China stellt sich auf eine weitere Abkühlung seines Wirtschaftswachstums ein. Zum Auftakt der diesjährigen Tagung des Volkskongresses gab Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao am Montag in Peking nur noch 7,5 Prozent Wachstum als Ziel für dieses Jahr vor. Angesichts der globalen Wirtschaftskrise ist es die niedrigste Wachstumserwartung seit acht Jahren. In seinem Rechenschaftsbericht vor den rund 3.000 Delegierten in der Großen Halle des Volkes rief Wen Jiabao dazu auf, die heimische Nachfrage stärker anzukurbeln.
Chinas Nationaler Volkskongress
Der Nationale Volkskongress ist nach der Verfassung eigentlich Chinas höchstes Staatsorgan. Unter der Alleinherrschaft der Kommunistischen Partei allerdings ist er vor allem ein Werkzeug der politischen Führung. Zahlen und Fakten:
Der Nationale Volkskongress kam zum ersten Mal 1954 zusammen, als die Verfassung der Volksrepublik China verkündet wurde.
Rund 3000 Abgeordnete gehören dem Volkskongress an. Sie treffen sich für zehn bis zwölf Tage jährlich im März in der Großen Halle des Volkes in Peking.
Die Delegierten werden nicht frei gewählt, sondern alle fünf Jahre von lokalen Volkskongressen neu entsandt. Nationale Minderheiten sollen angemessen vertreten sein.
Der Volkskongress billigt Gesetze, ändert die Verfassung, bestätigt die Regierung, nimmt den Haushalt an und soll über Probleme im Land diskutieren.
Lebhafte Debatten oder kontroverse Abstimmungen sind selten. Wichtige Entscheidungen sind schon vorher in engen Führungszirkeln wie dem mächtigen Politbüro und Ausschüssen gefallen.
Noch nie in seiner Geschichte hat der Volkskongress eine Gesetzesvorlage abgelehnt. 1992 verweigerte aber zumindest ein Drittel der Abgeordneten dem Bau des umstrittenen Drei-Schluchten-Dammes die Zustimmung. (dpa)
Kritisch beschrieb der Regierungschef das bislang rasante, meist zweistellige wirtschaftliche Wachstum in China als «unausgewogen, unkoordiniert und nicht aufrechtzuerhalten». Die Qualität des Wachstums müsse verbessert und Entwicklungsmechanismen und Wirtschaftsstrukturen transformier werden. Die Entwicklung müsse «stärker nachhaltig und effizienter» werden, sagte Wen Jiabao in seiner fast zweistündigen Rede. Die Ausweitung des heimischen Konsums sei entscheidend, um langfristig robustes Wachstum zu sichern.
Nachwehen aus Europa
Im vergangenen Jahr war die zweitgrößte Volkswirtschaft der Erde noch um 9,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gewachsen. Die Schuldenkrise auf ihrem größten Markt in Europa dürfte Chinas Exportwirtschaft in diesem Jahr aber schwer treffen. Das Wachstums im chinesischen Außenhandel werde sich auf zehn Prozent halbieren, sagte Wen Jiabao zu Beginn der zehntägigen Tagung voraus. Um sich gegen finanzielle Risiken zu schützen, werde seine Regierung in der Geldpolitik eine «vorsichtige, aber flexible Haltung» einnehmen.
Das Defizit im Staatshaushalt werde auf 800 Milliarden Yuan (heute umgerechnet 96 Milliarden Euro) oder 1,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes ansteigen. Im vergangenen Jahr sei China mit einem «komplizierten und sprunghaften politischen und wirtschaftlichen Umfeld» konfrontiert gewesen, sagte Wen Jiabao. In der zweiten Jahreshälfte habe die Weltwirtschaft noch «größere Instabilität und Ungewissheit» erlebt, während auch in China neue Probleme entstanden seien. Seine Regierung werde in diesem Jahr weiter eine vorausschauend aktive Haushaltspolitik verfolgen.
Höhere Gehälter und Preise
Nach der Inflation von 5,4 Prozent und dem starken Wachstum der Nahrungsmittelpreise im vergangenen Jahr sollen die Verbraucherpreise 2012 nur noch etwa um vier Prozent zulegen, sagte Wen Jiabao. Die Einkommen sollen weiter wachsen, nachdem sie 2011 in den Städten um 8,4 und auf dem Lande um 11,4 Prozent zugelegt hatten. Er wolle gegen die wachsende Einkommenskluft zwischen Reich und Arm angehen. Der heiß gelaufene Immobilienmarkt soll weiter kontrolliert und Spekulationen eingedämmt werden, um die Preise auf ein «angemessenes Niveau» zu bringen, sagte Wen Jiabao.
Es ist die letzte Sitzung des Volkskongresses vor dem im Herbst geplanten Generationswechsel an der Spitze der Kommunistischen Partei. Hinter den Kulissen gibt es ein heftiges Ringen um die neue Führungsmannschaft. Ein Tagungssprecher wies aber Spekulationen über einen Machtkampf als «absurd» zurück. Beobachter erhoffen sich von der zehntägigen Sitzung Aufschlüsse über die künftige Besetzung des mächtigen Ständigen Ausschusses des Politbüros.
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