Mit Spannung war die Erklärung zur Lage des Landes erwartet worden. Große Neuerungen konnte der Regierungschef jedoch nicht verkünden. Die schwarzrote Koalition bleibt auf Kurs. Große Themen waren Schule, Wohnungnsnotstand, Rentenreform, Energieversorgung, Staatsfinanzen, öffentlicher Dienst. Kein Thema war die in der Zwischenzeit unter den Koalitionspartnern umstrittene Reform des Abtreibungsgesetzes.
An den Anfang seiner Rede hatte Premierminister Jean-Claude Juncker jene Kinder und Jugendlichen gestellt, die aus unterschiedlichen Gründen, Schulprobleme haben. Er plädierte unter anderem für die Schaffung von Spezialschulen in Luxemburg, damit die Eltern nicht mehr auf das Ausland angewiesen sind. Sein Augenmerk richtete Juncker auch auf vernachlässigte Kinder. Der Regierungschef sprach dabei von Unterstützungsmaßnahmen für die betroffenen Eltern. Sorge bereite auch die Zahl jener Schüler, die aus dem Schulsystem fallen, ohne Abschluss. 2009 seien das 481 Personen gewesen.
Strategie gegen Obdachlosigkeit
36 obdachlose Personen seien auf der Straße und mutterseelenallein gestorben, so das nächste Thema Junckers. Auch hier bedürfe es neuer Strukturen. Juncker sprach von einer nationalen Strategie gegen Obdachlosigkeit.
Um diese akuten sozialen Probleme zu lösen, bedürfe es rund 350 zusätzlicher Mitarbeiter, so Juncker. Allein in den Lyzeen seien 200 zusätzliche Erzieher erfordert, wolle man zumindest in der Unterstufe die Ganztagsschule einführen.
Mittel bereitstellen
Um die dazu benötigten Mittel zu haben, müsse an anderer Stelle gespart werden, so Juncker. Stellen müsse man sich jedoch auch anderen Herausforderungen. Der Regierungschef nannte dabei die zunehmende Zahl von Flüchtlingen, die den Weg nach Luxemburg finden. Nicht auszuschließen sei, dass in Zukunft wöchentlich 50 bis 60 neue Asylanträge gestellt würden. Wer in seinem Land verfolgt werde, für den sei Platz in Luxemburg, für Personen aus einem sicheren Land sei dies jedoch nicht der Fall. So sei in den letzten Monaten kein Asylantragsteller aus Serbien, einem sicheren Land, zugelassen worden. Innerhalb von drei Monaten müsse die Entscheidung über die Asylantrag fallen. Die Prozeduren sollten noch beschleunigt werden, meinte Juncker. Um die Unterkunft der Asylbewerber müsse sich das ganze Land kümmern. Auch Container seien vorgesehen, um Asylanten zu beherbergen.
Die Roma in Luxemburg – sie stellen eine Großteil der Asylbewerber aus Serbien – sollte Respekt entgegengebracht werden. Doch Luxemburg könne nicht alle Probleme lösen. Regierungsmitglieder sollen nach Serbien reisen, um dort nach Lösungen für die Probleme der Roma vor Ort zu suchen.
Nein zur Nuklearenergie
Ein weiteres aktuelles Thema in Junckers Erklärung: Die Nuklearenergie. Hier bekannte er sich unmissverständlich zum Ausstieg aus dieser Energieform. «Wir müssen aus der Atomenergie aussteigen». Die Laufzeit des AKW Cattenom dürfe nicht verlängert werden, und Luxemburg werde sich dafür bei der französischen Regierung einsetzen. Gleichzeitig müsse ein Maximum für Alternativenergien und für Energiesparen, auch in Luxemburg, getan werden. Aus eigenen Mitteln könne das Land die gesteckten Reduktionsziele bei Treibhausgasen nicht erreichen. Juncker verteidigte dabei die Regierungspolitik zum Kauf von CO2-Verschmutzungsrechten.
Juncker appellierte zur verstärkten Nutzung von «grüner» Energie. Eine Informationskampagne soll die Menschen zum Kauf von «grünem» Strom anhalten. Gefördert werden soll auch die Elektromobilität. Auch der Staat bemüht sich um Umweltschutz. Die Altbausanierung beim Staat werde fortgesetzt. 210 Millionen Euro seien in den letzten Jahren dazu beim Staat investiert worden, so Juncker.
Wohnungsbau
Fördern will die Regierung auch die energetische Bausanierung. Für Arbeiten an Häusern unter 20 Jahren soll der Mehrwertsteuersatz von 15 auf 3 Prozent reduziert werden. Eine nationale Wohnungsbaugesellschaft soll größere Siedlungsprojekte anschieben. Jungen Menschen soll mit zusätzlichen Maßnahmen der Wohnungskauf erleichtert werden.
«Es geht besser, aber es geht uns noch lange nicht gut», so Juncker über den Zustand der öffentlichen Finanzen. Dem Zentralstaat fehlten 2010 1.300 Millionen Euro. 2014 würde der Zentralstaat im besten Fall noch ein Defizit von 700 Millionen Euro aufweisen. Die öffentliche Schuld würde sich 2014 bei 19,9 Prozent des BIP belaufen, weniger als zuvor befürchtet. Die Spar- und Konsilidierungsmaßnahmen würden daher nicht zurückgenommen, betonte Juncker. «Es muss weiter gespart werden». 2014 wolle die Regierung ausgeglichene öffentliche Finanzen vorlegen.
Wettbewerbsfähigkeit erhalten
Öffentliche Investitionen blieben weiterhin hoch, auch sie fördern die Wettbewerbsfähigkeit des Landes, betonte Juncker. Man dürfe in Sachen Wettbewerbsfähigkeit nicht hinter den Nachbarn zurückfallen. Das sei jedoch in den letzten Jahren teilweise der Fall gewesen. Kostenerhöhungen durch politische Entscheidungen 2011 würden den Betrieben kompensiert, erinnerte Juncker an diesbezügliche Abkommen zwischen der Regierung und den Unternehmensvertretern Ende 2010.
Der Regierungschef lehnte jedoch auch Schwarzweissmalerei ab. Zwar seien die Jahresgehälter in Luxemburg u.a. auch wegen der längeren Arbeitszeiten höher als im Ausland, aber die Stundenlöhne seien etwa im Vergleich zu Belgien und Frankreich niedriger. Dabei verwies er auf die niedrigen Lohnnebenkosten, was der Wettbewerbsfähigkeit zuträglich sei. Daher auch die Zusage der Regierung an die Unternehmen, bis 2014 keine Erhöhung der Sozialbeiträge vorzunehmen.
Die Index-Frage
Zur Indexierung der Löhne erinnerte Juncker daran, dass gemäß Abkommen mit den Gewerkschaften die nächste Indextranche im Oktober 2011 erfallen wird. Dabei müsste die nächste Tranche wegen der rapide steigenden Erdölpreise bereits im Mai erfallen, meinte der Regierungschef an die Adresse jener Unternehmensführer, die diese Entscheidung ins Lächerliche gezogen hatten. Sollte 2012 eine Indextranche vor Oktober erfallen, werde man sich erneut mit den Sozialpartner zusammensetzen, so Juncker. Sollte es zu einer weiteren Modulierung des Indexsystems kommen, schloss Juncker Kompensationsmaßnahmen für einkommensschwache Haushalte nicht aus.
Juncker ging des weiteren auf die Herausforderungen in Kinderbetreuung und Schule ein. 2012 würden 8.000 neue Plätze in der Kinderbetreuung geschaffen. Angemahnt wurden Reformen in der Schule, um sich den neuen Gegebenheiten anzupassen. Alle Partner rief er auf, die Reformen mitzutragen. Wenn sich alles ändere, könne die Schule nicht unverändert bleiben. Man dürfe sich nicht auf Nebenschauplätzen verausgaben, die nur die Lehrer betreffen, so Juncker an die Adresse der Lehrergewerkschaften.
Die Rentenfrage
Das Rentensystem müsse der längeren Verweildauer des Einzelheiten in der Rente Rechnung tragen, meinte Juncker, der an die von ihm in die Diskussion gebrachte Rentenmauer erinnerte. Ein Begriff, der heute von keinem mehr bestritten werde. Die Rentenreform der Regierung sieht vor, dass Personen die früher in Rente gehen, niedrigere Rentenbezüge haben werden. Wer länger arbeite, werde mehr bekommen. In wenigen Monaten werde die Regierung einen entsprechenden Gestzesvorschlag vorlegen – nach Detaildiskussionen mit allen betroffenen Seiten.
Die Betriebe mahnte Juncker an, ältere Mitarbeiter im Erwerbsleben zu halten. Dazu wolle die Regierung berufliche Weiterbildungsmaßnahmen stärker unterstützen.
Die Reformen im öffentlichen Dienst
Die Regierung plane keinen Angriff auf den öffentlichen Dienst, unterstrich Juncker. Dennoch müsse der öffentliche Dienst im Dialog mit den Beamten reformiert werden. Jede Verwaltung müsse sich regelmäßig überprüfen, um zu klären, ob festgesetzte Ziele erreicht wurden. Neue Beamtenkandidaten werden sich in Zukunft zwei Examen stellen müssen: eine allgemeine Prüfung und ein fechspezifisches Examen. Die Stage-Zeit wird auf drei Jahre verlängert. Während dieser Stagezeit wird der Kandidat nur 80 Prozent des Beamtengehaltes verdienen.
Zum umstrittenen Bewertungssystem meinte Juncker, dass diese Bewertung keine Bestrafung sei. Jeder Beamte soll in Zukunft jährlich in einem Gespräch zu seiner Kompetenz und Leistungsfähigkeit bewertet werden. Der hierarchische Chef erstellt seine Bewertungsvorschläge, die vom Verwaltungschef gutgeheißen werden. Der Beamte kann Einspruch gegen diese Entscheidung einlegen.
Den Schlussteil seiner Rede widmete Juncker europäischen Fragen und insbesondere den Sachzwängen der Europapolitik für Luxemburg.
Die Abgeordneten werden sich ab Donnerstagmorgen zur Erklärung des Regierungschef äußern können.
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