesteile zu treiben – aber das ist in einem so zerrütteten Land nicht nur gefährlich, sondern fast unmöglich.

Internationale Hilfe behindert

Zudem wird internationale Hilfe in den besonders betroffenen Gebieten seit Jahren behindert. Die Al Shabaab gibt als wenig glaubhafte Begründung an, die westlichen Organisationen würden in Somalia politisch agieren. Es seien «Kämpfe, administrative Hürden und politische Restriktionen», die es verhinderten, dass die notwenige Hilfe zu den Menschen gelangen könnte, erklärte «Ärzte ohne Grenzen».

Stattdessen nutzt die Miliz ihre Macht, um Terror und Angst zu verbreiten. Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) berichtete jetzt, dass Rebellen mehrere Viehhirten öffentlich geköpft hätten, nur weil diese ihre wenigen überlebenden Tiere nicht aushändigen wollten. «Wenn sich die internationale Gemeinschaft nicht endlich engagierter für Frieden in dem umkämpften Land einsetzt, werden in den nächsten sechs Monaten zehntausende Somalier sterben», sagte GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius in Göttingen. «Es ist zu wenig, nur Hungerhilfe zu leisten, um das Massensterben in Somalia aufzuhalten.»

Offiziell Hungersnot ausgerufen

Es scheint kaum verwunderlich, dass die Vereinten Nationen vor wenigen Tagen ausgerechnet in zwei der von Al Shabaab kontrollierten Regionen in Südsomalia – Bakool und Lower Shabelle – offiziell eine Hungersnot ausgerufen haben. Für Menschen in den westlichen Industrieländern übersteigt es fast die Vorstellungskraft, was sich seit Jahren in diesen Gebieten abspielt.

Amnesty International machte gerade erst in einem Bericht darauf aufmerksam, wie sehr vor allem Kinder und Jugendliche unter der willkürlichen Gewalt der Rebellen leiden. Wer nicht durch den Hunger dahingerafft wird, dem droht die Rekrutierung als Kindersoldat oder Selbstmordattentäter und – im Fall junger Mädchen – die Zwangsverheiratung mit Al-Shabaab-Kämpfern. Die Lage in Somalia ist wie ein Buch mit sieben Siegeln: Unverständlich, unbekannt und fremd. Nur eins ist sicher: Wenn nicht bald etwas geschieht, dann sind unzählige verzweifelte Menschen dem Tode geweiht.