Am Mittwoch hatte der Regierungschef die Schwerpunkte der schwarzroten Koalition für die kommenden Monaten vorgelegt, am Donnerstag war es an den Abgeordneten, sich zu äußern. Als erster Redner eröffnete der CSV-Abgeordnete und frühere ABBL-Chef Thiel seine Rede zwar auch mit dem Wort „Krise“. Gemeint war allerdings nicht die Atomkrise in Japan sondern „die überwunden geglaubte Wirtschafts- und Finanzkrise in den USA“. Die Obama-Regierung bekomme die Wohnungskrise offenbar nicht in den Griff und die nächste Krise kündige sich jenseits des Atlantiks bereits an, bemerkte er. „Der Anstieg des Rohölpreis und der durch Fukushima von allen plötzlich gewollt schnell Ausstieg aus der Atomkraft werden uns hohe Energiepreise bescheren und das Konjunkturwachstum auf lange Zeit abbremsen“, so Thiels Analyse.
„Fukushima macht 25 Jahre nach Tschernobyl nochmals deutlich, dass die Atomkraft nicht beherrschbar ist“, meinte seinerseits Claude Meisch (DP). Das Restrisiko sei zwar gering, im Ernstfall aber von einer Dramatik, die klar mache, dass es nicht vertretbar sei. Die DP habe schon 2008 deutlich gesagt, dass sie aus der Atomkraft raus wolle. Man habe nicht auf die Katastrophe gewartet, um zu dieser Erkenntnis zu kommen. Wenn man nicht schnell einen Aktionsplan Energie hinbekomme, dann sei das Nein zur Atomkraft nicht glaubwürdig.
Dezentrale Energieproduktion
Eine Energiewende bedeute auch eine stärkere dezentrale Produktion, so Meisch. Unverständlich sei, dass das Innenministerium sich noch immer quer lege, wenn Gemeinden neben kaltem auch warmes Wasser anbieten wollen. Der Wohnungsbereich steht für 40 Prozent der CO2-Emissionen. Hier einzuwirken ist auch ein neuer Markt für Finanzprodukte. „London arbeitet bereits daran“, so Meisch. Es gelte schnell zu handeln, wenn man in diesem Markt dabei sei wolle.
Fukushima habe auf brutale Weise in Erinnerung gerufen, dass es ein Fehler war, sich in den letzten Jahren mit der Atomenergie zu arrangieren sagte Lucien Lux (LSAP). Für die LSAP sei seit dem Kongressbeschluss über das Remerschen-Moratorium 1977 klar gewesen, das die Atomenergie keine Perspektive sei. Insofern könne man die Aussagen des Premier nur unterstützen. Die LSAP sagt denn auch Ja zu dem angekündigten Wohnungsbau-Programm. Aber man müsse „aufpassen dass zwischen sozialen und umweltpoltischen Vorgaben Leute nicht durch das Förderprogramm fallen“.
«Energiekrise»
François Bausch (Grüne) sprach von einer Energiekrise, in der sich die Welt befinde. Es sei illusorisch anzunehmen, Erdöl werde nochmals billiger. Die Atomkatastrophe in Fukushima – in einem Hightech-Land – habe die Situation noch zusätzlich verschärft. Anders als vom Premier dargestellt dürfe Atomkraft auch nicht als als Brückentechnologie akzeptiert werden. Die Energiekrise werde für die Wirtschaft und die Gesellschaft weitaus dramatischere Folgen haben als die Finanzkrise prognostiziert er. Wichtigste Aufgabe sei es, Energie zu sparen. Und das betrifft jeden einzelnen.
Für den adr-Sprecher Gast Gibéryen war die Regierungserklärung eine „Failliteerklärung“ von jahrzehntelanger Regierungspolitik mit Auflistung von Problemfeldern. Die einzige Vision, die von 60.000 neuen Wohnungen, vergleichbar der Hauptsatd, sei dabei eigentlich eine irrsinnnige Wachstumsvision. Die Politik habe keine Spur von Nachhaltigkeit. Das wirtschaftliche Wachstum generiere nicht mal mehr die Mittel, um die damit verbundenen Mehrkosten zu decken.
«Umdenken von unten»
André Hoffmann («déi Lénk») zweifelte daran, dass es nach Fukushima wirklich zu einem Umdenken kommen werde. Wenn schon, dann allenfalls zu einem Wandel von unten, meint er. Auch nach der Finanzkrise 2008 habe es zahllose politische Gelöbnisse gegeben, die heute alle vergessen seien. Selbst ein Ausstieg aus der Atomkraft wäre keine komplette Antwort, meint er. Die eigentliche Lehre müsste der Ausstieg aus dem derzeitigen, auf Wachstum fixierten Wirtschaftssystem sein. Ein anderes Gesellschaftssystem, das bedeute auch eine andere, gerechtere Umverteilung. Erstaunt zeigte sich Hoffmann darüber, dass ausser François Bausch keiner, auch nicht der Premierminister ein Wort darüber verloren habe, dass ein Teil der Pensionsreserven über einen Fonds in den japanischen Tepco-Konzern platziert sind.
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