Nichts als Lob hat der sozialistische Europadeputierte Robert Goebbels für die Organisatoren der Wahl in Tunesien im Sonntag übrig. Perfekt organisiert, total demokratisch und transparent – so seine Feststellung. Der Abgeordnete weilte vom 20. bis 24. Oktober in Tunesien. Die Tunesier wählten eine verfassungsgebende Versammlung.
Goebbels war einer von 150 Wahlbeobachtern, die von der Europäischen Union auf Einladung der provisorischen Regierung ins Land geschickt worden waren, um das Wahlgeschäft vor Ort zu beobachten. 15 Personen hatte das Europaparlament geschickt. Goebbels‘ Ziel: die Stadt Sidi Bouzid, dort wo der junge Mohammed Bouzizi sich am 17. Dezember 2010 das Leben genommen hatte. Er hatte sich in Brand gesteckt, um gegen die unhaltbaren ökonomischen und sozialen Zustände hinzuweisen. Zuvor hatten die Behörden ihm verboten, Gemüse und Obst auf der Straße zu verkaufen. Die Tat Bouzizis hatte zu einem Volksaufstand in der Stadt geführt, der wenig später das Land erfassen sollte.
65 Listen
Total transparent und demokratisch – vielleicht sogar zu demokratisch sei die Wahl am Sonntag gewesen, so Goebbels lachend. Der Wähler hatte die Wahl zwischen mehr als 1500 Listen. Allein in der Region, in die er entsandt worden war, waren 65 Listen angetreten, was zu unübersichtlichen Wahlzetteln geführt habe. Obwohl jede Liste ihre Nummer hatte und mit einem ihr eigenen Symbol gekennzeichnet war, hat die Wahl viele Bürger überfordert. Rund zehn Prozent der Wahlzettel seien ungültig gewesen, so der Europaabgeordnete.
In der Region des Wahlbeobachters Goebbels standen den Wählern 263 Wahlbüros zu Verfügung. Zwischen 40 und 50 haben er und die anderen Kollegen seiner Gruppe Wahlbeobachter besucht. Am Abend habe er der Auszählung der Wahlzettel in einem Wahlbüro beigewohnt, so der Abgeordnete in einem Gespräch mit Tageblatt.lu. In seiner Region sei ein in London wohnender Besitzer einer Fernsehstation mit 40 Prozent der Stimmen gewählt worden. 29 der angetretenen 65 Listen hätten Null Stimmen bekommen. Die moderat islamische Ennahdha-Partei kam auf 20 Prozent der Stimmen. Anders die vorläufigen, noch nicht vollständigen Ergebnisse auf nationalem Plan. Hier dürfte die Partei 30 Prozent erreiche.
Noch liegt das Endergebnis nicht vor, doch für Robert Goebbels ist eins bereits klar: Die Wähler haben keine der Parteien gestärkt, die mit dem alten Regime verbunden waren. Dass es sich bei der Ennahdha um eine religiöse Partei handelt, stört Goebbels nicht. Das seien keine Islamisten wie etwa in Iran, sagt er nach seinen zahlreichen Gesprächen mit Vertretern dieser Bewegung.
Komplexe politische Situation
Die allgemeine politische Lage vor Ort schätzt Goebbels als komplex ein. Die Menschen wollen ihre Revolution verteidigen. Nur verstehe nicht jeder das Gleiche darunter. Die einen streben eine Demokratie nach westlichen Vorbild an. Andere betonten vor allem die sozialen Aspekte der Veränderungen; sie fordern einfach ein besseres Leben.
Zu Demaart

















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