Es war kein guter Tag für die Stahlwerker im Tal der Fensch. 300 von ihnen standen vor dem Rathaus von Flirange und sangen ihre Lieder. «On lâche rien», oder «Rendez-nous notre usine», während am Himmel schwarze Wolken aufzogen, die die protestierenden Stahlwerker mit Wassergüssen überschütteten.
Auf Arnaud Montebourg warteten sie, den Minister für die Wiederherstellung industrieller Arbeitsplätze. Der hatte einen Monat lang mit ArcelorMittal darüber verhandelt, dass die beiden Hochöfen in Hayange wieder angeblasen werden sollten. Und die 300 wollten nun das Resultat hören, wollten wissen, ob der Minister Lakshmi Mittal herumbekommen hatte. Am Morgen schon hatte die Zeitung «Libération» gemeldet, dass Montebourg keinen Erfolg gehabt hatte. Jetzt aber ließ Montebourg auf sich warten. Der TGV sei um 15 Minuten verspätet, hieß es offiziell. Montebourg hatte einen TGV Est genommen und war in Thionville ausgestiegen. Aber die «Zugverspätung» hatte einen anderen Grund. Während Montebourg mit seinen Mitarbeitern im Zug saß, hatte Staatspräsident François Hollande den Konzernlenker Lakshmi Mittal zu Gast. Der verließ den französischen Staatspräsidenten um 16 Uhr und vorher durfte Montebourg nicht in Florange eintreffen.
Im Regen
Aus dem Gespräch zwischen Hollande und Lakshmi Mittal war allerdings auch das herausgekommen, was zuvor nach einem Monat Verhandlungen zwischen der Direktion und dem Minuster herausgekommen war: Nichts. ArcelorMittal will die Hochöfen nicht wieder anblasen. Montebourg brauchte eine Stunde, um das den Gewerkschaftern im Rathaus von Florange zu erzählen. Die Stahlwerker standen also draußen im Regen und warteten 45 Minuten auf Montebourg und dann eine Stunde auf das, was er zu sagen hatte.
Am kommenden Montag findet eine gemeinsame Sitzung der Generaldirektion ArcelorMittal Frankreich und des Betriebsrates von Florange statt. Wenn ArcelorMittal dann nicht das Wiederanblasen der Hochöfen verkündet, kommt es zu einem Machtkampf, kündigte der Minister an. Man erwarte, dass Lakshmi Mittal 150 Millionen Euro investiert. Und wenn die Hochöfen nicht wieder angeblasen würden, dann erhielte Pascal Faure den Auftrag, sie zu verkaufen. So ganz kam die Rede nicht an. Die Stahlwerker unterbrachen den Minister, riefen dazwischen und pfiffen auch. Und als er zu Ende geredet hatte, gingen sie nach Hause.
Keine Hoffnung
In der Menge war die Stimmung nicht so kämpferisch, wie sie in den vergangenen Wochen dargestellt worden war. Alain, Jean Philippe und Sébastien sind 56 und 57 Jahre alt. Sie haben 39 bis 41 Jahre in die Rentenversicherung eingezahlt. Ihre Sorgen sind schon andere. Wie ist das mit der Rente, mit einem etwaigen Vorruhestand, was kann man in einem Sozialplan verhandeln? Ihre Gedanken sind schon weiter, gehen über den Machtkampf hinaus. Sie rechnen eher damit, dass die im Juli 2011 abgeschalteten Hochöfen nie wieder angeblasen werden.
Zwischen Menschen und den Machtpolitikern stehen zwei Personen. Aurelie Filippetti atmet tief durch, als sie aus dem Auto aussteigt, in dem sie zusammen mit Arnaud Montebourg von Thionville nach Florange gefahren ist. Und als Arnaud Montebourg seine Rede hält, steht sie mit ernstem Gesicht hinter ihm. Aurelie Filippetti ist ein Kind der Stahlregion. Sie weiß, was hier gerade angekündigt wird.
Das Ende
Neben dem Rathaus von Florange steht ein Mann in seiner Windjacke, mit dem Rücken zur Mauer. Sein Gesicht ist ausdruckslos. Patrick Weiten, der Präsident des Generalrates de la Moselle ist ein Mann des Stahls. Sein Vater hat in Lothringen Stahl gekocht, wurde versetzt, als sein Stahlwerk dicht machte. Weiten hat ein ähnliches Verhältnis zum Stahl wie Luxemburgs Staatsminister Jean-Claude Juncker. Er weiß, dass die Ankündigung eines Machtkampfes das Ende sein kann. Er hatte es befürchtet und steht nun hilflos da.
Der Donnerstag war kein guter Tag für das Stahltal der Fensch und die Hochöfen von Hayange.
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