Sie schimpfen über «Deutschlands verbale Kraftmeierei» und «das Geheul von jenseits des Rheins». Doch zugleich raten Schweizer Kommentatoren, den Steuerstreit mit Berlin nicht allzu ernst zu nehmen. Als bedrohlicher gilt das Vorgehen der USA. Mit Anklagen gegen Mitarbeiter Schweizer Banken wegen mutmaßlicher Anstiftung reicher Amerikaner zur Steuerhinterziehung haben US-Staatsanwälte das eidgenössische Bankgeheimnis von 1934 sturmreif geschossen. Um den Finanzplatz Schweiz zu retten, will Bern mit einer «Weißgeldstrategie» den Zustrom von Schwarzgeld unterbinden.
Die Nachricht wirkte Anfang des Jahres wie ein Riesenknall, der die Schweizer Bankenwelt endgültig wachrüttelte: Das älteste Geldinstitut der Eidgenossenschaft, die 1741 gegründete Privatbank Wegelin & Co., löste sich per Notverkauf selbst auf. Eines der bis dahin renommiertesten Geldhäuser der Welt hatte die Entschlossenheit amerikanischer Staatsanwälte unterschätzt.
«Kunden aktiv unterstützt»
Drei Wegelin-Kundenberater müssen sich in New York wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung verantworten. Die Staatsanwaltschaft ist überzeugt, dass sie Kunden aktiv unterstützt haben, mehr als 1,2 Milliarden Dollar (900 Mio Euro) am Fiskus vorbeizuschleusen. Dem Trio drohen bis zu fünf Jahre Gefängnis. Und in der Alpenrepublik geht die Angst um, die Amerikaner könnten sich eine Bank nach der anderen vorknöpfen und mit Klagen nicht nur gegen einzelne Mitarbeiter, sondern die gesamten Unternehmen, in den Ruin treiben.
Elf Schweizer Geldinstitute sind bereits im Visier der amerikanischen Justiz, darunter auch die Credit Suisse, die Bank Julius Bär und die Zürcher Kantonalbank. Fahnder der US-Finanzbehörde Internal Revenue Service (IRS) machen anscheinend intensiv Jagd auf Schweizer Anlageexperten. Abertausende US-Bürger sollen mit Hilfe Schweizer Kreditinstitute Vermögen versteckt haben. Längst steht die Branche praktisch unter Generalverdacht.
Schweizer Großbank UBS
Den Stein hatten Ermittlungen gegen Kunden der Schweizer Großbank UBS ins Rollen gebrachten. Die US-Justiz fand im früheren Kundenberater Bradley Birkenfeld einen Kronzeugen. Er berichtete, dass amerikanische UBS-Kunden schätzungsweise 20 Milliarden Dollar an Vermögen ins Ausland verschoben hätten.
US-Behörden forderten von UBS 52.000 Kontodaten. In zähen Verhandlungen einigten sich beide Seiten 2009 darauf, dass die Steuerfahnder einige tausend Namen erhalten – mit Billigung der Schweizer Regierung. Das einst wie eine Festung verteidigte Schweizer Bankgeheimnis ist inzwischen löchrig wie ein Emmentaler Käse.
Geschäftsinteressen
Hintergrund des Ringens sind umfangreiche Geschäftsinteressen. Schweizer Finanzkonzerne gehören zu den großen Spielern an der Wall Street. Im Weltfinanzzentrum wickeln sie milliardenschwere Deals ab. An dieser verwundbaren Stelle setzt die US-Justiz mit Verfahren an, die zum Einfrieren von Geldern oder gar zum Ausschluss einzelner Banken vom US-Markt führen könnten.
Die Schweizer Finanzwirtschaft könnte dadurch vom «Global Player» zu einer Art Alpen-Sparverein absinken. Zehntausende Jobs würden verloren gehen. Das will die Regierung in Bern mit ihrer im Februar beschlossenen «Weißgeldstrategie» verhindern. Alle Schweizer Geldinstitute sollen gesetzlich zu Maßnahmen verpflichtet werden, die Einlagen von Schwarzgeld verhindern.
Milliardenschwere Abgeltung gefordert
Einzelbestimmungen sollen bis September erlassen werden. Als Maßstab gelten Regeln der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) für Doppelbesteuerungsabkommen. Allerdings pochen Staaten wie die USA und Deutschland zugleich auf eine milliardenschwere Abgeltung für Steuersünden ihrer Reichen, an denen Schweizer Banken in den letzten Jahrzehnten kräftig verdienten.
Angesichts immer höherer Forderungen – im Fall der USA soll es inzwischen um bis zu zehn Milliarden Dollar gehen – glauben viele Eidgenossen aber, ihr Land werde unfair behandelt. Man müsse nun klar und deutlich sagen «Die Zitrone ist ausgepresst!», hieß es in der «Neuen Zürcher Zeitung».
Doch die USA geben sich gelassen und treiben die Ermittlungen voran. Ein Doppelbesteuerungsabkommen, das Bern ratifiziert hat, liegt in Washington in der Schublade. Auch ein von Bern gebilligtes Zusatzabkommen, nach dem Schweizer Banken den USA beim Verdacht auf Steuerhinterziehung – und nicht erst auf gezielten Steuerbetrug – Datensätze aushändigen müssen, schmort in den USA vor sich hin.
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